Gemeinde in Barcelona vor dem Unabhängigkeitsreferendum

Trennung auf katalanisch?

Die politische Lage zwischen Madrid und Katalonien vor dem Unabhängigkeitsreferendum an diesem Sonntag ist angespannt. Viele katalanische Preister unterstützen die Abstimmung. Dazu der in Barcelona lebende deutsche Pfarrer Breitenhuber im Interview.

Demonstration in Katalonien / © Emilio Morenatti (dpa)
Demonstration in Katalonien / © Emilio Morenatti ( dpa )

domradio.de: Warum wollen die Katalanen unbedingt unabhängig sein?

Ottmar Breitenhuber (Pfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in Barcelona): Das ist eine große und sehr schwer zu beantwortende Frage. Es existieren ja schon seit Jahrzehnten Spannungen zwischen Madrid und Katalonien. In den letzten Jahren hat sich dies immer mehr zugespitzt und die Katalanen fühlen sich von Seiten der Zentralregierung in Madrid ganz stark benachteiligt.

domradio.de: Jetzt will die Regionalregierung in Katalonien am Sonntag ernst machen und über die Unabhängigkeit abstimmen lassen. Ist das auch in Ihrer Gemeinde ein Thema?

Breitenhuber: Das ist natürlich ein Thema. Das betrifft die Menschen hier. Es gibt ja in unserer Gemeinde nicht nur Leute mit deutschem Pass. Von diesem Thema kann man sich nicht einfach zurückziehen. Es ist natürlich auch in den Familien ein großes Thema, wird heiß diskutiert und spaltet zum Teil auch die Familien, da es dort unter Umständen unterschiedliche Meinungen gibt.

domradio.de: Madrid will die Abstimmung auf keinen Fall. Ungeachtet dessen wollen viele Katalanen auf jeden Fall wählen. Ist denn wirklich die Mehrheit für die Unabhängigkeit oder eher eine ziemlich laute Minderheit?

Breitenhuber: Das kann man schwer sagen. Es geht im Grunde um zwei Dinge. Es geht zum einen um die Unabhängigkeit, aber zum anderen auch um das Recht, seine Meinung äußern zu dürfen, beziehungsweise nachfragen zu dürfen, was die Bevölkerung eigentlich will.

Ursprünglich war diese Unabhängigkeitsbewegung nicht groß. Vor zehn Jahren waren es angeblich zehn Prozent der Katalanen, die eine Unabhängigkeit gefordert haben. Es gab zwischen der Zentralregierung in Madrid und Katalonien auch ein Statut, wie sich Katalonien neben den anderen Autonomien, die es in Spanien gibt, selbst verwalten kann. Es wurde von beiden Seiten unterzeichnet und es gab ein beiderseitiges Einverständnis. Dann hat die Regierung von Ministerpräsident Rajoy dieses unterzeichnete Statut wieder aufgehoben. Die Zugeständnisse, die eigentlich da waren, sind sukzessive immer weiter abgebaut worden. Dies hat die Katalanen auf die Barrikaden gebracht. Sie haben immer stärker und schärfer gefordert, dass diese Statuten, die schon einmal genehmigt wurden, auch eingehalten werden.

Aber es besteht von Seiten Madrids wie von Seiten Kataloniens keine Bereitschaft, sich an einen Tisch zu setzen und die Argumente auszutauschen und zu versuchen, irgendwo einen gemeinsamen Weg zu finden. Ein gemeinsamer Weg wäre natürlich mit Kompromissen gepflastert.

domradio.de: Für zusätzliche Missstimmung in Madrid hat jetzt auch noch der Aufruf von katalanischen Priestern und Diakonen gesorgt, die das Referendum "nötig" und "legitim" nennen. Ist das die offizielle Position der katalonischen Bischofskonferenz?

Breitenhuber: Dieser Aufruf wurde ja schon vor einiger Zeit veröffentlicht. Diesen Aufruf haben über 420 Priester und Diakone Kataloniens unterzeichnet. Es sind Leute aus der katholischen Fakultät, Professoren und vom Ordinariat, also Leute, die nicht nur einfach der Masse nachlaufen, sondern sich schon mit der Thematik beschäftigt haben.

domradio.de: Was wird denn passieren, wenn sich eine Mehrheit für die Unabhängigkeit aussprechen sollte?

Breitenhuber: Ich merke, dass alles eigentlich sehr ruhig abgeht. Es gibt natürlich fast täglich Demonstrationen. Gestern haben Schüler und Studenten vor der Universität demonstriert. Aber das hatte fast den Eindruck von einem Volksfest. Wenigstens habe ich noch nirgendwo Anzeichen von Gewalt gesehen. Auch letzte Woche, als das Wirtschaftsministerium besetzt wurde und Beamte festgenommen wurden, hat es keine Ausschreitungen gegeben. Sowohl von Seiten der Bevölkerung als auch der Polizei versucht man, das sehr friedlich zu halten. Die Leute sind auch für den Sonntag angehalten, keine Gewalt auszuüben. Ich habe keine Angst, dass dort etwas Schlimmeres passiert.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR