Vor 30 Jahren: Alle Parteien des Nahostkonflikts an einem Tisch

Bis heute vergebliche Hoffnung auf dauerhaften Frieden

In Madrid saßen sich vor 30 Jahren erstmals alle Parteien des Nahostkonflikts gegenüber. Es bestand die Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden in dieser Generation - bis heute haben sie sich jedoch nicht erfüllt.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Wie entwickelt sich die Situation in Nahost? / © hermitis (shutterstock)
Wie entwickelt sich die Situation in Nahost? / © hermitis ( shutterstock )

"Die Zeit ist gekommen, dem israelisch-arabischen Konflikt ein Ende zu setzen." Einen "Meilenstein in der Geschichte der US-Außenbeziehungen" nennt das US-Außenministerium den Satz von Präsident George Bush von März 1991, der in den ersten direkten Verhandlungen aller Konfliktparteien im Nahostkonflikt seit 1948 münden sollte. Am 30. Oktober 1991 versammelten sich eine israelische, ägyptische, syrische, libanesische sowie eine gemeinsame jordanisch-palästinensische Delegation unter dem Vorsitz von Bush und dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow zur dreitägigen Friedenskonferenz von Madrid.

Historische Chance auf echten Frieden in der gesamten Region

"Nach ausführlichen Konsultationen mit den arabischen Staaten, Israel und den Palästinensern glauben die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion, dass eine historische Chance besteht, die Aussichten auf echten Frieden in der gesamten Region voranzutreiben", hieß es in der Einladung. Das erklärte Ziel: ein Friedensabkommen durch Verhandlungen, bilateral und multilateral, die sich unmittelbar an die Konferenz anschließen sollten.

Israels Begeisterung für die internationale Konferenz war mäßig. So wurden die Palästinenser nur im Rahmen einer jordanischen Delegation akzeptiert, und nur solche Vertreter, die keine offene Verbindung zur Palästinensische Befreiungsorganisation pflegten.

Begleitet wurden die Tage von Protesten radikaler Muslime im Westjordanland und im Libanon, von Zusammenstößen zwischen Palästinensern und der israelischen Armee und israelischen Angriffen auf den Südlibanon. Aber sie gingen auch einher mit Hoffnung auf eine friedliche Lösung, wie sie in Bildern von Palästinensern zum Ausdruck kam, die mit Ölbaumzweigen in den Händen auf die Straßen gingen.

Emotionales und denkwürdiges Ereignis

Ermöglicht hatte die Initiative nach Einschätzung von Nahostexperten der Golfkrieg, der es möglich erscheinen ließ, unter amerikanischer Führung eine neue friedliche Ordnung für Nahost zu schaffen. Emotional und denkwürdig sei Madrid für alle Beteiligten gewesen; kein Auge sei etwa trocken geblieben, als Syrer und Israelis sich die Hände schüttelten, erinnerte sich der amerikanische Diplomat Kenton Keith, von US-Außenminister James Baker zum Assistenten für die Konferenz ernannt, in einem Interview von 1998. Dieser "Beginn eines Prozesses" sei die "wahre Leistung von Madrid".

Rückblickend bewertet Israel das Ereignis ähnlich wie die Amerikaner als historisch. Ihm und dem angestoßenen Friedensprozess werden zugeschrieben, dass das Land seine diplomatischen Beziehungen mit vielen Staaten und seinen Status in internationalen Organisationen deutlich verbessern konnte.

Journalistische Beobachter in Deutschland sind weniger euphorisch

Einen weniger euphorischen Blick auf die Lage hatten journalistische Beobachter in Deutschland. "Die historische Konferenz von Madrid offenbarte nur eines: Araber wie Israelis stehen sich weiter unversöhnlich und voller Hass gegenüber", urteilte der "Spiegel" (4. November 1991). Das prunkvolle Ambiente im königlichen Palast in Madrid habe ebenso wenig wie geschliffene Reden über die frostige Atmosphäre hinwegtäuschen können.

Auch in der "Tagesschau" gab man sich skeptisch. Optimismus sei verfrüht, scharfe Rededuelle und gegenseitige Vorwürfe seien eher Zeichen fehlender Kompromissbereitschaft auf allen Seiten. Die schlimmste Befürchtung, ein verfrühter Abbruch der Konferenz, blieb aus. Aber mit dem bleibenden Eindruck des Gruppenbildes zum Abschluss der drei Tage blieb auch die Ungewissheit, wie es weitergehen solle.

Keine echten Fortschritte

De facto folgten bis Juli 1993 etliche weitere Verhandlungsrunden in Washington. Echte Fortschritte blieben jedoch aus. Den vorläufigen Durchbruch erzielten unterdessen parallele, zunächst geheime Verhandlungen, für die die norwegische Regierung einen geschützten Rahmen geschaffen hatte.

Sie waren es, die 1993 zum ikonischen Bild der Friedensprozesse führten: der Handschlag von Jitzhak Rabin und Jassir Arafat wenige Momente, nachdem sie in Washington ihre Unterschrift unter das erste Oslo-Abkommen gesetzt hatten.

Angestoßener Friedensprozess ist längst Geschichte

Fünf Jahre sah Oslo als Zeitplan bis zur Verwirklichung zweier souveräner Staaten Israel und Palästina. Stattdessen wurde aus dem Ausgangspunkt ein zementierter Status Quo. Die amerikanischen Vermittler haben sich spätestens seit der Anerkennung des Golan und dem Umzug der Botschaft nach Jerusalem in der Ära Trump in den Augen der Palästinenser selbst diskreditiert. Ob die Madrider Konferenz ein Ereignis weltgeschichtlicher Dimension ist, dürfte zweitrangig sein: Der von ihr angestoßene Friedensprozess ist längst Geschichte.


Zerstörung in der israelischen Stadt Akko / © Andrea Krogmann (KNA)
Zerstörung in der israelischen Stadt Akko / © Andrea Krogmann ( KNA )

Palästinenser protestieren mit Nationalflaggen vor israelischen Soldaten / © Mamoun Wazwaz (dpa)
Palästinenser protestieren mit Nationalflaggen vor israelischen Soldaten / © Mamoun Wazwaz ( dpa )

Palästinenser schauen auf Gebäude, die durch israelische Luftangriffe zerstört wurden / © Mohammed Talatene (dpa)
Palästinenser schauen auf Gebäude, die durch israelische Luftangriffe zerstört wurden / © Mohammed Talatene ( dpa )
Quelle:
KNA