Was bringt das Versöhnungsabkommen von Fatah und Hamas?

"Wir müssen nun mit Ruhe abwarten"

Die Palästinenserorganisationen Fatah und Hamas haben in Kairo ein Versöhnungsabkommen unterzeichnet. Ein hoffnungsvolles Zeichen - auch für die Christen im Heiligen Land? Marc Frings von der Konrad-Adenauer-Stiftung im Interview.

Jubelnde Palästinenser / © Khalil Hamra (dpa)
Jubelnde Palästinenser / © Khalil Hamra ( dpa )

domradio.de: Es gab schon häufiger Friedensbemühungen zwischen der Fatah und der Hamas. Kann man diesmal von einem dauerhaften Durchbruch sprechen?

Marc Frings (Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah): Davon kann man an einem so frühen Zeitpunkt noch nicht sprechen. Aber es ist ein sehr guter und wichtiger Aufschlag. Jetzt muss das Ganze erst einmal materialisiert werden. Wir kennen noch nicht viele Details dieses Abkommens. Das liegt auch daran, dass noch weiter verhandelt werden muss.

Viele zentrale Streitfragen sind noch ungeklärt, wie die nach der Entwaffnung des militanten Hamasflügels, die Frage des Grenzübergangs zwischen dem Gazastreifen und Ägypten und weitere Fragen. Ich denke, dass erst einmal aber das Potenzial gelegt ist und Hoffnung keimt.

domradio.de: Die Hamas ist für ihren Kampf gegen Israel  berüchtigt. Wird sich ihr Verhältnis zu den Israelis durch das Abkommen verändern?

Frings: Zunächst einmal nicht. Ich glaube, dass man diesen Prozess, den man gestern begonnen hat, sehr langfristig anlegen muss. Eine Dimension wird natürlich die politische Frage sein. Wie werden Fatah und Hamas wieder zusammenfinden? Das sind die beiden zentralen politischen Bewegungen auf palästinensischer Seite. Das Ganze muss in Richtung einer Versöhnung gehen, so dass wieder Wahlen stattfinden können in den palästinensischen Gebieten. Aber – und das bringt uns dann zu Israel – es braucht auch eine Reform der PLO, des Dachverbands der wichtigen palästinensischen Bewegungen.

Aber die Hamas hat auch deutlich gemacht, dass der Widerstand gegen Israel erst einmal nicht verhandelbar ist. Das heißt, das Recht auf Widerstand geht weiter. Wir müssen nun mit Ruhe abwarten, inwieweit beide Bewegungen zu einander finden, um doch die Hoffnung auf Frieden wieder wachsen zu lassen.

domradio.de: Wie wird sich dieses Abkommen auf die christliche Minderheit im Gazastreifen auswirken?

Frings: Wir reden von ungefähr tausend Christen, die dort weiterhin ausharren. Ich glaube, dass es eine gesamtgesellschaftliche und humanitäre Frage ist, wie es jetzt im Gazastreifen weitergeht. Neben der politischen Dimension gibt es die humanitäre und gesellschaftliche Dimension. Die Menschen müssen an diesem Versöhnungsprozess beteiligt werden. Es gibt eine massive Fragmentierung der palästinensischen Gesellschaft und da sind ebenso Christen wie Muslime betroffen. Alle Gesellschaftsteile im Gazastreifen spüren, dass sich diese Versöhnung materialisiert.

Unsere Umfragen, die wir als Konrad-Adenauer-Stiftung regelmäßig durchführen, ergeben derzeit ein sehr klares Bild: Nicht mehr die israelische Militärbesatzung, beziehungsweise die Blockade im Fall von Gaza, ist das zentrale Problem der Palästinenser, sondern es ist die Arbeitslosigkeit. Es braucht einen wirtschaftlichen Umschwung, damit die Menschen das Gefühl haben, dass politische Annäherung sich lohnt, dass moderate Töne sich lohnen und dass eine Hoffnung auf Versöhnung durchaus auch sozio-ökonomische Trendwenden auslösen können. Das gilt insbesondere für die zwei Millionen Menschen, die im Gazastreifen festsitzen.

domradio.de: Wenn jetzt die Führer der beiden Palästinenserorganisationen ein solches Versöhnungsabkommen verabschieden, heißt das, dass dem auch alle Palästinenser folgen?

Frings: Deswegen weise ich ja auf die gesellschaftliche Dimension hin. Zunächst einmal beobachten wir, dass es ein sehr großes Misstrauen der Bevölkerung gegenüber den politischen Verantwortlichen gibt. Man traut derzeit der Führung nicht mehr zu, in der Lage zu sein, positive Veränderungen zu erwirken. Deswegen ist die politische Erneuerung so wichtig. Eine Versöhnung zwischen Hamas und Fatah muss zwingend zur Folge haben, dass es Wahlen auf allen Ebenen gibt. Es fanden zuletzt schon vier Kommunalwahlen statt, allerdings nur in Teilen des Westjordanlandes, das heißt, in einer Vielzahl der Kommunen hier in der "Westbank" aber auch im Gazastreifen konnte gar nicht gewählt werden.

Es braucht nationale Wahlen. Es braucht Präsidentschaftswahlen. Erst wenn wir eine neue politische Führung haben, besteht auch die Chance, dass diese neuen Regierenden auch das Mandat haben, um mit Israel auch wieder für Frieden zu werben und um Frieden verhandeln zu können. Ich denke, dass dann auch die Gesellschaft und die breite Masse der Bevölkerung hinter einem solchen Versöhnungsschritt stehen. Im Moment zeigen unsere Umfragen, dass es große Sympathie für eine Annäherung gibt. Sie zeigen auch, dass es einen ganz klaren Wunsch gibt, dass beide Seiten Schritte aufeinander zu machen.

domradio.de: Von einer "Machtteilung im Gazastreifen und Westjordanland" ist die Rede. Wie kann die aussehen?

Frings: Im Grunde genommen geht es darum, dahin zurückzukehren, wo man längst war – eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Das ist eine Regierung, in der die beiden großen palästinensischen Bewegungen gleichberechtigt beteiligt sind. Das wäre ein nachgeholter Prozess in Folge der letzten Parlamentswahlen.  Die liegen ja auch schon einige Jahre zurück. Das letzte Mal wurde hier 2010 gewählt.

Es geht darum, eine Mehrheit der politischen Bewegungen in die Exekutive zuzulassen. Das ist glaube ich einfach ein temporärer Prozess, oder als temporären Abschnitt zu verstehen. Wie auch immer die Regierung aussieht, sie soll in erster Linie den Weg bereiten, für Neuwahlen auf allen Ebenen.

Das Interview führte Milena Furman.


Marc Frings, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah (KAS)
Marc Frings, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah / ( KAS )
Quelle:
DR