Hunderte Tote nach Zusammenstößen

Wieder Gewalt in Nigeria

Die Lage in der nigerianischen Unruheregion Jos bleibt angespannt. Bei blutigen Zusammenstößen im Umland wurden am Wochenende mehrere hundert Menschen getötet. Religiösen Spannungen seien jedoch nicht die Ursache für das Massaker, sagt Volker Greulich von Kolping International im domradio.de-Interview.

 (DR)

Bei ähnlichen Unruhen im Januar hatte der Erzbischof von Jos, Ignatius Ayau Kaigama, Darstellungen zurückgewiesen, es handle sich um religiös motivierte Angriffe von Muslimen auf Christen. Damals waren über 300 Menschen ums Leben gekommen.

Ein Sprecher der Regierung des Bundesstaats Plateau erklärte am Montag, mehr als 500 Bewohner mehrerer Dörfer seien in der Nacht zum Sonntag Angriffen bewaffneter Milizen zum Opfer gefallen. Überlebende in Dogo Nahawa, einem Dorf im Süden von Jos, machten muslimische Hirten vom Volk der Haussa-Fulani für die Angriffe verantwortlich. Diese hätten innerhalb weniger Stunden ein regelrechtes Blutbad unter der einheimischen Bevölkerung, den christlichen Berom, angerichtet.

Augenzeugen berichteten, Frauen und Kinder seien mit Macheten in Stücke gehackt oder bei lebendigem Leib in ihren Hütten verbrannt worden. Das Dorf Zot sei dem Erdboden gleichgemacht worden, hieß es. Bestätigungen unabhängiger Beobachter gab es zunächst nicht. Hunderte Vertriebene kampierten am Montag in Jos unter offenem Himmel.

Konflikt über Land und politischen Einfluss
Hintergrund der Unruhen sind Konflikte über Land und politischen Einfluss. Einheimische Ethnien, mehrheitlich Christen, kritisieren eine aggressive Expansionspolitik von Haussa-Fulani-Zuwanderern aus dem muslimischen Norden. Haussa-Fulani, von denen viele schon in der zweiten oder dritten Generation in Jos leben, beklagen ihrerseits einen Ausschluss von allen politisch relevanten Gremien.

Nigerias amtierender Präsident Goodluck Jonathan kündigte am Montag eine ausführliche Untersuchung der Vorfälle an. Übergriffe in den vergangenen Jahren waren nie aufgeklärt worden. Zudem wies Jonathan die Armee und Sicherheitskräfte an, die seit Januar verhängte Ausgangssperre schärfer zu kontrollieren. 100 Verdächtige seien bereits verhaftet worden, hieß es am Montag.

Die Ausschreitungen ereignen sich in einem innenpolitisch sensiblen Moment für Nigeria. Derzeit wird das Land von dem christlichen Vizepräsidenten Jonathan Godluck geführt, der den erkrankten muslimischen Präsidenten Umaru Yar'Adua vertritt. In dem bevölkerungsreichsten afrikanischen Staat mit 149 Millionen Einwohnern gehören 50 Prozent - mehrheitlich im Norden - dem Islam an, 40 Prozent christlichen Konfessionen. Zehn Prozent sind Anhänger von Naturreligionen.