Kölns Intendant Bachmann über Religion auf der Bühne

Ehrfurcht, Blasphemie und künstlerische Freiheit

In der Berliner Veranstaltungsreihe "Vorhof der Völker" wird heute (live ab 15 Uhr) über die Religion im Theater diskutiert. Mit dabei ist der Intendant des Kölner Schauspiels, Stefan Bachmann. Im Interview spricht er über seine Beziehung zur Religion.

Stefan Bachmann / © BSCH
Stefan Bachmann / © BSCH

domradio.de: Sie haben einmal gesagt, die Bibel, den Text der Bibel, auf die Bühne zu bringen, ist so etwas wie eine Herzensangelegenheit, warum?

Bachmann: Ich finde es einen der größten Texte, die es gibt, dies ist wirklich absolute Weltliteratur, zumal es ja an die Urquelle unserer Erzählkultur  zurückführt. Es ist ganz erstaunlich, dass es doch ein Text ist, den viele Menschen zu kennen meinen, aber kaum jemand kennt ihn wirklich. Und ich muss mich da einschließen. Ich bin jetzt auch niemand, der einfach mal so Bibel liest, wie man einen Roman liest, also von vorne anfängt und sich dann so durchliest, das ist ein Text, finde ich, der beim Lesen eine gewisse Sperrigkeit hat, der immer wieder sehr langweilig wird. Und der plötzlich, wenn man ihn, das ist meine Erfahrung, wenn man ihn anfängt ihn zu sprechen, wenn er dargestellt wird, wenn er aufgeführt wird, eine unglaubliche Wucht, eine unglaubliche Poesie, eine unglaubliche Spannung entwickelt. Das ist das schöne Erlebnis. Man merkt wirklich, das ist ein Text, der ist entstanden aus der Kultur des Erzählens, Menschen erzählen anderen woher man kommt, wohin man geht, wie man lebt, was einem im Leben begegnen kann, um das so allgemein auszudrücken. Das finde ich das Tolle, das Faszinierende. Die Genesis ist auch, erstaunlicherweise, finde ich, was den meisten gar nicht so bewusst ist, eine abgerundete, in sich schlüssige Erzählung mit einem großen dramaturgischen Bogen.  Eigentlich wird es immer mehr zu einer modernen Familiensaga, um es modern zu bezeichnen.

domradio.de: Sie haben Religionswissenschaften studiert und sind nicht getauft. Wann haben Sie zum ersten Mal die Bibel gelesen?

Bachmann: (lacht) Und unbeschnitten, das war ja eines der ersten Bündnissymbole in der Bibel. Ja, also recht früh. Meine Eltern haben mich zwar nicht taufen lassen, aber ihnen war sehr daran gelegen, dass ich darum weiß. Wir waren auch sehr oft in Kirchen in Italien. Und da wird einem die ganze Bibel mit den Bildern erzählt, ich weiß, dass meine Eltern haben sie mir immer erklärt haben. Die Berührung mit der Bibel war also bei mir seid Kindheit an da. Weniger religiös eingefärbt, viel mehr als Fundus von Geschichten, Parabeln, Gleichnissen, archetypischen Konstellationen.

domradio.de: Welche neuen Erkenntnisse hat Ihnen die Beschäftigung mit der Genesis gebracht? (Pause) Das ist sehr schwer zu sagen, weil heute das Ringen mit Gott einfach komplizierter, versteckter, und weniger direkt und naiv von Statten geht. Und das ist auch ein Verlust, die Einfachheit, die aus der Erzählung der Genesis so rüberkommt, hat ja auch was ungeheuer Bestechendes, das ist etwas, was mich auch sehr bewegt. Es ist auch manchmal ganz schön, das Leben auf diesen Nenner herunter zu brechen, und dann vielleicht zu einem Kern zu stoßen, dessen, was Existenz ausmacht, wovon sie geprägt ist. Wobei ich nicht für eine Vereinfachung plädiere. Ich finde, dass Buch Genesis, das anfängt mit „Am Anfang war das die Erde wüst und leer“ und aufhört mit „man legte ihn (Josef) in einen Sarg“, also es fängt mit dem Beginn und dem Ende an, großer Zyklus, das hat auch was Tröstliches, bei aller Melancholie, die einen so befällt, man hat das Gefühl, Teil eines Werdens und Vergehens zu sein. Das zeigen auch die Genealogien, dass also jeder Mensch als Glied in einer großen Kette seinen ganz speziellen Wert hat.

