Worum geht es?
Im Zentrum steht ein Mediziner, der seit dem Jahr 2000 als Chefarzt der Inneren Medizin an einer Düsseldorfer Klinik arbeitet. 2005 ließ sich der Mann von seiner ihm katholisch angetrauten Frau scheiden. Als er 2008 seine neue Partnerin standesamtlich heiratete, erhielt er die Kündigung. Dagegen klagte der Arzt. Während des bald zehn Jahre dauernden Rechtsstreits ist er nach Angaben seines Anwalts an dem Krankenhaus in derselben Position weiter beschäftigt.
Wie begründete die Klinik die Kündigung?
Der Einstellung des Mediziners beruhte nicht allein auf dem Arbeitsvertrag. Vielmehr wurde auch die sogenannte Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse zugrundelegt, wie aus den Darstellungen der befassten Gerichte hervorgeht. Das Krankenhaus unterliegt der Aufsicht des Erzbistums Köln. Mit Blick auf die Grundordnung argumentierte die Kirchen-Seite, dass der Arzt durch die zweite Heirat seine Loyalitätspflichten aus dem Arbeitsverhältnis erheblich verletzt habe. Denn die Wiederverheiratung bedeute nach katholischem Kirchenrecht eine ungültige Ehe.
Wie verlief der Rechtsstreit bisher?
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht in Düsseldorf sowie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt urteilten zugunsten des Mannes. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hob 2014 allerdings das BAG-Urteil auf. Das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe sah vor allem das im Grundgesetz garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen zu wenig gewürdigt. Das BAG wandte sich daraufhin an den Europäischen Gerichtshof.
Worüber entscheidet der EuGH?
Der EuGH legt das einschlägige EU-Gesetz aus dem Jahr 2000 zur Gleichbehandlung im Beruf aus - im Lichte der Auslegung muss dann die deutsche Justiz den Fall entscheiden. Beim EU-Gesetz soll der EuGH vor allem eines klären: Dürfen kirchliche Arbeitgeber an leitende Angestellte wie etwa Chefärzte verschiedene Maßstäbe für loyales Verhalten anlegen, je nachdem, ob diese ihrer Kirche angehören oder nicht? Denn die zur Kündigung führende Anforderung, keine katholisch gesehen ungültige Ehe einzugehen, wurde laut BAG nur an katholische Arbeitnehmer gestellt. Das EU-Gesetz sieht ausdrücklich Ausnahmeregeln zugunsten der Kirchen vor - entschieden wird nun, wie weit diese reichen. (epd)
11.09.2018
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: Die Kündigung eines Chefarztes durch ein katholisches Krankenhaus wegen Wiederheirat kann eine "verbotene Diskriminierung" aufgrund der Religion darstellen. Der Fall ist aber noch nicht beendet.
DOMRADIO.DE: Die Anforderung, dass ein katholischer Chefarzt den "heiligen und unauflöslichen Charakter" der Ehe beachte, erscheine nicht als gerechtfertigte berufliche Anforderung, heißt es in einem heute vom Europäischen Gerichtshof veröffentlichten Urteil. Im vorliegenden Fall müsse jedoch das deutsche Bundesarbeitsgericht entscheiden. Geklagt hatte ein katholischer Arzt, der von einem katholischen Krankenhaus in Düsseldorf gekündigt worden war, weil er nach einer Scheidung wieder standesamtlich geheiratet hatte.
Der Chefarzt ist der Ansicht, dass seine Kündigung gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoße. Einem nicht-katholischen Mitarbeiter würde, sagt er, in einer solchen Situation nicht gekündigt. Wie ordnen Sie das Ganze ein?
Prof. Thomas Schüller (Kirchenrechtler aus Münster): Der Fall zieht sich schon lange hin und hat Aufsehen erregt. Der Grund lag tatsächlich darin, dass ihm damals der kirchliche Dienstgeber in Düsseldorf nach einer gewissen Zeit gekündigt hat. Man hatte schon gewusst, dass er in einer zweiten Ehe lebt. Das hatte man zunächst toleriert. Aber ab einem bestimmten Zeitpunkt hat man ihm dann gekündigt. Gleichzeitig hat man aber in gleicher Position Chefärzte, die evangelisch waren und wiederverheiratet geschieden waren, im Dienstverhältnis belassen. Dagegen geht er vor.
Es ist ein langer Rechtsstreit, in dem die verschiedenen Gerichte der Kirche attestiert haben, dass sie tatsächlich wegen eines Verstoßes der Lebensführung bei leitenden Mitarbeitern in der letzten Konsequenz Leuten kündigen dürfen.
Nur in dem Fall haben sie sich nicht an ihre eigenen Regeln gehalten, indem sie es zum einen zu lange toleriert haben. Zweitens wurde es dann, als es bemerkt wurde, zu hart sanktioniert. Zudem wurde der Fall noch ungleich behandelt. Das ist der Hintergrund dieser gerichtlichen Vorgeschichte.
DOMRADIO.DE: 2015 hat die Deutsche Bischofskonferenz das kirchliche Arbeitsrecht liberalisiert. Was genau ist denn da geändert worden?
Schüller: Man hat, was diese Situation bei katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angeht, vor allem bei denen, die auch in leitenden Positionen sind, aber auch für alle anderen, diesen Punkt entschärft.
Man hat also deutlich im Hinblick auf die erfolgte Rechtsprechung der staatlichen Gerichte gesagt, man müsse in einem solchen Fall verschiedenste Aspekte abwägen. Wie ist der Loyalitätsverstoß zu bewerten? Wie wirkt er sich auf die Dienstgemeinschaft aus? Ist es den Betroffenen schwer anzurechnen? Ist er oder sie verlassen worden oder war die Ehe schon zerrüttet? Wie gefährdet ist die Außendarstellung der ganzen Institution? Daneben kommen auch Aspekte hinzu, wie es um die Familiensituation aussieht. Welche Chancen hat der Mensch noch auf dem Arbeitsmarkt?
