"Brot für die Welt" kritisiert Entwicklungsetat im Bundeshaushalt

"Fatale Signalwirkung"

Für den Entwicklungsetat im Bundeshaushalt sind keine zusätzlichen Mittel vorgesehen. Das sei nicht nur ein Bruch des Koalitionsvertrages, auch komme Deutschland seinen internationalen Verpflichtungen nicht nach, kritisiert "Brot für die Welt".

Bundesadler im Bundestag / © Ralf Hirschberger (dpa)
Bundesadler im Bundestag / © Ralf Hirschberger ( dpa )

DOMRADIO.DE: Heute soll eine Entscheidung zum Bundeshaushalt fallen. Sie üben deutliche Kritik an den Eckpunkten der Finanzplanung für die Jahre 2020 bis 2023, die Minister Scholz vorgestellt hat. Was macht Ihnen besonders Sorgen?

Cornelia Füllkrug-Weitzel (Präsidentin von "Brot für die Welt"): Besonders Sorgen macht uns zum einen, dass der Entwicklungsetat gegenüber den ursprünglichen Planungen für 2020, nicht etwa wie Herr Scholz behauptet, gleich bleiben würde. Sondern tatsächlich wird er exakt der Höhe des Etats von 2019 entsprechen und wenn man das mit Inflationsbereinigung betrachtet, dann heißt es, der Etat wird absinken. Im Jahr 2021, also innerhalb einer mittelfristigen Finanzplanung, sind richtig drastische Kürzungen des Haushaltsetats für Entwicklungsarbeit vorgesehen.

Gleichzeitig steigt der Verteidigungsetat um weitere circa zwei Milliarden – er ist im letzten Jahr im Gegensatz zum Entwicklungsetat schon viermal so stark gestiegen. Das heißt, der Entwicklungsetat stagniert. Da fragen wir uns zum einen, wie ist es denn mit dem berühmten Vorrang des Zivilen, der so häufig in den Koalitionsvereinbarungen beschworen wurde. Wir fragen uns überhaupt, wie man eigentlich zweimal den Koalitionsvertrag brechen kann. Denn die Koalitionsvereinbarung sieht vor, dass die Mittel für Entwicklung und Verteidigung im Verhältnis eins zu eins steigen. Davon ist nicht die Rede.

DOMRADIO.DE: Was hat das denn für Folgen für die Entwicklungszusammenarbeit?

Füllkrug-Weitzel: Eine Folge ist, dass die Quote nicht eingehalten wird. Das ist der Teil am Bruttoinlandsprodukt, der für Entwicklungshilfe offiziell von staatlicher Seite ausgegeben wird. Die Quote wird jedoch sinken und nicht steigen. Sie soll mittel- und langfristig auf 0,7 Prozent steigen. Sie liegt bei 0,51 Prozent und wird eher runterfallen und nicht aufsteigen. Damit wird Deutschland seinen internationalen Verpflichtungen nicht gerecht. Unter Umständen wird das bedeuten, dass die Bundesregierung ihre internationalen Verpflichtungen für die Klimaanpassungsfinanzierung nicht wird einhalten können.

Die USA sind schon ausgestiegen. Wir waren bisher immer diejenigen, die dagegengehalten haben. Wenn auch Deutschland jetzt von seinen Verpflichtungen zurücktritt, dann hat das unter Umständen eine fatale Signalwirkung. Es wird bedeuten, dass die Kanzlerin sich entscheiden muss. Entweder wird sie den der Wirtschaft zugesicherten Entwicklungsfonds von einer Milliarde nicht einhalten oder aber dieses Geld wird anders als zunächst geplant aus dem laufenden Entwicklungsetat herausgenommen.

Das heißt, es wird für die Hungerbekämpfung, die Armutsbekämpfung und für die Klimaanpassungsmaßnahmen nicht mehr zur Verfügung stehen. Die sogenannten nachhaltigen Entwicklungsziele, die von den Vereinten Nationen 2015 verabschiedet worden sind, stehen ja unter dem Schlagwort "Leaving no one behind". Das bedeutet, niemand soll zurückgelassen werden. Wir wissen alle, dass die Förderung von Wirtschaftsinvestitionen zwar vielleicht wirtschaftliche Entwicklung ankurbeln mag. Aber es wird definitiv nicht dort investiert, wo wirklich Armut ist und die Ärmsten leben.

DOMRADIO.DE: Im Gegensatz zum Entwicklungsetat steigt der Verteidigungsetat um zwei Milliarden, im Vergleich zu 2018 sogar um 6,2 Milliarden Euro. Er soll in den Jahren darauf zwar etwas sinken, aber jetzt zunächst heißt das erstmal Verteidigungsausgaben gegen Entwicklungszusammenarbeit. Kann man das so sagen?

Füllkrug-Weitzel: Und das heißt vor allem, dass ein Koalitionsversprechen gebrochen wird. Das besagt, die Etats steigen im Verhältnis eins zu eins. Das ist aber absolut nicht der Fall. Der Entwicklungsetat steigt gar nicht. Und wie gesagt, der Vorrang des Zivilen fällt hinten runter. Es ist allen Menschen klar und im Zuge der Flüchtlingsdebatte noch einmal klarer geworden, dass man sehr viel tun muss, um Konflikte präventiv einzugrenzen und einzuhegen, damit sie nicht zum Ausbruch kommen. Aber das ist offensichtlich nicht mehr im Fokus.

DOMRADIO.DE: Was wären denn die Folgen für die Arbeit von Brot für die Welt?

Füllkrug-Weitzel: Die Folgen für die Arbeit von Brot für die Welt sind zum einen, dass wir nicht mehr genau kalkulieren können, was nächstes Jahr passiert. Ich gehe doch davon aus, dass falls entsprechende Pläne vom Bundesfinanzminister entschieden werden, dann der Bundestag da kräftig entgegenhalten wird. In seiner ersten Haushaltsdebatte im Sommer und dann am Schluss, ja erst wahrscheinlich Ende des Jahres, kann der Haushalt verabschiedet werden.

Eine Verzögerung, die auch unsere Partner zusagen betreffen wird und somit die langfristige Verlässlichkeit von Zusagen in Frage stellen wird. Es könnte durchaus sein, wenn die Bundeskanzlerin ihre Mittelzusagen einhalten möchte, dass das auf Kosten der Werke geht. Zum Beispiel Brot für die Welt und Misereor, die bisher vor allen Dingen immer dazu ausersehen waren, besonders kräftig im Bereich der Armutsbekämpfung zu investieren und Partner zu unterstützen.

DOMRADIO.DE: Wie lautet Ihr Appell an die Bundesregierung in einem Satz?

Füllkrug-Weitzel: Mein Appell an die Bundesregierung: Noch einmal nachzudenken und diesen Beschlüssen definitiv nicht zu folgen. Der Entwicklungsetat sollte so wie bisher geplant fortgeführt werden. Wenn gespart werden muss, dann am Verteidigungsetat.


"Brot für die Welt"-Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel (dpa)
"Brot für die Welt"-Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel / ( dpa )

Entwurf des Bundeshaushalts 2020 / © picture-alliance/ dpa-infografik (dpa)
Entwurf des Bundeshaushalts 2020 / © picture-alliance/ dpa-infografik ( dpa )
Quelle:
DR