Jurist Dreier: Christentum und Demokratie sind nicht das Gleiche

Normen anpassen

In der Debatte über das Verhältnis zwischen Staat und Kirche wünscht sich der Würzburger Rechtsphilosoph Horst Dreier mehr Genauigkeit. Die Frage sei, ob und wieweit man bestehende Normen anpassen könne.

 (DR)

"Dass das Christentum prägender Kulturfaktor für uns ist, steht außer Frage", sagte Dreier am Donnerstag in einem Interview des Deutschlandfunks. Mit Blick auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Kopftuchverbot aus dem Jahr 2004 fügte er aber hinzu: Merkwürdig an dem Urteil sei, "dass die Vorstellung genährt wird, gewissermaßen direkt aus dem Christentum heraus hätten sich jetzt Menschenwürde, Grundrechte und so weiter entwickelt".

Christliche Kirchen als Feinde der Republik

Das sei falsch, so der Jurist, und werde schon allein bei einem Blick auf "die Praxis und die Dogmen der großen christlichen Kirchen in den letzten tausend Jahren" deutlich: "Noch in der Weimarer Republik zählten die christlichen Kirchen zu den Feinden der Republik und zu den Feinden der Demokratie – ganz überwiegend."

Das habe sich "glücklicherweise" unter dem Grundgesetz geändert. Das Christentum habe es aber "nicht verdient, wenn man es gewissermaßen zu einem hilfreichen Arbeiter auf dem Weg zur Verfassung betrachtet".

Dreier: Luther war undemokratisch

Eine verengte Sicht auf das Thema prangerte Dreier auch bei dem im vergangenen Jahr gefeierten Reformationsjubiläum an. Die mit dem legendären Thesenanschlag Martin Luthers 1517 angestoßene Entwicklung sei keine demokratische Bewegung gewesen.

"Wenn Luther von der Freiheit des Christenmenschen redet, dann hat das mit der Handlungsfreiheit, die das Grundgesetz garantiert, nicht das Geringste zu tun." Das wisse jeder Theologe, "der sich ein bisschen mit Luther und mit dem Grundgesetz beschäftigt".

Pluralität führe zu Konflikten

Veränderungen mahnte der Jurist beim Staatskirchenrecht und Religionsverfassungsrecht in Deutschland an. Seit den 1950er Jahren sei die religiöse Landschaft etwa durch den Islam und mit einer Zunahme der Zahl der Konfessionslosen immer vielfältiger geworden.

Diese Pluralität führe zu Konflikten. "Die Frage ist: Kann man die Normen entsprechend anpassen – beim Religionsunterricht sehen wir das, wie schwierig das mit dem Islam ist - oder müssen wir zu anderen Formen greifen?"


Quelle:
KNA