Caritasverband verurteilt Gesetzespaket zu Geflüchteten

"Eine massive Kriminalisierung"

Die Große Koalition hat sich auf neue Gesetze zu Einwanderung und Asyl geeinigt – eine längere Beschäftigungsduldung zählt dazu. Der Diözesancaritasverband im Erzbistum Köln meint, Geflüchtete würden damit kriminalisiert und entmündigt.

Flüchtlinge in Deutschland / © Christoph Schmidt (dpa)
Flüchtlinge in Deutschland / © Christoph Schmidt ( dpa )

DOMRADIO.DE: Begrüßen Sie es, wenn diese längere Beschäftigung von Migranten kommt?

Irene Porsch (Diözesancaritasverband im Erzbistum Köln): Ich begrüße eine längere Beschäftigungsduldung von Migranten. Ich begrüße nicht, dass diese Möglichkeit sehr eingeschränkt ist, für einen kleinen Kreis von Migrantinnen und Migranten. Und das drumherum eine Vielzahl von Gesetzen geschaffen werden, die in ihren Wechselwirkungen ganz vehemente Auswirkungen auf Menschen haben, die hier eine Bleibe und Arbeit suchen. Das Bleiberecht wird erschwert und die Rechte Geflüchteter werden abgebaut. Das kann man insgesamt zu diesem Gesetzespaket sagen.

DOMRADIO.DE: Lassen Sie uns noch mal aufs Detail schauen. Das Gesetzespaket sieht jetzt vor, Vorgehensweisen zu übernehmen, die in Bayern schon praktiziert werden. Zum Beispiel Sachdienstleistungen für Flüchtlinge, statt Geldleistungen. Sie sagen, das behindert die Integration und schadet vor allem Kindern. Warum?

Porsch: Es erschwert die Möglichkeit der Teilhabe an unserem gesellschaftlichen Leben. Das haben wir auch in anderen Zusammenhängen schon immer als Diskussion und auch als Problem festgestellt; sei es bei Hartz-IV-Leistungen oder ähnlichem. Wenn Menschen die Möglichkeit genommen wird, sich selber ihre Lebensmittel auszuwählen, einzukaufen, ihren Alltag zu gestalten, die Notwendigkeiten des Alltags zu bewältigen, dann wird ihnen Teilhabe erschwert.

Das sieht so aus mit Sachdiensleistungen: Sie kriegen die Liste vorgelegt und müssen ankreuzen, welches Essen sie für die ganze Woche haben wollen. Meistens stehen drei verschiedene Dosen Essen zur Verfügung. Die Auswahl ist eingeschränkt, man muss ja ein Gesamtsystem für so ein Ankerzentren oder andere Massenunterkünfte schaffen. Das nimmt natürlich wirklich die Teilhabemöglichkeiten, es nimmt auch die Möglichkeiten ein gesundes Essen selber zu beziehen. Es nimmt Kindern die Möglichkeit mithilfe der Eltern, die notwendigen Sachen für die Schule selber aussuchen zu können, es entmündigt.

DOMRADIO.DE: Sie sagen auch, die geplanten Gesetzesänderungen kriminalisieren Flüchtlinge, Helfer und Behördenmitarbeiter. Und das wird dann auch Auswirkungen aufs Kirchenasyl haben. Warum ist das so?

Porsch: Das "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" ist eines von acht Gesetzesentwürfen. Es sieht vor, dass Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die Abschiebetermine verkünden, kriminalisiert werden können. So können eben auch Menschen aus der Zivilgesellschaft – also ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, Beraterinnen und Berater – die Abschiebetermine weitergeben, dafür rechtlich belangt werden.

Darüber hinaus wird es ganz einfach gemacht, Menschen in Abschiebehaft zu nehmen und das, wo schon jetzt die Gefängnisse für Abschiebehäftlinge überfüllt und die Bedingungen teilweise prekär sind. Dies wurde auch bereits von der Caritas und anderen Wohlfahrtsverbänden vehement kritisiert. Das heißt schon für einfache Dinge, dass man angeblich bei seiner Identitätsbeschaffung nicht ausreichend geholfen hat oder das sogenannte Fluchtgefahr besteht oder man in Haft genommen werden kann. Das ist natürlich auch eine massive Kriminalisierung. Das neue Gesetz sieht auch vor, dass man in ein reguläres Gefängnis kommen kann, mit anderen Menschen, die für ganz normale Verbrechen verurteilt worden sind. Die Schutzzone Abschiebehaft ist somit nicht gewährleistet.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR