Nach dem "Chefarzt-Urteil" zum kirchlichen Arbeitsrecht

Was sagt die katholische Unternehmerseite?

Das Urteil hatte für Aufsehen gesorgt: Einem Chefarzt eines katholischen Krankenhauses war wegen Wiederheirat nach Scheidung gekündigt worden. Zu Unrecht, wie das Bundesarbeitsgericht feststellte. Was sagt die Unternehmerseite?

 (DR)

DOMRADIO.DE: Ein wegen seiner zweiten Heirat gekündigter Chefarzt eines katholischen Krankenhauses in Düsseldorf kann weiter seiner Arbeit nachgehen. Das Bundesarbeitsgericht erklärte seine Kündigung in der vergangenen Woche für unwirksam. Der Rechtsstreit zog sich insgesamt über Jahre und verschiedene Instanzen hin. Die Begründung des Bundesarbeitsgerichts könnte man dahingehend übersetzen, dass ein evangelischer Kollege in einem vergleichbaren Fall nicht gekündigt worden wäre. Eben diese Ungleichbehandlung des Klägers aufgrund einer Religionszugehörigkeit sei nicht zulässig. Ist das für Sie nachvollziehbar?

Prof. Ulrich Hemel (Präsident des Bundes Katholischer Unternehmer / BKU): Das ist nachvollziehbar. Wir leben in einer Gesellschaft, die auf Selbstbestimmung und Freiheit großen Wert legt und deswegen auch religiöse Selbstbestimmung leben möchte.

DOMRADIO.DE: Das Grundgesetz garantiert den Kirchen ein Selbstbestimmungsrecht bei ihren Angelegenheiten, also eine gewisse Autonomie. Würden Sie sagen, dass das Urteil am Sonderstatus der Kirche als Arbeitgeber kratzt?

Hemel: Das tut es schon. Aber die Gesellschaft hat sich auch verändert. Es geht hier auch nicht nur um das Grundgesetz. Es geht auch um Konkordate, also Vereinbarungen zwischen dem deutschen Staat und dem Vatikanstaat. Aber all diese Dinge sind für den normalen Menschen kaum mehr nachvollziehbar. Denn wir möchten unsere Selbstbestimmung leben und wir wünschen uns auch, dass sich in der Kirche das ein oder andere ändert. Und es ändert sich ja auch etwas. Zur heutigen Zeit wäre diese Kündigung kaum ausgesprochen worden.

DOMRADIO.DE: Halten Sie denn diesen Sonderstatus der Kirchen in einer sich wandelnden Gesellschaft noch für zeitgemäß?

Hemel: Nicht mehr in der Form, in der wir ihn haben. Aber wir sollten auch nicht vergessen, dass jeder Unternehmer das Recht hat, sich die Menschen auszusuchen, mit denen er arbeiten möchte. Und dieses Recht muss man auch der Kirche zugestehen. Wir haben in der Vergangenheit in einem volkskirchlichen Kontext darauf geschaut, ob die Menschen getauft sind. Das reicht meines Erachtens überhaupt nicht aus. Es ist nicht einmal mehr angemessen. Denn die Taufe ist noch lange nicht das persönliche Bekenntnis zum Christentum und zur Kirche.

Ich finde, es ist viel wichtiger, dass ich ein Gespräch über gemeinsame Werte und Ziele führe und frage, ob man denn die Ziele meiner Institution, meines Krankenhauses, meines Pflegeheims oder was auch immer, nachvollziehen kann. Wenn diese gemeinsamen Werte stimmen, dann ist das in Ordnung. Das verstehen die Menschen auch.

DOMRADIO.DE: Sie sind selber katholischer Unternehmer. Fühlen Sie sich nach diesem Gerichtsurteil in Ihrer Entscheidungsfreiheit beschnitten?

Hemel: Gar nicht. Denn wenn ich jemanden einstelle, stelle ich ihn für meinen Betrieb ein. Das ist ein privates Unternehmen. Da habe ich die Freiheit, das unter Beachtung des Antidiskriminierungsgesetzes zu tun.

Ich kann im Gegenteil nach wie vor als Arbeitgeber Akzente setzen: Beispielsweise indem ich ein besonders familienfreundlicher Betrieb bin, oder indem ich auf die Bedürfnisse der Arbeitszeitgestaltung bei den Menschen eingehe oder indem ich mehr Schwerbehinderte einstelle als ich muss. Das sind Dinge, die jeder freiwillig tun kann und die wir auch tun.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Prof. Ulrich Hemel / © BKU (BKU)
Prof. Ulrich Hemel / © BKU ( BKU )
Quelle:
DR