US-Journalistin sieht Polarisierung durch "Traditionis Custodes"

"Die 'Alte Messe' wird zum Symbol"

Nach dem Beschluss von Papst Franziskus, die "Alte Messe" einzuschränken, fallen die Reaktionen in Amerika heftig aus. Die Journalistin Heidi Schlumpf beklagt, dass der alte Ritus für viele US-Katholiken ein politisches Statement ist.

Symbolbild: Bibel und Kreuz auf us-amerikanischer Flagge / © hxdbzxy (shutterstock)
Symbolbild: Bibel und Kreuz auf us-amerikanischer Flagge / © hxdbzxy ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Welchen Stellenwert hat denn die "Alte Messe" in den USA?

Heidi Schlumpf (Chefredakteurin "National Catholic Reporter"): Das ist in der Tat sehr unterschiedlich. Wenn man uns mit dem Rest der Welt vergleicht, ist der alte Ritus hier definitiv populär. Die USA haben sechs Prozent aller Katholiken weltweit, aber 40 Prozent der Orte, die die "Alte Messe" feiern. 658 Gemeinden, um genau zu sein. Das ist natürlich immer noch ein kleiner Prozentsatz aller Gemeinden in den USA, aber man könnte schon vermuten, dass das Motu Proprio von Papst Franziskus an diese Gemeinden in Amerika gerichtet ist. Obwohl es auch ein paar Länder in Europa gibt, wo die "Alte Messe" populär ist.

Man kann sagen: Für die Katholiken, die hier den alten Ritus feiern, ist er sehr wichtig, für den Großteil unserer Gemeinden spielt es aber keine Rolle. Die einzige Ausnahme ist, falls es jetzt Gruppierungen versuchen sollten, in die Gemeinden zu kommen und dort die "Alte Messe" zu etablieren.

DOMRADIO.DE: Wie erklären Sie diese Popularität der "Alten Messe" in den USA?

Schlumpf: Ich denke, ein Teil davon ist das verständliche Bedürfnis des Menschen, etwas "Heiliges" zu suchen. Unterschiedliche Menschen suchen nach Gott auf unterschiedliche Weise. Einige tun das durch die modernen Messen, die modernere Sprache, die lockerere Anmutung, die Musik. Viele haben aber auch ein Interesse an dem, was wir im Spaß manchmal "smells and bells" nennen, Gerüche und Glockenklänge, könnte man sagen. Das beinhaltet auch, dass Teile der Messe auf Latein gefeiert werden. Eine Sprache, die man als heilig empfindet. Für einen Teil der Anhänger finde ich das vollkommen verständlich und akzeptabel. Wir feiern ja alle die gleiche Liturgie, aber halt mit Variationen.

Das Problem bei uns in den USA, und vielleicht auch in einigen anderen Ländern, ist, dass der alte Ritus zu einem Symbol wird. Ein Symbol für eine Art konservativen Katholizismus, der auch ins Extreme geht. Einige wollen sich damit von Papst Franziskus abgrenzen oder politisch der Republikanischen Partei annähern. Ich glaube, genau auf diese Strömungen und Gedankengänge wollte Papst Franziskus mit seinem Motu Proprio auch eingehen.

DOMRADIO.DE: Wie wurde dieses Dokument denn in den USA aufgenommen?

Schlumpf: Es war in katholischen Kreisen auf alle Fälle eine große Meldung, besonders für die Leute, die die zunehmende Polarisierung in unserer Kirche verfolgen. Die meisten Bischöfe hier sind erst mal in Wartestellung, wie es weitergeht. Viele haben nach dem Motu Proprio Stellungnahmen veröffentlicht, dass die geltenden Regelungen in den Bistümern erst mal fortgesetzt werden. Später würde man dann sehen, was - und ob - etwas verändert wird.

Einige der konservativen Bischöfe gehen in eine andere Richtung und betonen, dass die "Alte Messe" in ihren Bistümern weiter Verbreitung findet. Einige haben sogar direkte Kritik am Papstbeschluss geübt. Die meisten Bischöfe wollen die Messfeiern in ihren Diözesen erst mal nicht einschränken, aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es keine weitere Ausweitung gibt, also keine neuen Seminare oder Pfarreien, die sich auf die "Alte Messe" spezialisieren.

DOMRADIO.DE: Einige konservative Kreise sprechen aber wörtlich von einer "Kriegserklärung" des Papstes gegen den alten Ritus. Ist da was dran, mit Blick auf die Intention von Franziskus?

Schlumpf: Ich denke, dass gerade solche Kommentare beweisen, dass der Papst mit seinem Motu Proprio absolut Recht hat, weil es zeigt, dass die "Alte Messe" für einige zur Ideologiefrage wird. Es wird problematisch, wenn die Messe zum politischen Statement wird und nicht nur die persönliche Präferenz für eine Liturgie aufzeigt.

DOMRADIO.DE: Wird das zur Spaltung der US-Katholiken führen?

Schlumpf: Ich würde sagen, die Frage des Messritus ist ein Schisma nicht wert. Es geht ja wirklich nur um Fragen im Ablauf der Messfeier. Für die Leute, die von einer Kriegserklärung sprechen, ist es aber ganz klar, dass es um mehr geht als das.

DOMRADIO.DE: Der Erzbischof von San Francisco, Salvatore Cordilione, hat jetzt angekündigt, in seiner Kathedrale regelmäßige Messen im alten Ritus abzuhalten. Er ist einer der Wortführer der Konservativen in der US-Bischofskonferenz. Wie ist das einzuordnen?

Schlumpf: Die Entscheidung hat mich nicht besonders überrascht. Erzbischof Cordilione ist immer vorne dabei, wenn es um Fragen des Kulturkampfs geht, der anscheinend von einigen US-Bischöfen geführt wird. Er war auch sehr präsent bei der Frage, ob Politikern, die eine liberale Abtreibungspolitik vertreten, die Kommunion untersagt werden kann. Da ging es vornehmlich um Präsident Biden.

Ich befürchte, dass die Frage des Messritus noch mehr zur Polarisierung in der US-Kirche beitragen wird. Für den November ist die nächste Vollversammlung der Bischofskonferenz angekündigt. Bis jetzt haben wir gedacht, dass die Frage der Kommunion dort im Mittelpunkt stehen wird. Ich vermute, das wird sich jetzt ändern und der Umgang mit der "Alten Messe" wird dort auch für hitzige Diskussionen sorgen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch


Heidi Schlumpf (privat)

Erzbischof Salvatore Joseph Cordileone / © Romano Siciliani/Agenzia Romano Siciliani (KNA)
Erzbischof Salvatore Joseph Cordileone / © Romano Siciliani/Agenzia Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR