Frauenwahlrecht als Meilenstein der Gleichberechtigung

Weiterhin viel zu tun

Am 19. Januar 1919 durften die deutschen Frauen erstmals wählen. Doch in punkto Geschlechtergerechtigkeit gibt nach Einschätzung des Katholischen Deutsche Frauenbundes immer noch viel zu tun. Ein Symbol an diesem Tag sind die "Hatwalks".

Autor/in:
Nadine Vogelsberg
100 Jahre Frauenwahlrecht - Frauen wählen zum ersten Mal / © N.N. (dpa)
100 Jahre Frauenwahlrecht - Frauen wählen zum ersten Mal / © N.N. ( dpa )

Wer sich für die Stärkung von Frauenrechten einsetze, "trägt zu mehr Gerechtigkeit bei", betonte KDFB-Präsidentin Maria Flachsbarth am Dienstag in Köln. Sie appellierte zudem an Frauen in Deutschland, ihr Wahlrecht auszuüben.

Der Einzug der Frauen in die Nationalversammlung am 19. Januar 1919 sei "ein Meilenstein auf dem Weg der Gleichberechtigung" gewesen, hieß es weiter. Sechs der 37 damals gewähten Frauen seien aus dem KDFB gekommen. Um heute ein Zeichen für Demokratie und Frauenrechte zu setzen, lädt der KDFB Frauen dazu ein, am 19. Januar mit Hut auf die Straße zu gehen. Fotos von "Hatwalks" könnten unter dem Schlagwort #wirziehendenhut auch in den Sozialen Medien geteilt werden.

Zur Geschichte

Die Sozialdemokratin Marie Juchaz zeigte sich kämpferisch und nicht in Feierlaune: "Es ist das erste Mal, dass in Deutschland die Frau als freie und gleiche im Parlament zum Volke sprechen kann", sagte sie am 19. Februar 1919 als erste Rednerin in der deutschen Nationalversammlung in Weimar. "Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist."

Seit 100 Jahren gibt es das Frauenwahlrecht in Deutschland. Am 19. Januar 1919 durften sie sich erstmals an der Wahl zur verfassunggebenden Nationalversammlung beteiligen. Über 80 Prozent der wahlberechtigten Frauen gaben ihre Stimme ab. Es kandidierten 300 Frauen. Von den insgesamt 423 Abgeordneten zogen 37 Frauen in die Nationalversammlung ein; das waren 8 Prozent. Derzeit gehören 219 Frauen dem Bundestag an: Der Frauenanteil beträgt somit 30,9 Prozent, für viele Kritiker viel zu wenige.

Internationalen Vergleich

Im internationalen Vergleich war Deutschland eines der ersten Länder, das Frauen das Wahlrecht einräumte. "Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten", hieß es in der Reichsverfassung von 1919. Es waren die Umbrüche des Ersten Weltkriegs, die den Frauen in vielen nord-europäischen Ländern wie Lettland, Litauen, Polen, Österreich, Luxemburg, Irland und dem Vereinten Königreich das Wahlrecht ermöglichten. In vielen süd-europäischen Ländern durften Frauen erst nach dem Zweiten Weltkrieg wählen.

Es war ein langer politischer Kampf bis dahin. Noch 1850 wurde Frauen in den meisten deutschen Staaten die Mitgliedschaft in politischen Vereinen verboten; auch an politischen Versammlungen durften sie nicht teilnehmen. Doch Frauen schlossen sich trotzdem ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Gruppen und Vereinen zusammen, um sich für Frauenbelange wie das Recht auf Bildung und Erwerbsarbeit, die Teilnahme am politischen Leben sowie ökonomische und soziale Selbstständigkeit einzusetzen. Zu gewalttätigen Auseinandersetzungen wie bei den englischen Suffragetten kam es in Deutschland kaum.

Erstmal ignoriert

Es dauerte bis 1891, bis die SPD als erste Partei die Forderung nach einem Stimmrecht für Frauen in ihr Programm aufnahm. Erst seit 1908 durften Frauen in Preußen in politische Vereinigungen und Parteien eintreten und politische Vereine gründen. Als Kaiser Wilhelm II. 1917 eine Reform des Wahlrechts in Richtung mehr Demokratie ankündigte, ignorierte er die Forderungen von Frauen nach Mitbestimmung erneut.

Im Oktober 1918 forderten 58 deutsche Frauenorganisationen in einem gemeinsamen Schreiben an Reichskanzler Max von Baden, dem Verlangen der Frauen nach einem Wahlrecht zu entsprechen. Am 12. November kündigte dann die provisorische Reichsregierung, der Rat der Volksbeauftragten, eine große Wahlrechtsreform samt Frauenwahlrecht an.

Entwicklung bis heute

Der SPD, die als erste Partei das Wahlrecht der Frauen gefordert hatte, wurde mit 37,9 Prozent die stärkste Kraft in der Nationalversammlung. Den Frauen verdankte sie diese Stimmen jedoch nicht. Da in einigen Regionen nach Geschlechtern getrennt abgestimmt wurde, wurde deutlich, dass Frauen in katholischen Regionen auch für katholische Parteien stimmten. In protestantischen Regionen gingen ihre Stimmen vor allem an die nationalkonservative Deutschnationale Volkspartei und die linksliberale Deutsche Demokratische Partei.

Mittlerweile ist die Wahlbeteiligung zwar gesunken, das aber bei beiden Geschlechtern: Bei der Bundestagswahl im September 2017 gaben 31,8 Millionen Frauen und 29,8 Millionen Männer ihre Stimme ab. Für Parteien wie die Grünen und die Linken sitzen mehr Frauen als Männer im Bundestag. Von den AfD-Abgeordneten sind dagegen nur 10,8 Prozent weiblich.

Auch heute noch sind die Rechte von Frauen weltweit sehr unterschiedlich. Dem Global Gender Gap Report zufolge sind vor allem in europäischen Ländern die Frauen den Männern annähernd gleich gestellt. Island belegt den ersten Platz dieser Liste, Deutschland folgt auf Platz 11. Die letzten Plätze belegen Oman, Trinidad und Tobago sowie der Jemen.


Festakt 100 Jahre Frauenwahlrecht im November / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Festakt 100 Jahre Frauenwahlrecht im November / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )
Quelle:
KNA