Man hat hier auf die entsprechende Rechtsprechung der Arbeitsgerichte reagiert. Ich denke, das sehen alle, die sich mit der Materie befassen. Wäre der Fall 2015 unter dem neuen kirchlichen Arbeitsrecht entstanden, hätte man diesem Chefarzt in Düsseldorf sicherlich nicht gekündigt.
DOMRADIO.DE: Das heißt, heute wird auch eher nach Einzelfällen speziell beurteilt. Das kirchliche Arbeitsrecht insgesamt ist aber dann doch manchen ein Dorn im Auge. Warum?
Schüller: Weil es sehr ungewöhnlich ist, dass überhaupt Dinge im Privatleben für das Arbeitsrecht eine Rolle spielen. Mit wem bin ich wie verheiratet? Oder lebe ich in einer gleichgeschlechtlichen Ehe? Das ist ja auch so ein Punkt. Da sagt die säkulare Öffentlichkeit, es könne ja wohl nicht angehen, dass bei diesem großen Dienstgeber katholische Kirche - aber genauso bei der evangelischen Kirche, da etwas liberaler - Dinge im Privatleben Grund dafür sein sollen, dass man sagt, hier identifiziert sich ein Mitarbeiter nicht mit den Zielen der Kirche und man kündigt ihm. Lasst das Private privat sein und lasst das Dienstliche Dienst sein.
Hier ist die Akzeptanz für ein besonderes Recht der Kirche, das Selbstbestimmungsrecht, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besondere Loyalitätsobliegenheiten aufzuerlegen, besondere Verhaltensweisen auch im Privatbereich aufzuerlegen, sehr gering. Das versteht keiner mehr. Das versteht auch kaum einer im innerkirchlichen Bereich.
DOMRADIO.DE: Wie geht es nun juristisch weiter?
Schüller: Wichtig ist, dass dieses Urteil noch nicht der Endpunkt der Entscheidung ist, sondern das Bundesarbeitsgericht hat den Fall vom Bundesverfassungsgericht mit der Maßgabe zurückverwiesen bekommen, das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen zu beachten.
Das Bundesarbeitsgericht hatte den Fall ja schon zu Ungunsten der Kirche entschieden und war jetzt etwas pikiert und hat nun den Europäischen Gerichtshof gebeten, festzustellen, ob man tatsächlich das Selbstbestimmungsrecht der Kirche so stark gewichten muss, wie es das Bundesverfassungsgericht getan hat oder ob man unter dem Blickwinkel der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien, die überall in nationales Recht überführt wurden, eher doch stärker schauen muss, ob die Gleichbehandlung vorgenommen wird.
Man muss schauen, welche Sachverhalte es rechtfertigen, dass man bei der Anstellung wie bei der Kündigung von Mitarbeitern eine Ungleichbehandlung zwischen den einzelnen Mitarbeitergruppen einführt. Das, was der Europäische Gerichtshof entscheidet, wird dann das Bundesarbeitsgericht zu bewerten haben und dann neu eine Entscheidung treffen müssen.
Das Interview führte Verena Tröster.
Worum geht es?
Im Zentrum steht ein Mediziner, der seit dem Jahr 2000 als Chefarzt der Inneren Medizin an einer Düsseldorfer Klinik arbeitet. 2005 ließ sich der Mann von seiner ihm katholisch angetrauten Frau scheiden. Als er 2008 seine neue Partnerin standesamtlich heiratete, erhielt er die Kündigung. Dagegen klagte der Arzt. Während des bald zehn Jahre dauernden Rechtsstreits ist er nach Angaben seines Anwalts an dem Krankenhaus in derselben Position weiter beschäftigt.
Wie begründete die Klinik die Kündigung?
Der Einstellung des Mediziners beruhte nicht allein auf dem Arbeitsvertrag. Vielmehr wurde auch die sogenannte Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse zugrundelegt, wie aus den Darstellungen der befassten Gerichte hervorgeht. Das Krankenhaus unterliegt der Aufsicht des Erzbistums Köln. Mit Blick auf die Grundordnung argumentierte die Kirchen-Seite, dass der Arzt durch die zweite Heirat seine Loyalitätspflichten aus dem Arbeitsverhältnis erheblich verletzt habe. Denn die Wiederverheiratung bedeute nach katholischem Kirchenrecht eine ungültige Ehe.
Wie verlief der Rechtsstreit bisher?
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht in Düsseldorf sowie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt urteilten zugunsten des Mannes. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hob 2014 allerdings das BAG-Urteil auf. Das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe sah vor allem das im Grundgesetz garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen zu wenig gewürdigt. Das BAG wandte sich daraufhin an den Europäischen Gerichtshof.
Worüber entscheidet der EuGH?
Der EuGH legt das einschlägige EU-Gesetz aus dem Jahr 2000 zur Gleichbehandlung im Beruf aus - im Lichte der Auslegung muss dann die deutsche Justiz den Fall entscheiden. Beim EU-Gesetz soll der EuGH vor allem eines klären: Dürfen kirchliche Arbeitgeber an leitende Angestellte wie etwa Chefärzte verschiedene Maßstäbe für loyales Verhalten anlegen, je nachdem, ob diese ihrer Kirche angehören oder nicht? Denn die zur Kündigung führende Anforderung, keine katholisch gesehen ungültige Ehe einzugehen, wurde laut BAG nur an katholische Arbeitnehmer gestellt. Das EU-Gesetz sieht ausdrücklich Ausnahmeregeln zugunsten der Kirchen vor - entschieden wird nun, wie weit diese reichen. (epd)