ZdK-Präsident Sternberg zu den Themen der Bundesregierung

"Vielfach ein 'weiter so' wünschenswert"

Die Kanzlerin im Amt, die Ministerriege vereidigt: Die Arbeit der neuen Bundesregierung kann beginnen. Hoffnungsvoll blickt ZdK-Präsident Thomas Sternberg der Legislaturperiode entgegen. Auch wenn ihm etwas ein Dorn im Auge ist.

Hier wird deutsche Politik gemacht: Berliner Reichstag / © Maurizio Gambarini (dpa)
Hier wird deutsche Politik gemacht: Berliner Reichstag / © Maurizio Gambarini ( dpa )

DOMRADIO.DE: Fast ein halbes Jahr hat es gedauert, bis nach der Bundestagswahl eine Regierung gebildet werden konnte. Die Wahl von Angela Merkel zur Kanzlerin fiel dann ziemlich knapp aus. Was sagen Sie dazu: Gewählt ist gewählt?

Prof. Thomas Sternberg (CDU-Politiker und Vorsitzender des Zentralkomitees der deutschen Katholiken/ZdK): Ich denke schon, dass gewählt auch gewählt bedeutet. Wir sind natürlich alle sehr froh, dass jetzt endlich die Regierung in Deutschland gebildet werden konnte. So etwas hat es ja in Deutschland bisher noch nicht gegeben, dass die Regierungsbildung so lange gedauert hat.

Aber unsere Demokratie zeigt doch, dass auch bei extrem komplizierten Wahlergebnissen und auch bei dem Wunsch, sich in der Opposition zu regenerieren, dann die Erkenntnis da ist, Verantwortung zu übernehmen. Ich bin sehr zufrieden damit.

Eine Regierungsbildung ist auch keine Show. Es geht nicht um Novitäten oder irgendwelchen Zirkus, sondern darum, dass endlich wieder Politik gemacht wird. Dass die Kanzlerin heute direkt nach Paris fährt, zeigt, dass die Arbeit unverzüglich aufgenommen wird. Das finde ich sehr gut.

DOMRADIO.DE: Angela Merkel hat sich offensichtlich bemüht, frische Gesichter - wie Julia Klöckner - in ihr Kabinett zu holen und auch Kritiker wie Jens Spahn einzubinden. Trotzdem bescheinigen ihr viele Beobachter schon bevor es richtig losgeht, keinen neuen Verve und keine Visionen zu haben. Ist das in Ihren Augen ungerecht?

Sternberg: Das ist ein Vorwurf, der Angela Merkel seit ihrem Beginn begleitet. Andererseits fahren wir meiner Ansicht nach in den letzten Jahren sehr gut damit, wie sie als Physikerin die Themen anpackt – nämlich zu schauen, was jetzt im Moment zu tun ist und wie ein Problem gelöst werden kann.

Wenn man immer wieder liest, dies klinge nach einem "weiter so", dann kann ich nur sagen, dass ich mir in sehr vielen Dingen ein "weiter so" wünschen würde. Ich wünsche mir, dass es mit dem Aufbau von Arbeitsplätzen in diesem Land oder mit der Sanierung der staatlichen Finanzen so weitergeht. Das sind alles Dinge, die auf einem sehr guten Weg sind. Ich hoffe, dass da weiter gegangen wird.

DOMRADIO.DE: Der Anteil bekennender Katholiken ist in der Ministerriege in der neuen GroKo besonders groß. Wird das in Ihren Augen einen Unterschied machen?

Sternberg: Wir haben eigentlich immer gesagt, dass es uns wichtiger ist, dass engagierte und überzeugte Christen in der Regierung sind. Insofern sehen wir das nicht so konfessionalistisch. Aber wir freuen uns natürlich schon, dass von 18 Ministerpositionen zehn mit Katholiken besetzt sind.

