Staatsleistungen an die Kirchen - wer zahlt was?

Komplizierte Gemengelage

Die Humanistische Union meldete Anfang des Monats einen neuen "Rekordwert" an Staatsleistungen für die beiden großen Kirchen und forderte einen Stopp der Zahlungen. Ganz so einfach ist die Sache dann aber doch nicht.

Autor/in:
Joachim Heinz
Symbolbild Kirche und Geld / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Kirche und Geld / © Harald Oppitz ( KNA )

Die Zahl machte vor rund zwei Wochen die Runde. Die beiden großen Kirchen in Deutschland, meldete die Humanistische Union, könnten für das laufende Jahr mit rund 538 Millionen Euro sogenannter Staatsleistungen rechnen. Dabei handelt es sich um Zuwendungen für Erfüllung kirchlicher Aufgaben und Deckung des kirchlichen Bedarfs, die bereits vor Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung von 1919 gezahlt wurden.

Die Humanistische Union forderte Bund und Länder auf, "endlich" in Verhandlungen über eine Regelung zur Ablösung und damit Aufhebung der Dotationen einzutreten. Es handle sich um ein "seit 99 Jahren uneingelöstes Versprechen".

Komplizierte Lage

Tatsache ist, dass die Weimarer Reichsverfassung in Artikel 138 bestimmte, eine Ablösung herbeizuführen. Und dass das Grundgesetz in Artikel 140 diese Verpflichtung übernahm. Dann aber wird es schnell kompliziert. Die Staatsleistungen reichen teilweise bis in die Zeit der Reformation zurück.

Ferner erhielten 1803 zahlreiche deutsche Reichsfürsten für Gebietsverluste auf der linken Rheinseite Kirchengüter auf der rechten Rheinseite als Entschädigung. Die Fürsten und in ihrer Nachfolge die Länder verpflichteten sich im Gegenzug, den Kirchen Dotationen zu gewähren.

Schon bei der Frage, wie hoch die Staatsleistungen aktuell sind, tun sich bei näherem Hinsehen Unterschiede auf. Eine am Freitag veröffentlichte Umfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) unter den 16 Bundesländern ergibt eine Summe von rund 520 Millionen Euro, 18 Millionen Euro weniger als die Statistik der Humanistischen Union.

Das liegt unter anderem an statistischen Ungenauigkeiten. In den Haushalten der Länder ist der Begriff "Staatsleistungen" oft weiter gefasst und enthält auch Zahlungen, die nach 1919 aufgenommen wurden.

Stetig steigende Summe

Die Summen steigen stetig, weil die Leistungen in ihrer Mehrheit dynamisiert sind, also jährlich angepasst werden. Einen einheitlichen Schlüssel für die Berechnung gibt es nicht, die Zahl der Kirchenmitglieder ist unerheblich. Auffällig ist, dass die evangelische Kirche mehr Geld erhält als die katholische Kirche. Im laufenden Jahr sind es knapp 317 Millionen Euro; die katholische Kirche kommt auf rund 203 Millionen Euro.

Auch die von den Bundesländern bereitgestellten Gelder variieren erheblich. So zahlen Bremen und Hamburg aus historischen Gründen keine Staatsleistungen; in Baden-Württemberg gehen 2018 rund 126 Millionen Euro an die beiden Kirchen. Viel Geld. Das wiederum könnte nach Ansicht von Experten ein Grund dafür sein, warum sich niemand so recht an die Staatsleistungen heranwagt.

Wichtige Finanzierungsquelle

In manchen katholischen Bistümern und evangelischen Landeskirchen sind die Dotationen eine wichtige Finanzierungsquelle, andernorts eher nicht. Gleichwohl haben die Kirchen grundsätzlich ihre Bereitschaft zu einer Ablösung signalisiert, sehen den Ball aber im Feld der Politik.

Seriöse Schätzungen, welche Summen bei einer Einmalzahlung fällig wären, gibt es nicht. Teilweise werden Beträge vom 20- bis 40-fachen dessen genannt, was derzeit in einem Jahr bereitgestellt wird. Möglicherweise ein Grund, weswegen sich die Länder wegen ihrer wenig üppigen Finanzlage in dieser Frage zurückhaltend geben.

Politik zaghaft

"Da will wohl in der Politik keiner ran", fasste der Präsident des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs, Herwig van Nieuwland, die Stimmung in der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" zusammen, fügte aber auch hinzu: "Es wäre staatsrechtlich sauber, wenn man die Staatsleistungen ablöst." Erforderlich wäre in einem ersten Schritt ein Bundesgrundsätzegesetz - das lässt sich nach Ansicht von Experten "nicht mal eben im Vorbeigehen" erarbeiten.

Möglicherweise kämen dann auch Beiträge an andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften auf den Prüfstand, die manche Bundesländer im Zuge der Gleichbehandlung gewähren - auch wenn es sich dabei nicht um Dotationen handelt. Humanistische Organisationen wären davon ebenfalls betroffen. So erhält der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg, der besonders vehement eine Ablösung der Staatsleistungen fordert, derzeit rund 600.000 Euro im Jahr vom Land Berlin.

 

Quelle:
KNA