DOMRADIO.DE: Gedenktag und Feste von Heiligen sind normalerweise deren Todestage. Warum feiern wir den Geburtstag von Maria?
Jan Hendrik Stens (Liturgie-Redaktion): Das ist richtig. Es ist so, dass die römische Liturgie genau drei Geburtstage kennt, die gefeiert werden. Das ist einmal Johannes der Täufer, der Vorläufer von Jesus, dann die Gottesmutter und der von Jesus selbst. Weihnachten feiern wir natürlich die Geburt von Jesus Christus. Die Geburt von Johannes dem Täufer feiern wir am 24. Juni und die Geburt der Gottesmutter heute, am 8. September. Das soll die Bedeutung dieser drei besonderen Personen hervorheben. Das hat auch etwas mit ihrer Erwählung zu tun.
DOMRADIO.DE: Und wie ist das Fest Mariä Geburt entstanden?
Stens: Es hat wahrscheinlich etwas mit der Weihe der St.-Anna-Kirche in Jerusalem zu tun. Anna ist die Mutter Mariens und das ist die Kirche, die in der Nähe des Bethesda-Teiches steht. Das ist der Ort, wo Jesus viele Wunder getan hat. Man nimmt an, dass hier in der Nähe auch das Geburtshaus von Maria gestanden hat. In der Ostkirche kannte man schon im sechsten Jahrhundert dieses Fest der Geburt von Maria, im Westen ist es schließlich Ende des siebten Jahrhunderts eingeführt worden. Es hat sich eigentlich im Laufe des Hochmittelalters, also im zehnten und elften Jahrhundert, in der gesamten katholischen Kirche ausgebreitet.
DOMRADIO.DE: Ein historisches Datum ist der 8. September sicherlich nicht. Wie kommt es zu diesem Termin?
Stens: Der Zusammenhang besteht mit dem Hochfest der "ohne Erbsünde empfangenden Gottesmutter" Maria, also dem Fest Mariä Empfängnis. Das wird genau neun Monate vorher gefeiert. Vor neun Monaten waren wir noch in einem anderen Kalenderjahr – also am 8. Dezember 2017. An dem Tag feiern wir, dass Maria gezeugt wurde.
Sie wurde im ersten Augenblick ihres Daseins schon dazu erwählt, Gottesmutter zu sein, deshalb wird dieses Hochfest am 8. Dezember auch Erwählung Mariens genannt.
DOMRADIO.DE: Mit diesem Fest ist auch Brauchtum verbunden, was denn genau?
Stens: Es geht vor allem darum, dass man mit diesem Tag Bauernregeln verbindet. Es gibt zum Beispiel den Spruch "Maria Geburt, fliegen die Schwalben furt" oder auch "Maria geboren, Bauer sähe dein Korn". Man verbindet damit also einmal die Ernte. Das sind also Bauernregeln, die zeigen, dass der Herbst anfängt und die Ernte eingefahren wird. Die Schwalben ziehen in großen Schwärmen Richtung Süden. Das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass wir jetzt also auch in der Natur Richtung Herbst gehen. Mit dem eigentlichen theologischen Festgeheimnis hat das wenig zu tun, aber die Feste und Hochfeste im Kirchenjahr haben in dieser Hinsicht auch ein weltliches Signal.
Das Gespräch führte Aurelia Rütters.