Das ist eine ganz erhebliche Steigerung zu der Vorgängerregierung, in der Monika Grütters und Gerd Müller ziemlich alleine dastanden. Jetzt haben wir auch Mitglieder des ZdK in der Regierung. Wir haben mit Andrea Nahles und Annegret Kramp-Karrenbauer weitere Mitglieder des ZdK in der Spitze der Politik. Das ist schon sehr gut. Das sind ja nicht einfach nur nominelle Katholiken, sondern das sind wirklich überzeugte Katholiken.

Wenn ich sehe, dass gestern bei der Vereidigung von den Ministerinnen und Ministern bis auf drei alle die religiöse Eidesformel gesprochen haben, dann muss man sagen, dass es vielleicht mit dem Atheismus in diesem Land gar nicht so weit her ist, wie man allenthalben behauptet.

DOMRADIO.DE: Was ist jetzt die größte Herausforderung, die auf die neue Regierung zukommt? Die Flüchtlingspolitik?

Sternberg: Die Flüchtlingspolitik ist ein großes Thema und wird ein großes Thema bleiben. Aber wichtiger scheint mir die Bearbeitung der Fluchtursachen zu sein. Etwa die Frage zum Umgang mit Afrika, die Frage nach internationaler Gerechtigkeit und die Frage nach internationalen Sozialstandards.

Das werden die Themen sein, die uns massiv begleiten. Sonst werden wir die Zäune um Europa nie hoch genug bauen können, um Flüchtlinge abzuwehren. Wir haben es ja nicht nur mit Asylsuchenden aus unmittelbaren Kriegsgebieten zu tun, sondern auch mit "Hoffnungsflüchtlingen", die auch unter Anstrengung aller Kräfte keine Möglichkeit sehen, in ihren Ländern ein menschenwürdiges Leben zu führen. Da müssen wir etwas daran tun.

DOMRADIO.DE: Die neue Bundesregierung wird in einem anderen Bundestagsklima arbeiten müssen. Stichwort AfD - Was wünschen Sie sich in dieser Richtung?

Sternberg: Man sieht schon in der parlamentarischen Arbeit im Bundestag, was für eine merkwürdige Truppe da jetzt sitzt. Ein Ordnungsgeld von 1.000 Euro für die Veröffentlichung eines Stimmzettels habe ich in meiner ganzen politischen Laufbahn noch nicht erlebt. (Der AfD-Abgeordnete Petr Bystron muss ein Ordnungsgeld von 1000 Euro zahlen, weil er bei der Wahl der Bundeskanzlerin seinen Stimmzettel veröffentlicht hat, Anm. d. Red.). Das sind schon harte Maßnahmen.

Aber es ist auch eine Ungeheuerlichkeit, wie man hier parlamentarische Vorgaben mal eben so beiseite schiebt. Man fühlt sich an die NSDAP erinnert, die das Parlament auch immer als Schwatzbude bezeichnet hat. Wird hier das Parlament eigentlich von einer Gruppierung ernst genug genommen, die es geschafft hat, die Ängste, Sorgen und Nöte von Menschen auszunutzen, um dann ihre völlig aus der Welt und der Zeit gefallenen Ansichten zu vertreten, die mit einem Nationalismus und einer Fremdenfeindlichkeit operieren, die christlich nicht zu rechtfertigen ist?

DOMRADIO.DE: Was möchten Sie Bundeskanzlerin Merkel und der Ministerriege noch mit auf den Weg geben?

Sternberg: Ich wünsche ihnen viel Erfolg und gute Zusammenarbeit. Ich hoffe, dass sie immer das Prinzip beherzigen, dass das Land vor der Partei steht und dass die Probleme, die wir haben und die fraglos da sind und die auch dazu geführt haben, dass eben so eine rechtsradikale Partei Zulauf bekommen hat, angepackt und gelöst werden.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Thomas Sternberg / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Thomas Sternberg / © Elisabeth Schomaker ( KNA )
Quelle:
DR