Jesiden trauern um geistliches Oberhaupt Baba Sheikh

Tod eines "Brückenbauers"

Baba Sheikh, das geistliche Oberhaupt der Jesiden ist am Donnerstag verstorben. Die Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad wüdigte ihn als "Friedensstifter". In den verganenen Jahren hatte das Religionsoberhaupt auch Deutschland und den Vatikan besucht.

Baba Sheikh, geistliches Oberhaupt der religiösen Gemeinschaft der Jesiden, bei einem Treffen mit Papst Franziskus am 8. Januar 2015 im Vatikan. / © Osservatore Romano/Romano Siciliani (KNA)
Baba Sheikh, geistliches Oberhaupt der religiösen Gemeinschaft der Jesiden, bei einem Treffen mit Papst Franziskus am 8. Januar 2015 im Vatikan. / © Osservatore Romano/Romano Siciliani ( KNA )

Jesiden in aller Welt trauern um ihr geistliches Oberhaupt Baba Sheikh. Dieser war am Donnerstag mit 87 Jahren im nordirakischen Erbil, der Hauptstadt der autonomen Region Kurdistan, gestorben. Das teilten der Zentralrat der Jesiden in Deutschland und verschiedene kurdische Medien mit. Wie das Nachrichtenportal "Rudaw" berichtete, war Baba Sheikh am Dienstag wegen Nieren- und Herzproblemen dort in ein Krankenhaus eingeliefert worden.

Der Ministerpräsident der autonomen Region Kurdistan, Masrour Barzani, würdigte den Verstorbenen als wichtige Persönlichkeit für das friedliche Zusammenleben der Religionen in der Region Kurdistan. Der Zentralrat nannte ihn einen "Brückenbauer zwischen den Religionen und Kulturen in der Welt und im Nahen Osten". Er habe sich in allen Ländern, in denen Jesiden beheimatet sind, für ein friedliches Zusammenleben der Religionen eingesetzt.

"Ein Leuchtfeuer" verloren

Die Jesidin Nadia Murad, die 2018 den Friedensnobelpreis erhalten hatte, schrieb auf Twitter, die jesidische Gemeinschaft habe "ein Leuchtfeuer" verloren. "Der geistliche Führer der Jesiden verkörperte unsere Werte der Weisheit, Freundlichkeit und Toleranz."

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) zeigte sich "sehr betroffen". Auch er würdigte den Baba Sheikh als "Friedensstifter". Ihn habe "tief beeindruckt, wie er sich mutig gegen Widerstand und jahrhundertealte Traditionen für die jesidischen Mädchen und Frauen eingesetzt hat, die durch IS-Terroristen versklavt, zwangsverheiratet und vergewaltigt wurden". Sein Ziel sei gewesen, dass die Mädchen und Frauen wieder einen Platz in der Gemeinschaft bekommen.

2017 hatte der Baba Sheikh im Zuge der Debatte um die Aufnahme jesidischer Flüchtlinge Deutschland besucht. 2015 war er von Papst Franziskus im Vatikan empfangen worden.

Wer sind die Jesiden?

Jesiden sind eine religiöse Minderheit unter den Kurden. Weltweit hat die monotheistische Religionsgemeinschaft mehrere Hunderttausend Mitglieder. Sie leben vor allem im nördlichen Irak, viele sind aber vor der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) geflüchtet. Auch in Westeuropa gibt es jesidische Gemeinden, nach Informationen der Bundeszentrale für politische Bildung findet sich die weltweit größte in Deutschland mit rund 150.000 Jesiden.

Der jesidische Glaube vereint Elemente verschiedener nahöstlicher Religionen, vor allem aus dem Islam, aber auch aus dem Christentum. Jesiden glauben nicht an ein Paradies oder eine Hölle, sondern an Seelenwanderung und Wiedergeburt.

Jesiden haben neben dem religiösen Oberhaupt, dem Baba Sheikh, auch ein weltliches Oberhaupt. Jeside ist nur, wer von jesidischen Eltern abstammt. Heiratet ein Jeside einen Andersgläubigen, gilt das als Austritt aus der Religionsgemeinschaft.

Jesiden wurden immer wieder verfolgt, sowohl religiös als auch - wegen ihrer Zugehörigkeit zu den Kurden - ethnisch. Fundamentalistische Muslime betrachten sie als "vom wahren Glauben abgefallen". Deshalb verbergen Jesiden in ihren Heimatgebieten häufig ihre Identität. Das Verhältnis zu Christen gilt in der Regel als gut.


Quelle:
KNA