Zentralrat der Muslime benennt Fehler im Umgang mit der AfD

"Wir werden uns mit der AfD nicht an einen Tisch setzen"

Am Tag nach der Bundestagswahl zieht der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, im domradio Bilanz. Diese Entwicklung habe sich über Monate angedeutet, auch weil viele Fehler gemacht wurden.

Drittstärkste Kraft: Wie umgehen mit der AfD? / © Armin Weigel (dpa)
Drittstärkste Kraft: Wie umgehen mit der AfD? / © Armin Weigel ( dpa )

domradio.de: Was sagt der Zentralrat der Muslime zum Ergebnis der Bundestagswahl 2017?

Aiman Mazyek (Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland): Die muslimische Gemeinschaft in Deutschland ist über den Einzug der Rechten, der Rechtsradikalen und auch deren Sympathisanten natürlich stark verunsichert und verängstigt. Diese Entwicklung hat sich ja über Monate, wenn nicht sogar Jahre, abgezeichnet. Nun haben wir ein Sammelbecken von Gruppierungen und Menschen, die letztendlich auf eine andere Republik aus sind. Es gilt nun, die richtige Auseinandersetzung darüber zu führen und die Fehler, die in der Vergangenheit gemacht worden sind, ganz offen zu benennen. 

domradio.de: Welche Fehler sind denn in der Vergangenheit begangen worden?

Mazyek: Wir haben den Fehler gemacht, dass wir das krude und menschenverachtende Weltbild, das hinter ihren Aussagen steckt, nicht kritisiert haben, sondern immer nur entlang einer Entrüstung und einer ganz bewussten Inszenierung der AfD diskutiert haben. Dazu haben vor allem die Talk-Shows und zum Teil auch die Boulevard-Zeitungen beigetragen. Wenn Sie die Talk-Shows der letzten Jahre nehmen, dann waren 80 Prozent der Themen, die dort diskutiert wurden, angstbesetzte Themen zum Islam und zu Flüchtlingen. Sicherlich sind das wichtige Themen; es sind aber eben nicht die einzigen Themen in Deutschland. Eine solche Schwerpunktsetzung gibt nicht wieder, was den deutschen Bürger wirklich interessiert. Und wenn man eine solche Beschallung über Jahre hinweg durchzieht, dann wird man damit letztendlich auch Wasser auf die Mühlen von den Rechten gießen.

Ein weiteres Beispiel ist die Verharmlosung von Rassismus in unserem Land. Ich behaupte, in jedem Land der Erde gibt es Rassisten. Auch bei uns. Also stellt sich die Frage, wie damit umzugehen ist. Verharmlose ich dieses Phänomen oder tue ich so, als ob AfD und auch andere, die dahinter stecken - Ideologen und Schreibtischtäter - nicht auf die Bekämpfung und Beseitigung unserer freiheitlichen Demokratie aus sind? Wenn ja, dann begünstige ich Umstände, unter denen Hetzer und Rassisten sich nun trauen ihre Positionen öffentlich kundzutun, wofür sie sich früher geschämt haben und welche sie sich früher nicht getraut haben, öffentlich zu vertreten. Das ist der Unterschied! Wir haben nicht plötzlich mehr Hetzer und Rassisten in unserem Land. Nein, die waren immer schon da. So wie es sie leider in jeder Gesellschaft gibt. Die Frage ist: Haben wir dafür den Treibsand, die Projektion geliefert? Ich denke, gerade der öffentliche Diskurs hat dazu beigetragen, dass die sich jetzt ermutigt fühlen und sich trauen, solche Positionen zu bringen. Ja, noch mehr: Sie finden eine neue Heimat in der AfD.

domradio.de: Es hat ja in der Vergangenheit bereits ein Treffen mit AfD-Vertretern gegeben. Wird sich ein solches Treffen wiederholen?

Mazyek: Wir werden uns mit den kruden Weltbildern von Rassisten und Ideologen nicht auseinander setzen und uns mit diesen Leuten auch nicht an einen Tisch setzen. Aber natürlich werden wir den Dialog mit den vielen Mitläufern und Sympathisanten nicht abbrechen, sondern suchen; denn meistens sind es ja Protestwähler, die den Parteien einen Denkzettel verpassen wollen, indem sie die AfD wählen. Wir werden fragen: Was ist das Problem in unserer Gesellschaft? Was läuft gut und was läuft weniger gut? Und vor allem: Wie können wir gemeinsam als Deutsche mit unterschiedlichen Religionen oder gar keinen Religionen Herr über dieses Problem werden? Diesen Weg werden wir natürlich weiterhin gehen und den Dialog nicht abbrechen.

Das Interview führte Moritz Dege.


Aiman Mazyek bei einer Veranstaltung in Berlin / © Alexander Heinl (dpa)
Aiman Mazyek bei einer Veranstaltung in Berlin / © Alexander Heinl ( dpa )
Quelle:
DR
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