Aufrufe zu mehr Einsatz gegen Rechts

"Demokratie in Gefahr"

Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke rufen Politiker und Religionsvertreter zu mehr Einsatz gegen Rechts auf. Außenminister Heiko Mass sprach gar von einem Terrorproblem.

Demonstration der rechtspopulistischen Bewegung Pro Chemnitz / © dpa (dpa)
Demonstration der rechtspopulistischen Bewegung Pro Chemnitz / © dpa ( dpa )

Die umfassende Aufklärung des Verbrechens an Walter Lübcke habe oberste Priorität, betonte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Sonntag laut Redemanuskript in Kassel. Wenn Repräsentanten der Demokratie angegriffen würden, "dann ist unsere Demokratie in Gefahr", mahnte Steinmeier.

Der Bundespräsident verwies auch auf "negative Beispiele aus unserer jüngeren Vergangenheit". Die Gefahr eines Rechtsterrorismus dürfe nie wieder unterschätzt werden. Steinmeier äußerte sich beim Empfang zum 100. Jubiläum des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge.

"Deutschland hat ein Terrorproblem"

Außenminister Heiko Maas (SPD) erklärte, 80 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs würden Politiker wegen ihrer Überzeugungen wieder Opfer von Rechtsterroristen. "All das zeigt, wovor viele auch jetzt noch die Augen verschließen: Deutschland hat ein Terrorproblem", schreibt er in einem Gastbeitrag für die "BILD"-Zeitung (Samstag).

Und weiter: "Vielleicht braucht unser Land nicht nur die 'Fridays for Future', die so viel in Bewegung gebracht haben. Sondern auch einen Donnerstag der Demokratie." Der Außenminister rief zudem dazu auf, auch im persönlichen Umfeld Stellung zu beziehen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) stellte den Rechtsextremismus "auf eine Stufe mit dem islamistischen Terror und mit der Gefahr durch Reichsbürger". Er kündigte im Gespräch mit den Zeitungen der "Funke Mediengruppe" an, die Arbeit der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und insbesondere der gewaltbereiten Personen und Netzwerke deutlich zu verstärken.

"Null Toleranz für Ausländerhass und Hetze"

Seehofer rief zudem dazu auf, stärker gegen Hass und Hetze gerade im Netz vorzugehen. "Beleidigung, Verleumdung, Volksverhetzung gehören offline wie online verfolgt", betonte er. In Deutschland müsse gelten: "Null Toleranz für Ausländerhass, Hetze, Antisemitismus."

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) bezeichnete den Mord an Lübcke als "Anschlag auf unsere Gesellschaft und unsere Demokratie". Politiker und Menschen, die sich öffentlich engagierten, dürften nicht "zu Freiwild werden", sagte sie der "Passauer Neuen Presse". Es müsse möglich sein, Argumente auszutauschen, ohne Hass, Hetze und "inszenierte Shitstorms", betonte Karliczek. "Und die eine Partei am rechten Rand muss endlich aufhören, die Grenzen zu verschieben, endlich diese doppeldeutigen Formulierungen unterlassen, wie etwa die Aussage, einen anderen Menschen zu jagen."

Das Internationale Auschwitz-Komitee erklärte, die jüdische Welt Europas sei "längst im Fokus dieses Hasses", dem auch Lübcke zum Opfer gefallen sei. "In diesen Tagen geht es wirklich um eine neue Qualität dieses Hasses und der rechtsextremen Gefahr in Deutschland", so der Exekutiv-Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner. Die AfD dürfe nicht "aus ihrer Verantwortung für den Aggressionsprozess in Deutschland entlassen werden", fügte er hinzu. Von allen Bürgern sei der unlängst von Seehofer angekündigte "Biss der Demokratie" zu erwarten, der allzu lange ausgeblieben sei. 

Kirchentagspräsident Leyendecker: "Haltung zeigen!"

Der Präsident des evangelischen Kirchentages in Dortmund, Hans Leyendecker, hat zum Abschluss des Christentreffens zur Zivilcourage aufgerufen. "Wir müssen handeln! Haltung zeigen!", sagte Leyendecker am Sonntag im Dortmunder Fußballstadion vor Tausenden Gottesdienstbesuchern. Es gehe darum, sich "den Spaltern und Hetzern in unserer Gesellschaft entgegenzustellen".

"Nur zusammen und mit Gottvertrauen können wir eintreten für Menschenwürde", fügte der Journalist hinzu. Pilatus habe sich vor der Hinrichtung Jesu die Hände in Unschuld gewaschen. Leyendecker: "Europäische Politikerinnen und Politiker waschen sie in dem Wasser, in dem Flüchtlinge ertrinken."

Es gebe aber auch viele gute Beispiele für ziviles Engagement. Es gebe viele Menschen, die sich "kümmern, umeinander, füreinander. Die einstehen für mehr Gemeinschaft". Diese zeigten, dass man keine Angst haben müsse. Man dürfe den öffentlichen Raum nicht Leuten überlassen, die das Gemeinwesen zerstören wollen. Leyendecker: "Lasst uns nicht nur über Defizite bei der Integration reden." Es gebe viele Menschen, die sich in "bestem Bürgersinn" in Kirchengemeinden, Vereinen und politischen Initiativen engagierten.


Bundesjustizminister Heiko Maas / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Bundesjustizminister Heiko Maas / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )

Trauer um Walter Lübcke (CDU) / © Uwe Zucchi (dpa)
Trauer um Walter Lübcke (CDU) / © Uwe Zucchi ( dpa )
Quelle:
KNA , epd
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