Was sich von der "Weißen Rose" heute lernen lässt

"Die Weiße Rose lässt Euch keine Ruhe!"

Sechs Flugblätter brachte die "Weiße Rose" in Umlauf. Die Geschwister Scholl und ihre Mitstreiter wollten die Deutschen zum Widerstand gegen den NS-Staat mobilisieren. Wofür können sie heute Vorbild sein?

Autor/in:
Barbara Just
Flugblätter der Weißen Rose eingelassen in den Boden vor Ludwig-Maximilians-Universität  / © Barbara Just (KNA)
Flugblätter der Weißen Rose eingelassen in den Boden vor Ludwig-Maximilians-Universität / © Barbara Just ( KNA )

"Wir schweigen nicht, wir sind Euer böses Gewissen, die Weiße Rose lässt Euch keine Ruhe!" So heißt es jeweils am Ende der ersten vier Flugblätter, die die studentische NS-Widerstandsgruppe ab 1942 weithin verteilte. Die Geschwister Hans und Sophie Scholl sowie ihre engen Mitstreiter Christoph Probst, Willi Graf, Alexander Schmorell und Professor Kurt Huber sahen es als ihre Pflicht an, Deutschland von der "nationalsozialistischen Diktatur des Bösen" zu befreien. Passiver Widerstand sei die "einzige und höchste Pflicht eines jeden Deutschen", waren sie überzeugt. Dafür ließen sie ihr Leben.

Was können die Deutschen heute von den Protagonisten des zivilen und militärischen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus lernen? Was davon ist essenziell für die eigene Haltung und den Schutz der demokratischen Grundordnung? Wie kann der Widerstand von damals die Bürger motivieren, alarmierende Fehlentwicklungen weltweit, wie wachsenden Nationalismus, ja Egoismen - etwas entgegenzusetzen?

Veranstaltung des Zentrums für ethische Bildung

Diesen Fragen widmete sich am Montag in München eine Veranstaltung des Zentrums für ethische Bildung in den Streitkräften in Kooperation mit einem halben Dutzend weiterer Institutionen. Der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck erinnerte daran, dass Scholl und Schmorell besonders durch ihre Erfahrungen als Sanitätssoldaten in Russland in ihrer Haltung geprägt worden seien. Der verbrecherische Charakter des Systems sei dort für die beiden Medizinstudenten immer offensichtlicher geworden.

Politischer Widerstand werde da notwendig, wo für legale Opposition kein Platz mehr sei, sagte Overbeck. Dabei gelte es den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Erst wenn alle friedlichen Mittel ausgeschöpft seien, sei Widerstand gegen eine "verbrecherische Obrigkeit" angezeigt. Insofern könnten sich heute rechte Gruppierungen nicht auf die "Weiße Rose" berufen, wie es aber schon geschehen sei, sagte der Militärbischof und bekam dafür viel Applaus.

Die Rolle des Gewissens

Im Übrigen sei es etymologisch betrachtet nicht uninteressant, ergänzte Overbeck, dass Widerstand nicht "gemacht", sondern "geleistet" werde, so wie Hilfe oder Beistand. Das zeige auch sprachlich die "Leistung und Größe", die dahinter stehe. Eine wichtige Rolle komme dem Gewissen zu. Ein Soldat der Bundeswehr müsse einen Befehl nicht befolgen, wenn er das mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne. Dafür stehe er aber auch sein Leben lang in der Pflicht, sein Gewissen zu bilden. Wer sich auf sein Gewissen berufe, müsse für seine Entscheidung auch die Verantwortung tragen.

Der Münchner Sozialethiker Markus Vogt sieht die "Befähigung zum Selberdenken" als Anfang der Widerstandsfähigkeit. Hier hätten Universitäten Nachholbedarf. Die Philosophin Barbara Schellhammer von der Münchner Jesuitenhochschule pflichtete ihm bei. Ihrer Ansicht nach heißt Bildung, sich mit etwas Fremdem, ja Unbequemem auseinanderzusetzen. Angesichts der "Friday for future"-Bewegung rief sie dazu auf, mit den jungen Leuten das Gespräch zu suchen. Dabei gehe es auch um ein "globales Lernen".

Attentat auf Adolf Hitler

Berthold Goerdeler dagegen wird nicht müde, in Schulen zu gehen und dort, wie jüngst in einem Leipziger Gymnasium, von seinem Großvater Carl Friedrich zu erzählen. Dieser gehörte zu den zivilen Köpfen der Widerstandsbewegung gegen die Nazis und war beteiligt an den Plänen zum Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944. Bei seinem Großvater seien Tugenden wie Klugheit und Mitgefühl im Sinne der Gerechtigkeit ausschlaggebend gewesen. Davon jungen Leuten heute zu berichten, ist ihm wichtig.

Markus Vogt brachte noch einen Gedanken mit ins Spiel. Warum nicht die Protagonisten der "Weißen Rose" als Vorbild im Zeichen der Ökumene sehen? Über Konfessionsgrenzen hinweg hätten sie gemeinsam Widerstand geleistet. Der Glaube sei für die Studenten ein "Suchort" gewesen, um Antworten auf die Fragen ihres Gewissens zu finden.


Quelle:
KNA