CDU-Vize Klöckner appelliert an Kirchen im Umgang mit der AfD

"Um die verlorenen Schafe kümmern"

Nicht nur die Politik, auch die Kirchen sind sich uneinig, wie man mit der AfD umgehen soll. CDU-Vize und ZdK-Mitglied Julia Klöckner sieht im domradio.de-Interview aber die Kirchen in der Pflicht, keinen auszugrenzen - auch nicht die AfD.

Julia Klöckner / © Kay Nietfeld (dpa)
Julia Klöckner / © Kay Nietfeld ( dpa )

domradio.de: Ein Vorwurf an die Medien lautet, dass sie den Parteitag der "Alternative für Deutschland" (AfD), der an diesem Wochenende in Köln stattfindet, überhaupt erst zum Thema zu machen. Können Sie diesen Standpunkt nachvollziehen?

Julia Klöckner (CDU-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz und Mitglied beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken/ZdK): Ich kann das nachvollziehen. Aber man braucht auch eine Referenzgröße, ob etwas zu viel ist oder nicht. Medien in einer offenen Gesellschaft haben auch eine gewisse Chronistenpflicht. Den Parteitag der AfD oder Demonstrationen dagegen zu verschweigen, käme nicht einer freien Presse gleich. Ich glaube, wir stehen alle jeden Tag vor der Herausforderung zu sagen, ob das jetzt nun ein Tick zu viel oder zu wenig ist. Am Ende muss es darum gehen, sich mit den Inhalten der AfD auseinanderzusetzen. Bei dieser Auseinandersetzung kann sich dann jeder auch selbst ein Bild machen.

domradio.de: Auch für Sie als CDU-Politikerin ist es also keine Lösung, darüber gar nicht zu sprechen und zu hoffen, dass sich das Thema damit von allein erledige?

Klöckner: Nein, das ist es nicht. Dass die AfD Zustimmung bekommen hat - wenn auch jetzt wieder absteigend - hängt damit zusammen, dass sich Wähler oder auch bisherige Nichtwähler Gedanken machen, ob sie jemandem eine "Protestnote" schicken wollen. Häufig wird die AfD gewählt, um mit den Etablierten abzurechnen. Das ist ein Dagegen - ohne genau zu wissen, wohin es eigentlich geht. Eine wirkliche Alternative ist es eigentlich nicht. Deshalb sage ich, wir müssen es schon ernst nehmen, wenn jemand mit den etablierten Parteien unzufrieden ist. Ich muss nicht jedem bei der Argumentation zustimmen, aber es zu ignorieren, wäre falsch. Dann würde das Eis von unten schmelzen und man würde sich wundern, warum man einbricht. Man muss schon schauen, was passiert.

domradio.de: Sehen Sie es denn so, dass die Zustimmung für die AfD in der Flüchtlingskrise begründet liegt? Und wenn es keine Krise mehr gibt, dann ist auch die AfD kein großes Thema mehr?

Klöckner: Das glaube ich nicht. Die AfD wird sich dann ein anderes Thema suchen. Die AfD lebt vom Protest gegen das Bestehende, sagt aber nicht, was das Bessere wäre. Was die AfD vorhat, führt uns beispielsweise aus dem Euro heraus und ist eine Abschottung. Das würde übrigens zum Verlust von Arbeitsplätzen führen, wenn wir das machen würden, was die AfD vorhat. Sie will aus der NATO raus und hat weitere solcher Vorschläge, die unverantwortlich sind.

domradio.de: Sie sind nicht nur CDU-Politikerin, sondern auch Mitglied beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Natürlich ist die AfD auch für die Kirchen ein großes Thema. Es gibt - wenn man es ein bisschen runterbricht  - im Prinzip drei Standpunkte. Es gibt den Standpunkt, dass wir als Kirchen sagen, für Christen ist eine solche fremdenfeindliche Partei nicht wählbar. Der nächste sagt, eine demokratische Partei sollte von jedem gewählt werden können. Der dritte sagt, Kirchen sollten sich grundsätzlich aus solchen Debatten raushalten. Auf welchen der drei Punkte würden Sie sich festlegen?

Klöckner: Die drei Punkte schließen sich ja mitunter in der Demokratie nicht aus. Es gibt ja die freie und geheime Wahl und auch das Recht, "Unglück" zu wählen. Aber es heißt nicht, dass die Kirchen dazu aufrufen müssen, die AfD zu wählen und auch die Folgen zu tragen. Aber ich erwarte schon von meiner Kirche, dass sie es ernst nimmt, was in der Bibel steht und dass man sich auch um das verlorene Schaf bemüht. Die Kirche predigt gegen Ausgrenzung und muss natürlich darauf achten, dass sie selber dabei nicht ausgrenzt. Auch die, die auf den falschen Weg gekommen sind, sollte man nicht links oder rechts liegen lassen, sondern sich um sie bemühen. Das heißt nicht, dass man einen Herrn Höcke zu einem Katholiken- oder Kirchentag einladen muss. Aber ich halte es schon für möglich, dass man die AfD einlädt, sie jedoch ganz genau auf die Inhalte festlegt und inhaltlich diskutiert. Dann muss die AfD auch Widerspruch ertragen.

domradio.de: Denken wir einmal ein Jahr zurück an den Katholikentag in Leipzig. Das ZdK hat damals gesagt, man lade keinen Vertreter der AfD ein. Sie haben das damals kritisiert und gesagt, man dürfe die Partei nicht zum Märtyrer machen, sondern müsse mit ihr diskutieren. Jetzt steht im kommenden Monat der Evangelische Kirchentag an und da ist es umgekehrt: Die Protestanten laden Vertreter der AfD ein, um mit ihnen zu diskutieren. Machen es denn die evangelischen Kollegen besser als wir Katholiken oder hat sich in der Debatte seit dem vergangenen Jahr etwas verändert?

Klöckner: In beiden Kirchen und in den Organisationsstrukturen der Kirchen- und Katholikentage hat es sehr viele Debatten gegeben. Es gibt "Sowohl-als-auch-Positionen". Irgendwann muss man sich dann entscheiden. Damals bei unserem Katholikentag war es so, dass nach einer langen Debatte entschieden worden ist, die AfD nicht einzuladen - damit der Fokus für den Katholikentag nicht nur auf der AfD-Frage liegt. Jetzt sind wir ein Jahr weiter und es ist auch ein bisschen an Hitze und Stimmung aus der Geschichte raus. Ich halte es für richtig, die AfD auch einzuladen, aber auch sehr kritisch mit ihr umzugehen.

domradio.de: Ein Blick noch in die Glaskugel: Was denken Sie, wie werden wir in einem Jahr über die AfD reden?

Klöckner: Das ist schwer zu sagen. Ich kann nur sagen, was ich mir wünsche, nämlich, dass sich das Thema erledigt haben wird. Aber das wäre zu einfach und zu blauäugig. In der AfD sind ja mittlerweile auch Machtkämpfe entstanden. Da merkt man, dass das Abgrenzen von sogenannten Etablierten bei der AfD nicht funktioniert. Sie sind ja selber Etablierte. Die Frage lautet für mich am Ende des Tages, was für Deutschland, die Gesellschaft und die kommende Generation gut ist, und darauf hat die AfD keine Antwort. Ich traue den Wählerinnen und Wählern zu, das auch zu erkennen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR