Frank Richter verliert Wahl zum Oberbürgermeister von Meißen

Beinahe vom Kaplan zum Rathaus-Chef

Haarscharf ist der Theologe Frank Richter im zweiten Wahlgang für das Amt des Oberbürgermeisters in Meißen gescheitert. Nur 0,9 Prozentpunkte lag er hinter dem bisherigen Amtsinhaber. Seine berufliche Zukunft ist nun offen.

Autor/in:
Karin Wollschläger
Frank Richter in Meißen knapp gescheitert / © Sebastian Kahnert (dpa)
Frank Richter in Meißen knapp gescheitert / © Sebastian Kahnert ( dpa )

"Danke! Wählt den Wechsel" steht auf den Wahlplakaten mit dem Porträtfoto von Frank Richter. Doch im zweiten Wahlgang unterlag der frühere Chef der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (2009-2017) in seiner Geburtsstadt Meißen am Sonntagabend denkbar knapp im Rennen um den Posten des Oberbürgermeisters. Richter kam mit 42,6 Prozent der Stimmen auf Platz zwei, 0,9 Prozentpunkte hinter dem bisherigen Amtsinhaber Olaf Raschke.

Der parteilose Theologe Richter war erstmals für ein politisches Amt angetreten - mit 58 Jahren so etwas wie ein Spätberufener. Zu politischem Engagement berufen fühlte er sich indes schon früh. Und in Sachen "Wechsel" ist er quasi Profi, nicht nur aufgrund seiner Biografie.

"Keine Gewalt bitte"

Erstmals in den Blick einer größeren Öffentlichkeit gerät Richter im Herbst 1989 kurz vor dem Ende der DDR. Am 8. Oktober demonstrieren tausende Menschen in Dresden. Auch Richter, damals Kaplan an der katholischen Kathedrale, geht auf die Straße. Die Polizei kesselt 5.000 Demonstranten auf der Prager Straße ein, prügelt einige nieder. Die Situation droht zu eskalieren. Da geht Richter mit einem weiteren Priester zu den Polizisten: "Keine Gewalt bitte."

Das Unwahrscheinliche geschieht: Die Polizei gestattet den beiden, eine Gruppe zusammenzustellen, um mit dem SED-Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer zu sprechen. Erstmals findet ein offizieller Dialog zwischen Demonstranten und der Staatsmacht statt. Als "Gruppe der 20" gehen die Bürgerrechtler in die Geschichtsbücher ein. Der damals 29-jährige Richter wird zu einem der bekanntesten katholischen Gesichter der DDR-Bürgerrechtsbewegung

"Näher am Leben der Menschen"

Zugleich wächst der Sohn eines Maurermeisters zu einem der Hoffnungsträger der katholischen Kirche im Osten heran. Doch Richter beginnt nach der Wende mit seiner Kirche zu hadern: Sie rücke zu sehr an den neuen Staat heran, findet er. "Eigentlich hätte man die Kirche damals auch abwickeln müssen", sagt Richter. "Dann wären wir Pfarrer näher am Leben der Menschen gewesen." Irgendwann ist Richter zu nah am Leben einer Frau, gibt sein Priesteramt 2005 auf und heiratet.

Doch der Wechsel ist nicht einfach. Richter konvertiert, geht als altkatholischer Pfarrer in den Westen und macht eine bittere Erfahrung: Er kommt nicht an. Richter wird Protestant und Lehrer. Doch seine beruflichen Ambitionen und seine Ehe gehen in die Brüche.

2009 kehrt er zurück nach Dresden, als Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Rasch macht Richter sich wieder als Vermittler einen Namen: Etwa 2011 als Moderator der Arbeitsgruppe "13. Februar", die eine Koordination der demokratischen Initiativen für das Gedenken an die Bombenangriffe auf Dresden im Februar 1945 anstrebte - um das Feld nicht länger den Neonazis zu überlassen.

Dialog oder rote Linie?

In die Schusslinie gerät Richter, als er 2015 den Pegida-Köpfen Lutz Bachmann und Kathrin Oertel die Räume der Landeszentrale für eine Pressekonferenz zur Verfügung stellt. Richter will Dialog. Andere sehen eine rote Linie überschritten. Plötzlich haftet das Etikett "Pegida-Versteher" an Richter. Er indes will mit Diskussionen, Dialog und Moderationen eine politische Lücke füllen. "Das Verstehen, die Versöhnung ist für mich die Kernaufgabe des Christentums", sagt er.

Im Februar 2017 wechselt Richter zur Stiftung Frauenkirche und versucht, als Geschäftsführer solch einen Raum in dem symbolträchtigen Dresdner Gotteshaus zu schaffen. Knapp anderthalb Jahre später die Überraschung: Richter wirft den Job hin und tritt als Oberbürgermeister-Kandidat in Meißen an. Parteilos, nachdem er zuvor medienwirksam sein CDU-Parteibuch nach 25 Jahren zurückgegeben hatte. Eine "Gewissensentscheidung", wie er sagt. Und eine Abrechnung mit der sächsischen CDU, die sich von ihm fragen lassen muss, ob ihr das "C" im Namen peinlich sei?

Doch nun hat Richter, der Prediger der Demokratie, den Wechsel nach und in Meißen eben nicht geschafft. Seine berufliche Zukunft ist damit offen. Man darf gespannt sein, inwieweit er seine politischen Ambitionen weiterspinnt. 2019 sind in Sachsen Landtagswahlen.

 


Quelle:
KNA