Diskussion nach Anschlag in Kabul

Bundesregierung setzt Abschiebungen nach Afghanistan aus

Nach dem schweren Terroranschlag am Mittwoch in Kabul hat die Bundesregierung Abschiebungen nach Afghanistan ausgesetzt. Das Auswärtige Amt werde eine neue Lagebeurteilung vornehmen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Anschlagsort in Kabul / © Rahmat Gul (dpa)
Anschlagsort in Kabul / © Rahmat Gul ( dpa )

Das Auswärtige Amt werde zunächst eine Neubewertung der Sicherheitslage vorlegen, sagte Merkel. Bis diese fertig sei und die deutsche Botschaft in Kabul wieder voll funktionsfähig sei, solle es keine regulären Abschiebungen geben.

Ausgenommen seien Straftäter und "Gefährder" - also Menschen, denen die Sicherheitsbehörden einen Terrorakt zutrauen. Auch für Menschen, die hartnäckig ihre Mitarbeit an der Identitätsfeststellung verweigerten, gelte das Abschiebemoratorium nicht, sagte die Kanzlerin. Das neue Lagebild solle bis Juli vorliegen.

Anschlag hatte Debatte neu entfacht

Nach dem verheerenden Bombenanschlag in direkter Nähe der deutschen Botschaft in Kabul am Mittwoch hatte die Debatte um einen Stopp sämtlicher Abschiebungen nach Afghanistan wieder an Fahrt gewonnen. Politiker von SPD, Linken und Grünen sowie Menschenrechtsgruppen hatten verlangt, keine Afghanen mehr zwangsweise in ihr Heimatland zurückzuschicken.

Die Organisationen Pro Asyl, Amnesty International hatten ebenfalls einen Abschiebestopp verlangt. Auch die deutschen Jesuiten hatten Kritik geäußert. "Niemand sollte in ein Land abgeschoben werden, in dem der Alltag derart gewalttätig und lebensgefährlich ist", sagte der neue Provinzial Pater Johannes Siebner am Donnerstag am ersten Tag in seinem neuen Amt nach dem Besuch einer von seinem Orden betreuten Flüchtlingsunterkunft in München. "Für eine christliche Politik sollte es selbstverständlich sein, denen Schutz zu gewähren, die sich in der Hoffnung auf Frieden zu uns flüchten."

"Existenzielle Unsicherheit"

Sein Mitbruder Dieter Müller vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS) bezeichnete es als "unverantwortlich, dass immer mehr ablehnende Asylbescheide ausgestellt werden, während sich die Sicherheitslage verschlechtert". Die kurzfristig am Mittwoch abgesagte Sammelabschiebung ändere nichts "an der existenziellen Unsicherheit afghanischer Flüchtlinge". Traumatisierungen könnten allein aus Angst vor Abschiebung wieder aufbrechen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte einen für Mittwoch geplanten Abschiebe-Flug nach Afghanistan zwar zunächst abgesagt, aber betont, es gebe keine Änderung am aktuellen Kurs, und der Flug solle möglichst bald nachgeholt werden. Bei dem Anschlag am Mittwoch im Diplomatenviertel von Kabul nahe der deutschen Botschaft waren mindestens 90 Menschen getötet und 450 verletzt worden. 

Mehr frewillige Ausreisen als Abschiebungen

Seit Dezember wurden laut BMI bei fünf Sammelabschiebungen 106 Afghanen, ausschließlich Männer, abgeschoben. In diesem Jahr waren es bei vier Charterflügen 72. Die Zahl der Rückgeführten pro Flug geht den Angaben zufolge zurück. Ein für den vergangenen Mittwoch vorgesehener Flug wurde wegen des Anschlags abgesagt. Laut Ministerium können auf Grundlage der Vereinbarung mit Afghanistan 50 Personen pro Flug zurückgeführt werden.

Wesentlich mehr Afghanen kehren über die geförderte freiwillige Ausreise zurück. 2016 waren es laut BMI 3.323. In diesem Jahr waren es bis Ende April demnach etwa 470.

 


Quelle:
dpa , epd , KNA