Enger Kirchenaustausch zwischen Lille und Köln

"Ohne Liebe wird Religion schnell fanatisch"

Zwischen den Städten Köln und Lille in Frankreich besteht ein enger Kirchenkontakt. Der Kölner Stadtdechant Robert Kleine über eine französische Stadt, in der das Militär die Kathedrale bewacht und Gottesdienste coronabedingt verboten sind.

Religionen / © Vladimir Melnik (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Sie stehen in engem Kontakt mit dem Erzbischof von Lille, Laurent Ulrich. Wird auch die Kathedrale von Lille vom Militär bewacht?

Msgr. Robert Kleine (Kölner Dom- und Stadtdechant): Ja, ich habe das durch eine WhatsApp-Nachricht erfahren. Wir haben freundschaftliche und persönliche Kontakte nach Lille. Von einem Mitarbeiter dort habe ich Bilder geschickt bekommen, wie das Militär am Wochenende in Lille Position bezogen hat. Dazu gehört auch die Kathedrale. Der Bischof war mit dabei und hat auch mit den Verantwortlichen gesprochen. Die Gotteshäuser und gerade Kathedralen in ganz Frankreich müssen aktuell bewacht werden.

DOMRADIO.DE: Wie eng ist der Kontakt zwischen dem Erzbistum und Lille? Sie sagen, wir haben eine enge Kathedrals-Freundschaft. Was heißt das?

Kleine: Es gibt schon lange eine Städtepartnerschaft zwischen Lille und Köln. Die war aber nicht kirchlich mitbegründet. Vor ungefähr drei Jahren kam Dominique Saint-Méchain, der sich sehr in der Pfarrei und in der Kathedrale von Lille engagiert. Damals gab es eine Ausstellung mit Krippen und er fragte, ob wir ihm nicht eine Krippe aus dem Dom leihen könnten. Wir haben die alte Dom-Krippe ausgeliehen, worüber der Kontakt entstanden ist.

Wir waren schon mit einer Delegation in Lille, auch mit dem Bischof. Es ist also ein reger Austausch. Wir wollen das auch auf den kulturellen, den kirchenmusikalischen Bereich und die pastorale Bildung ausweiten, sodass man mal mit einer Gruppe nach Lille fährt und umgekehrt zu uns. Dieser persönliche Kontakt ist das Jahr über gewährleistet. Wir waren zuletzt im März noch mit dem Dombauermeister und mit jemandem von der Kunst-Station Sankt Peter in Lille, also kurz bevor es mit den Corona-Maßnahmen losging.

Jetzt beten wir und denken aneinander. Auch die Anschläge in Frankreich haben uns hier in Köln und mich persönlich sehr betroffen gemacht. Dann bekam ich diese Bilder geschickt. Wir sind natürlich in Gedanken bei den Menschen, auch bei unseren Schwestern und Brüdern in Frankreich. Jetzt kam Österreich dazu - es ist eine sehr unruhige und traurige Zeit.

DOMRADIO.DE: In Lille gibt es genau wie hier in Köln einen intensiven interreligiösen Dialog. Wie wichtig ist dieser Austausch aktuell zwischen Christen und Muslimen, gerade wenn Islamisten Europa terrorisieren?

Kleine: Der Islamismus ist wie alles, was einen "-ismus" hat wie der Fanatismus, etwas Furchtbares. Das zeigt in meinen Augen noch einmal, dass Glaube und Religion ohne Liebe schnell fanatisch wird. Wenn ich also eine Liebe habe und den anderen auch wertschätze und ihn annehme, trotz meines eigenen Glaubens und meiner Überzeugung, kann ich mit ihm in einen guten Dialog treten. Das schließen diese Leute ganz aus. Und deshalb ist es klar, dass die Politik und die Verantwortlichen da die rote Karte zeigen und hart vorgehen müssen, weil das terroristisch ist.

Auf der anderen Seite brauchen wir natürlich den Dialog zwischen den Religionen. Das gelingt gerade hier in Köln sehr gut. Wir haben den Rat der Religionen, es gibt gute Kontakte zur Synagogen-Gemeinde, aber auch zu den muslimischen Religionen und Moscheegemeinden. Man muss immer wieder auf den hohen Wert der Religionsfreiheit hinweisen, auf die Meinungsfreiheit. Und das nicht nur in unserem Land, sondern auch in Frankreich, das sich noch mal als säkularer und laizistischer betrachtet. Aber trotzdem finde ich es sehr gut, dass jetzt der Schutz von den Bürgerinnen und Bürgern, auch gerade von unseren Schwestern und Brüdern, den Christinnen und Christen, gewährleistet wird.

DOMRADIO.DE: In Frankreich kommt jetzt noch etwas anderes hinzu: Nach Allerheiligen sind alle Gottesdienste wegen der Corona-Krise verboten. Das ist natürlich ein herber Schlag für alle Gläubigen. Wie gehen die Verantwortlichen und die Gläubigen damit um?

Kleine: Auch da habe ich die Nachricht bekommen, dass Allerheiligen als letzter Gottesdienst in der Kathedrale gefeiert wurde. Bis auf zunächst unbestimmt Zeit sind alle Gottesdienste abgesagt. Es gilt also ein strikter Lockdown in Frankreich. Das hatten wir bei uns nie, selbst die erste Phase bei uns im März und April war in dem Sinne kein Lockdown. Bei uns ist der Dom zum Gebet und zum Gottesdienst unter den Gegebenheiten geöffnet. So wird der Wert der Religionsfreiheit in besonderer Weise noch einmal geachtet.

Wir hoffen ja, dass das bleibt und dass die jetzigen Maßnahmen, die natürlich viele sehr hart treffen, in vier Wochen aufgehoben werden können. Da kann man nur hoffen. In Frankreich ist es zum Teil so, dass die Bischöfe beim Staat Beschwerde eingelegt haben und es damit auch vor Gericht versuchen. Sie sehen das natürlich als massive Einschränkung. Für Menschen, die glauben, egal welcher Glaubensrichtung, ist eine offene Kirche und ein Gottesdienst immer auch ein Ort des Trostes. Das ist kein Privileg, das wir verteidigen wollen. Ich glaube, dass Gläubige in ihrem Gotteshaus Ruhe, Gebet, Sicherheit und Trost finden, ist für das Überstehen dieser Pandemie ganz wichtig.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Domdechant Robert Kleine / © Beatrice Tomasetti (DR)
Domdechant Robert Kleine / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Kathedrale in Lille / © Alexander Brüggemann (KNA)
Kathedrale in Lille / © Alexander Brüggemann ( KNA )
Quelle:
DR
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