Burundi wählt einen neuen Präsidenten

Angeordnete Partystimmung statt Social Distancing

Burundis autokratischer Langzeit-Präsident Nkurunziza tritt nicht mehr an. Aber zweierlei bedeutet das nicht: dass Oppositionsführer Agathon Rwasa eine echte Chance hätte - und dass nun Demokratie und Frieden dran wären.

Autor/in:
Markus Schönherr
Vor den Wahlen in Burundi: Versammlung von Anhängern der Regierungspartei beim Auftakt des Wahlkampfes / © Berthier Mugiraneza/AP (dpa)
Vor den Wahlen in Burundi: Versammlung von Anhängern der Regierungspartei beim Auftakt des Wahlkampfes / © Berthier Mugiraneza/AP ( dpa )

Eine flüchtige Temperaturkontrolle, ein Spritzer Desinfektionsmittel auf die Hand - schon kann die Party losgehen. Rund um das Zelt tummeln sich schon die Massen in Rot-Grün-Weiß, den Farben von Burundis Regierungspartei CNDD-FDD. Dicht an dicht schwenken sie Parteifähnchen und rufen Parolen. Die Corona-Pandemie, die mehr als 280.000 weltweit das Leben kostete, scheint für die Tausenden Parteianhänger in weiter Ferne.

Weshalb Präventionsmaßnahmen wie "Social Distancing" im Wahlkampf überflüssig sind, erklärt ein Regierungssprecher: "Die Burundier sind ein von Gott gesegnetes Volk." Besorgter scheint man hingegen um die Wahlbeobachter der Ostafrikanischen Gemeinschaft EAC. Sie sollen laut Angaben vom Sonntag in Quarantäne gesteckt und erst nach der Wahl wieder entlassen werden.

Wahlen zu Zeiten der Pandemie

"Interessant" nennt Liesl Louw-Vaudran, Politologin am südafrikanischen Institut für Sicherheitsstudien (ISS), dass das ostafrikanische Land trotz Corona-Pandemie Präsidenten-, Parlaments- und Kommunalwahlen abhält. Leicht hätte der autokratisch regierende Staatspräsident Pierre Nkurunziza den Notstand ausrufen, den Urnengang verschieben und temporär weiterregieren können.

"Trotzdem leugnete er Covid-19 von Beginn an und appelliert an Gott statt an die Wissenschaft." Das sorgt für Unmut in einigen Nachbarländern. "Wahlen sind wichtig - doch sollte es dabei nicht um Leben und Tod gehen", schreibt die Wochenzeitung "The East African". Der kenianische Analyst Tee Ngugi wirft dem burundischen Regime "Willkür" vor. Bislang verzeichnete das Land offiziell 15 Infizierte.

Kritik nicht geduldet

Weniger überrascht ist die Ostafrika-Expertin und Forscherin am Südafrikanischen Institut für Internationale Angelegenheiten (SAIIA) Stephanie Wolters. Die Regierung habe sich in den vergangenen Jahren zunehmend isoliert und dulde weder Kritik noch Einmischung von außen. Der harte Kurs werde sich auch im Wahlergebnis widerspiegeln. "In Burundi herrscht keine freie Meinungsäußerung." Der Vertreter der größten Oppositionspartei, Agathon Rwasa (56), konnte keinen freien Wahlkampf führen, und seine Unterstützer wurden schikaniert. Das politische Klima vor den Wahlen ist sehr repressiv."

Sicherheitskräfte gingen in den vergangenen Wochen nicht nur gegen Oppositionelle und Aktivisten, sondern auch vermehrt gegen Reporter vor. "Vier Journalisten der einzigen unabhängigen Zeitung im Land wurden im Januar zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt - einfach weil sie ihren Job getan haben", sagt Thijs van Laer von der Burundi Human Rights Initiative (BHRI).

Seit fünf Jahren befindet sich die frühere belgische Kolonie im Ausnahmezustand. Damals hatte Nkurunziza vom Verfassungsgericht seine erneute Kandidatur absegnen lassen und regiert seither in einer umstrittenen dritten Amtszeit. Sein Festklammern an der Macht sorgte für Proteste mit mindestens 1.000 Toten. Besondere Sorge bereitet Menschenrechtlern der Jugendflügel der Regierungspartei, Imbonerakure. Er gilt als gewaltbereiter Arm des Regimes und ist laut UNO für "etliche Angriffe auf Oppositionspolitiker und deren Familien" verantwortlich.

Wunschkandidat als Nachfolger

Zur Wahl tritt Nkurunziza (56) zwar nun nicht mehr an. Doch setzt er einiges daran, seinen Wunschkandidaten Evariste Ndayishimiye (52) als Nachfolger ins Präsidentenamt zu heben. Der frühere Offizier stieg in den Rängen der früheren Rebellenbewegung CNDD-FDD auf und diente als treuer Minister und Präsidentenberater.

Durch Einschüchterung und Zensur gilt selbst Burundis größte Oppositionspartei, die CNL, als chancenlos - obwohl ihr Anführer zuletzt eine wachsende Schar an Unterstützern zu seinen Kundgebungen lockte. "In freien und fairen Wahlen könnte Oppositionsführer Rwasa als Sieger hervorgehen", schätzt Politologin Louw-Vaudran. Doch die hat es in Burundi seit langem nicht mehr gegeben.

Ob mit dem Rückzug von Nkurunzizas endlich eine neue Zeitrechnung anbricht, bleibt abzuwarten. "Ndayishimiye ist zwar ein neues Gesicht, aber auch er entstammt dem Kern der CNDD-FDD-Militärordnung, der in den vergangenen Jahren immer mächtiger wurde", sagt die Afrikanistin Wolters. Der Wechsel an der Spitze bedeute nicht automatisch mehr Demokratie für Burundi - und auch nicht ein Ende von Angst und Gewalt.

 

Vor den Wahlen in Burundi: Armeegeneral Evariste Ndayishimiye (l) steht neben dem amtierenden Präsidenten Pierre Nkurunziza / © Berthier Mugiraneza/AP (dpa)
Vor den Wahlen in Burundi: Armeegeneral Evariste Ndayishimiye (l) steht neben dem amtierenden Präsidenten Pierre Nkurunziza / © Berthier Mugiraneza/AP ( dpa )
Quelle:
KNA
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