Auszüge aus der DBK-Arbeitshilfe zum Rechtspopulismus

"Dem Populismus widerstehen"

Die Deutsche Bischofskonferenz hat eine Wegweisung für Gemeinden und kirchliche Gruppen zum Umgang mit Rechtspopulismus veröffentlicht. Die Katholische Nachrichten-Agentur dokumentiert Auszüge aus dem 74-seitigen Text.

Deutsche Bischöfe / © Katharina Ebel (KNA)
Deutsche Bischöfe / © Katharina Ebel ( KNA )

Hier können Sie die gesamte Arbeitshilfe als pdf downloaden.

Der Populismus, der uns herausfordert, zeigt tagtäglich sein bedrohliches Gesicht, wenn er im Namen einer "gelebten Tradition deutscher Kultur" oder eines "Schutzes regionaler Traditionen" auf Exklusivität und damit auf Ausgrenzung all jener setzt, die nicht seit jeher zu uns gehören. Damit nämlich geraten die Rechte aller anderen Menschen unter Druck. Nationaler Egoismus macht sich breit.

Staaten und Regionen der Welt driften auseinander. (...) Der nationalistisch gefärbte Populismus gefährdet das friedliche und gerechte Miteinander - in der eigenen Gesellschaft ebenso wie weltweit. Wir wissen: Eine beachtliche Zahl von Menschen in unserer Gesellschaft teilt unsere Auffassungen über das Gefährliche des Populismus nicht. Sie nehmen manchmal gänzlich andere Bedrohungen wahr als wir. Wir erleben den Widerspruch auch in unserer Kirche - selbst von Katholikinnen und Katholiken, die sich in unseren Gemeinden oder Verbänden engagieren. Mit ihnen suchen wir das Gespräch, und die Arbeitshilfe soll ein weiterer Anstoß sein, dieses Gespräch zu vertiefen.

Wenn der Rechtspopulismus auf den öffentlichen Widerspruch der Kirchen stößt, nutzt er dies kalkuliert, um seinen anti-elitären Affront auch gegen die Kirchen zu richten, in Deutschland vor allem in Fragen der Asyl- und Migrationspolitik. Bisweilen behaupten rechtspopulistische Akteure dann im Widerspruch zu den Kirchen ihre "Christlichkeit" und scheuen sich nicht, die kirchlichen Amtsträger oder sogar die Kirchen als Ganze des Verrats am Christentum zu bezichtigen. Mit der anti-kirchlichen Inszenierung eigener "Christlichkeit" suchen rechtspopulistische Akteure das Christentum im eigenen Land aus der universalen Kirche, die alle Länder und Völker umfasst, herauszubrechen und für das eigene Land und Volk zu beanspruchen. Jeglichem Versuch, das Christentum als Mittel der Ausgrenzung von Menschen anderer Herkunft zu missbrauchen oder es gar völkisch umzudeuten, muss sich die Kirche weiterhin widersetzen.

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Vertreter der jüdischen Gemeinden warnen zu Recht vor einer doppelten Gefahr: Zum einen hat der rechtspopulistische Diskurs zur Folge, dass in Teilen der deutschen Mehrheitsgesellschaft antisemitische Ressentiments wieder salonfähig werden. Gerade dort, wo die Grenzen zwischen rechtspopulistischer und rechtsextremer Agitation fließend sind, sehen sich die Feinde des jüdischen Lebens in Deutschland im Aufwind. Zum anderen stellt aber auch der arabisch-islamische Antisemitismus eine wachsende Bedrohung für Juden in Deutschland und Europa dar. Hier stehen muslimische Gemeinden in der Pflicht, judenfeindlichen Tendenzen eine Absage zu erteilen und antisemitische Ressentiments - auch in Zusammenarbeit mit jüdischen, christlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren - zu überwinden. Aus Sicht der Kirche steht außer Frage: Jeder Form des Antisemitismus und jeder Art der Instrumentalisierung antisemitischer Ressentiments ist mit Entschiedenheit entgegenzutreten.

