Gesellschaft katholischer Publizisten zum Fall Yücel

"Es ist die Aufgabe eines jeden, Solidarität zu zeigen"

Der Vorsitzende der Gesellschaft katholischer Publizisten, Joachim Frank, fordert im domradio.de Interview Solidarität mit dem Journalisten Deniz Yücel. Auch die Kirchen müssten zeigen, dass ihnen die Meinungsfreiheit wichtig ist.

Wohin steuert die Türkei? / © Deniz Toprak (dpa)
Wohin steuert die Türkei? / © Deniz Toprak ( dpa )

domradio.de: Ankara argumentiert, es gäbe in der Türkei keinen einzigen Journalisten, der im Gefängnis sei, weil er die Öffentlichkeit informiert oder die Regierung kritisiert habe. Was halten Sie von dem Argument aus Ankara?

Joachim Frank (Vorsitzender der Gesellschaft katholischer Publizisten): Das ist erkennbarer Blödsinn. Man braucht nur zu schauen, was mit Can Dündar passiert ist, der jetzt in Deutschland im Exil ist. Er hatte die Regierung kritisiert und die militärischen Aufmarschpläne offen gelegt. Dass das der Regierung unangenehm ist und dem Regime nicht passt ist erkennbar, aber dass das alles mit Terrorismus zu tun hat, erklärt sich nur dann, wenn man jeden unter Terrorverdacht stellt, der die Kurden verteidigt oder deren Standpunkt zu verstehen versucht, oder etwas Positives über Gülen sagt. Unterdessen hat Cem Özdemir nicht zu Unrecht gesagt, dass alles Terror ist, was nicht pro Erdogan ist. 

domradio.de: Viele türkische Journalisten sind schon lange im Gefängnis. Warum wird die Empörung hierzulande jetzt erst so groß? 

Frank: Ich weiß von anderen Korrespondenten, die in der Türkei tätig sind, dass sie derzeit um ihre Akkreditierung fürchten und nicht genau wissen, was mit ihnen passiert, wenn sie kritisch berichten. In diesem Fall ist es ein deutscher Korrespondent, aber der Fall Dündar hat bei den Kollegen auch entsprechende Reaktionen hervorgerufen. Die Regierung ist eher verhalten, daran merkt man, dass die enge Verbundenheit mit der Türkei auf NATO-Ebene oder durch den EU-Türkei-Pakt, eine Hemmung hervorruft. 

domradio.de: Würden Sie sagen, die Bundesregierung und die Europäische Union schweigt aus Angst, Erdogan zu verärgern und das Flüchtlingsabkommen scheitern zu lassen?

Frank: Erdogan hat ein sehr starkes Druckmittel, das er schon ein paar Mal eingesetzt hat. In der internationalen Diplomatie ist es immer günstig, ein anderes Wort zu führen als ein Journalist, der das in seiner freien Rede machen kann. Dafür habe ich ein gewisses Verständnis. Aber Erdogan hat seinen nächsten Besuch in Deutschland angekündigt, nachdem Yildirim gerade weg ist, wohlwissend darum, was das hier in Deutschland auslöst. Und weil seitens der Bundesregierung noch nichts passiert ist, könnte man jetzt etwas tun, denn das ist ein politischer Fall, und der muss politisch entschieden werden. 

domradio.de: Sie sagen, das türkische Regime versucht unentwegt, Deutschland für dumm zu verkaufen. Was meinen Sie damit?

Frank: Der Auftritt von Ministerpräsident Yildirim in Oberhausen, der als Privatveranstaltung deklariert wurde und der Auftritt eines Privatmannes gewesen sein soll, ist eindeutig der Versuch, deutsches Versammlungsrecht und deutsche Freiheiten auszunutzen. Aber dass der türkische Ministerpräsident vor 10.000 Leuten, nicht als Herr Yildirim spricht, sondern in seiner Funktion als Ministerpräsident, weiß jeder. Und so zu tun als wäre das nicht so, nenne ich "für dumm verkaufen". Und auch das Gebaren der Ditib, also der türkisch-islamischen Union, die der Vorposten des Religionsministeriums in Ankara ist, was aber offiziell bestritten wird, ist ein Versuch, die Öffentlichkeit zu täuschen. 

domradio.de: Was fordern Sie in Ihrer Funktion?

Frank: Zunächst einmal breitere Solidarität mit allen, die sich in der Türkei trauen, Opposition namhaft zu machen. Das sind Journalisten, Intellektuelle und oppositionelle Politiker, die noch die Stimme erheben. Es ist die Aufgabe eines jeden, Solidarität zu zeigen, denn wenn Presse- und Meinungsfreiheit zugrunde gehen, ist es irgendwann auch um die Demokratie geschehen. Denn dann muss jeder damit rechnen, bei Abweichungen Meinungen sanktioniert zu werden.

Dass es Christen in der Türkei nicht einfach hatten und als Minderheiten diskriminiert wurden, ist schon lange bekannt. Die Kirchen haben immer wieder versucht deutlich zu machen, dass sie auf freie Religionsausübung bestehen, wie sie in Deutschland gewährt ist. Das ist ein Punkt, wo die Kirchen sich nochmal einsetzen und zeigen könnten, dass ihnen Presse- und Meinungsfreiheit wichtig sind. Denn diese bürgerlichen Freiheiten sind die beste Gewähr dafür, dass eine freie  Religionspraxis möglich ist, die in der Türkei nicht möglich ist. Da ist unser eigenes Geschäft aus Sicht der Kirchen tangiert. 

Das Interview führte Verena Tröster. 


Quelle:
DR