Fragen und Antworten zu Asylregelungen beim Familiennachzug

Flüchtlinge und subsidiärer Schutz

Für die Kirchen erschwert die Trennung von Angehörigen beim Thema "Familiennachzug" eine Integration der Flüchtlinge. In den emotionalen öffentlichen Diskussionen gehen jedoch manche Begriffe und Zahlen durcheinander. Eine Einordnung.

Autor/in:
Paula Konersmann und Rainer Nolte
Warten auf das Stellen eines Asylantrags / © arifoto UG (dpa)
Warten auf das Stellen eines Asylantrags / © arifoto UG ( dpa )

Was ist ein Flüchtling?

Die UN-Konvention definiert Flüchtlinge als Personen, die sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb des Landes befinden, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen. Der Begriff ist weiter gefasst als der des deutschen Asylrechts. Eine allgemeine Notsituation reicht laut UN nicht aus, um als "Flüchtling unter internationalem Schutz" beziehungsweise als Asylberechtigter anerkannt zu werden.

Wem wird Asyl gewährt?

Asyl beantragen darf nach deutschem Recht prinzipiell jeder - es handelt sich um ein Individualrecht. Laut Grundgesetz wird es Personen gewährt, die unter politischer Verfolgung leiden. Für sie gilt ein sogenannter primärer Schutz. Daneben gibt es den subsidiären Schutz.

Was bedeuten die verschiedenen Schutzformen?

Auf subsidiären Schutz können Personen Anspruch haben, denen weder Schutz durch die Anerkennung als Flüchtling noch als Asylberechtiger gewährt werden kann. Dies ist möglich, wenn jemandem in seinem Herkunftsland ein persönlicher und ernsthafter Schaden droht, etwa Folter oder die Todesstrafe. Der subsidiäre Schutz gilt in Deutschland in der Regel für ein Jahr und kann gegebenenfalls verlängert werden.

Meist betrifft dies die Gruppe von Personen aus Bürgerkriegsländern wie aktuell die Syrer. In den ersten acht Monaten 2017 erhielten etwa 82.000 Menschen subsidiären Schutzstatus.

Was bedeutet Familiennachzug?

Asylberechtigte Schutzsuchende, denen die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, haben das Recht auf privilegierten Familiennachzug. Das bedeutet laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dass kein Nachweis der Lebensunterhaltssicherung und ausreichenden Wohnraums als Voraussetzung für die Einreise der Familienangehörigen notwendig ist.

Dies gilt für den Ehepartner, minderjährige Kinder und Eltern bei minderjährigen Schutzberechtigten. Von Anfang 2015 bis Mitte 2017 wurden laut Auswärtigem Amt bereits 102.000 Visa zum Familiennachzug für Syrer und Iraker erteilt, 70.000 Entscheidungen werden derzeit noch bearbeitet. Auf alle Herkunftsstaaten bezogen, habe das Amt 230.000 Visa-Anträge bewilligt.

Für wen ist der Nachzug ausgesetzt?

Die Regierungskoalition beschloss im November 2015 mit dem Asylpaket II, bei subsidiär geschützten Personen - oft aus Syrien - das Recht auf den Familiennachzug für zwei Jahre bis zum 17. März 2018 auszusetzen. Grund: Die Kommunen sollten beim Flüchtlingszustrom entlastet werden. In besonderen Härtefällen sollte eine humanitäre Aufnahme von Familienangehörigen jedoch weiterhin möglich sein.

Diese bürokratische Hürde haben aber nur wenige Dutzend Betroffene bisher genommen. Ab Mitte März wäre nach derzeitiger Regelung ein Nachzug wieder erlaubt. Jedoch debattieren die Parteien um eine Verlängerung.

Wie sehen die Parteien die Aussetzung des Familiennachzug subsidiär Geschützter?

Die Unionsparteien wollen die Aussetzung des Familiennachzugs über den März 2018 hinaus verlängern, wohl auch um den gerade vereinbarten Richtwert von höchstens 200.000 Migranten im Jahr halten zu können. Die Grünen wollen in den Sondierungsgesprächen das Ende des Nachzug-Stopps erreichen. Grünen-Politiker Jürgen Trittin warf der CSU vor, mit ihrer Haltung in dieser Frage christliche Werte zu verleugnen. Die FDP scheint innerhalb der Partei gespalten.

NRW-Integrationsminister Joachim Stamp erklärte: "Ein genereller Familiennachzug würde unsere Möglichkeiten derzeit überfordern." Die stellvertretende FDP-Chefin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sprach sich hingegen zuletzt dafür aus.

Wie stehen die Kirchen zur aktuellen Regelung?

Kirchen und Hilfsorganisationen pochen immer wieder auf das Recht von Familiennachzug für Flüchtlinge. "Wer auf Dauer hier ist, muss seine Kinder oder Ehegatten nachholen können, das ist ethisch geboten", sagte zuletzt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. Familiennachzug zu ermöglichen, sei auch eine Frage der Klugheit, weil er der Integration diene.

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, unterstrich: "Nur wer weiß, dass auch seine Angehörigen bald in Sicherheit sein werden, kann sich auf Deutschland einlassen und hier ein neues Leben aufbauen."

Wie hoch könnte die Anzahl von nachziehenden Angehörigen subsidiär Schutzberechtigter sein?

BAMF-Schätzungen gingen bisher davon aus, dass für jeden anerkannten Flüchtling etwa ein Familienmitglied nachziehen würde. Am Donnerstag korrigierte das Amt die Bewertung nach unten, wie der "Tagesspiegel" berichtete. Neue Zahlen nannte demnach die Nürnberger Behörde nicht. Ulla Jelpke (Linke) errechnete auf Grundlagen der Daten des Auswärtigen Amtes einen "Nachzugfaktor" von etwa 0,5.

Im Zeitraum 2015 bis Mitte 2017 haben demnach etwa 360.000 Syrer und Iraker einen Status in Deutschland erhalten, der zum Familiennachzug berechtigt - ohne subsidiären Schutz. Im gleichen Zeitraum hätten dem nur etwa 170.000 Visa-Entscheidungen gegenüber gestanden. Das Außenministerium schätzt, dass bis 2018 etwa 100.000 bis 200.000 weitere Visa für Syrer und Iraker hinzukommen könnten. Hierbei seien die Nachzüge von Angehörigen subsidiär Geschützter bereits eingerechnet - so wie es sich die Grünen wünschten.


Quelle:
KNA