Was macht eine christliche Identität aus? Inwiefern sind davon für Europa prägende Werte abzuleiten? In welcher Weise gelten diese Werte? Sind sie kompatibel mit muslimischen Wertvorstellungen? Diese Fragen stehen neu zur Verhandlung. Statt muslimischen Migranten auftrumpfend oder ablehnend zu begegnen, sollten gerade Christen auf selbstreflexive Weise darum bemüht sein, die eigenen Bruchlinien im Verhältnis zum religiösen Pluralismus und zur kulturellen Moderne in den Dialog einzubringen. Letztlich stehen sowohl Christen als auch Muslime vor der Aufgabe, den Respekt vor dem Anderen aus dem je eigenen religiösen Selbstverständnis heraus zu plausibilisieren.

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Geschlechterordnungen schließen nicht nur bestimmte Verhaltensmuster, sondern auch (Gruppen von) Menschen von sozialen Teilhabechancen und von gesellschaftlicher Anerkennung aus, die den geltenden normativen Ordnungsmustern nicht entsprechen können. Kirchliche Verkündigung und christliche Ethik, die vom Menschen als Person und von der allen Menschen gemeinsamen, gleichen geschöpflichen Würde her denken, können sich nicht damit begnügen, Gleichheit an Würde und Rechten aller Menschen formal- rechtlich zu behaupten. Sie müssen dafür eintreten, dass diese Werte im Gemeinwesen konkret verwirklicht werden und gegenläufige Tendenzen ausdrücklich kritisieren.

Christliche Ethik ist zudem gefordert, manifeste Ungerechtigkeiten aufgrund des Geschlechts zu benennen. Diesen Anspruch gilt es auch auf die Kirche selbst zu beziehen, um Verletzungen der Geschlechtergerechtigkeit zu erkennen und auf einer tragfähigen theologisch-anthropologischen und ethischen Grundlage zu überwinden.

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Unsere Gemeinden sind Räume des Dialogs und der Begegnung. Hier treffen Menschen aufeinander, zwischen denen ansonsten kaum Berührungspunkte bestehen. Die Gemeinden sehen sich daher vor die Aufgabe gestellt, das Gespräch mit Menschen verschiedenster Hintergründe und Ansichten zu ermöglichen. Der Dialog mit dem Anderen und mit dem Fremden sollte kein Spezialthema für ein paar wenige sein, sondern zum Selbstverständnis und zur Selbstverständlichkeit des Gemeindelebens gehören. Gerade - aber nicht nur - in Fragen von Migration und Flucht brauchen wir ein innerkirchliches Gespräch, das Ängste und Befürchtungen aufgreift und überwinden hilft. (...)

Bestandteil eines guten Dialogs ist die Überwindung des Misstrauens. Anders als in virtuellen Räumen, wo der Fremde abstrahiert und dämonisiert wird, bieten die Gemeinden ein Forum für echte menschliche Begegnungen: zwischen Menschen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, Migranten und Schutzsuchenden, Unentschlossenen, Skeptikern und Kritikern. Es liegt in der Natur der Sache, dass solche Begegnungen nicht immer harmonisch sind. Konflikte gehören zum alltäglichen Zusammenleben. Sie sind ein Kennzeichen von Vielfalt und Lebendigkeit. Entscheidend ist jedoch, dass die Würde jedes Dialogpartners geachtet wird. Wer auch in persönlichen Begegnungen verhärtet bleibt und andere Menschen herabwürdigt, eignet sich daher nicht als Dialogpartner. Umso wichtiger wird es sein, mit ihm das seelsorgliche Einzelgespräch zu suchen. (...)

Im seelsorglichen Gespräch mit jemandem, der Anderen und Fremden gegenüber Angst, Wut oder Hass empfindet, ist gemeinsam zu klären: Was genau macht Angst? Welche Verluste, welche Bedrohungen werden fantasiert - und welche sind real? (...) Welche konkreten Erfahrungen mit Anderen und Fremden haben diese Gefühle ausgelöst? Wie könnte man die zugrundeliegenden konkreten Konflikte lösen? Nicht selten stellt sich dabei heraus, dass entweder keine konkrete Begegnung im Hintergrund dieser Emotionen steht oder ein über die Medien vermitteltes Ereignis, das verallgemeinert wurde. (...) Wenn negative Gefühle freilich zu bösen Taten gerinnen, so dass das Leben anderer Menschen beschädigt wird, bedarf es einer klaren Grenzziehung.


Quelle:
KNA