domradio.de: Sie haben eine lange Inszenierung von Paul Claudels "Seidenen Schuh" gemacht und sich mit dem katholischen Umfeld beschäftigt. War das für sie gruselig?

Bachmann: Ne, gar nicht. Ich fand das total faszinierend. Der Claudel’sche Katholizismus ist ein ganz besonderer Katholizismus. Ich finde auch einen sehr effektvoller und theatraler Katholizismus. Was mich interessiert ist der Gedanke der Freiheit. Was bedeutet Freiheit, wie erreicht man sie. Claudel sagt, die Freiheit liegt eigentlich da, wo ich denke, ich bin der gefesselste, eingesperrteste Mensch. Ich muss geistig in der Religion meine Freiheit finden. Auch da kann ich nicht sagen, was ich richtig finde, aber ich finde das in der jeweiligen Radikalität spannend, darüber nachzudenken.

domradio.de: Sie sind von der Deutschen Bischofskonferenz eingeladen nach Berlin zu dem Symposium „Vorhof der Völker“ mit dem Thema „Freiheitserfahrungen mit und ohne Gott“. Was reizt Sie an dieser Diskussion in Berlin?

Bachmann: Ich weiß gar nicht so genau. Es ist ein bisschen merkwürdig. Ich bin der einzige Regisseur, der in den letzten Jahren Claudel angefasst hat, ich bin der einzige, der auf die Idee gekommen ist, auf ernsthafte Weise die Genesis zu machen. Es gibt da schon persiflierende Versionen, aber das war nie meine Intention. Also ich bin da selber gespannt, es ist eher die Neugier, die mich dahintreibt. Ich wundere mich eigentlich, weil ich finde, dass Religion ist so ein Thema, das unbedingt auf der Bühne verhandelt werden muss.

Veranstaltungsinformation

Mittwoch, 27. November 2013 um 15.00 — 17.00 Uhr
Deutsches Theater

Religion auf der Bühne
Über Ehrfurcht, Blasphemie und künstlerische Freiheit

Mit Prof. Dr. Heinrich Detering, Shermin Langhoff, Florian Lutz und Stefan BachmannModeration: Christine Dössel

Der „Vorhof der Völker“ ist eine von Papst Benedikt XVI. angestoßene Dialoginitiative der katholischen Kirche mit den Nicht-Glaubenden.

„Zum Dialog der Religionen muss heute vor allem auch das Gespräch mit denen hinzutreten, denen die Religionen fremd sind, denen Gott unbekannt ist und die doch nicht einfach ohne Gott bleiben, ihn wenigstens als Unbekannten dennoch anrühren möchten“, sagte Papst Benedikt XVI. beim Weihnachtsempfang für die römische Kurie am 21. Dezember 2009.

Gianfranco Kardinal Ravasi, Präsident des Päpstlichen Rates für die Kultur, hat diese Idee aufgenommen und eine Reihe von Begegnungen zwischen Kirche, Atheisten und Agnostikern an verschiedenen Orten der Welt initiiert, die die Annäherung und die Förderung des gegenseitigen Verständnisses zum Ziel haben.

An wen richtet sich die Initiative?

Die Initiative richtet sich hauptsächlich an Erwachsene. Denn die von der Initiative ausgerichteten Treffen beinhalten viele Diskussionsrunden und Veranstaltungen an wissenschaftlichen Einrichtungen. Aber auch Jugendtreffen und Aktionen für Kinder gehören zum Programm.

 


Quelle:
DR