Auszählung der Präsidentenwahl in Ecuador gerät zum Politkrimi

Gerüchte, Chaos, Ängste

In Ecuador entwickelt sich die Auszählung der Präsidentschaftswahlen zu einem Drama. Die Opposition wittert Wahlbetrug, die Bischöfe rufen zur Transparenz auf und auch das Militär meldet sich zu Wort.

Autor/in:
Tobias Käufer
Lange Schlangen vor den Wahllokalen in Ecuador / © Pablo Sanguinetti (dpa)
Lange Schlangen vor den Wahllokalen in Ecuador / © Pablo Sanguinetti ( dpa )

Auch einen Tag nach den Präsidentschaftswahlen müssen die Menschen in Ecuador weiter auf ein amtliches Endergebnis warten. Bislang ist nicht klar, ob es eine Stichwahl am 2. April gibt. Aus dem Urnengang ist ein echter Politkrimi geworden.

Juan Pablo Pozo, Chef der Wahlbehörde CNE, begründete die Verzögerungen mit Problemen bei einigen Stimmzetteln, die nicht eindeutig zuzuordnen seien. Zudem fehlten noch die Ergebnisse aus den ländlichen Regionen der Andenrepublik. Genau das ruft das Misstrauen der Opposition hervor. Bis Donnerstag solle das Ergebnis aber vorliegen, so Pozo.

Opposition wittert Wahlbetrug

Der bürgerliche Oppositionskandidat Guillermo Lasso wittert Manipulation: "Das ist ein Versuch von Wahlbetrug", wetterte er am Montagabend im Nachrichtensender CNN gegen die staatliche Wahlbehörde CNE. Wie könne es sein, dass innerhalb weniger Stunden am Sonntag fast 90 Prozent der Stimmen ausgewertet werden konnten, aber für die fehlenden 10 Prozent mehrere Tage nötig seien, fragt Lasso und kündigt an: "Wir werden das nicht akzeptieren. Es wird einen zweiten Wahlgang geben." Zudem präsentierten Oppositionspolitiker Dokumente, die sie nach eigenen Angaben aus Mülleimern von Wahllokalen gesichert hatten. Sie könnten auf Wahlbetrug hindeuten.

Ob es einen zweiten Wahlgang gibt, ist aus Sicht der Opposition ganz entscheidend: Denn das Lager der Regierungsgegner brachte es im ersten Wahlgang fast auf die gleiche Stimmenanzahl wie das bis dato regierende linke Lager. Wenn sich die Opposition geschlossen hinter Lasso versammelt, dürfte der Ex-Banker durchaus Chancen haben, die zehnjährige sozialistische Ära zu beenden. Zudem liegt der Korruptionsskandal um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht, der auch in Ecuador mehrere Millionen Euro Schmiergelder an die Behörden gezahlt haben soll, wie ein Schatten über dem Wahlkampf. Die Opposition forderte bislang vergeblich die Veröffentlichung der Namen der Verdächtigen, die Schmiergelder kassiert haben sollen.

Den ganzen Tag über gab es in Ecuador Anspannung und Gerüchte. Sogar das Militär meldete sich zu Wort und wies Spekulationen über einen Aufstand in Reihen der Armee zurück. Die Generäle forderten dazu auf, dass der Wählerwille unbedingt zu respektieren sei. Die Tageszeitung "El Comercio" berichtete über einen Versuch aufgebrachter Bürger, sich Zugang zum CNE-Gebäude zu verschaffen.

Bischöfe melden sich zu Wort

In der angespannten Atmosphäre meldeten sich auch die ecuadorianischen Bischöfe mit einer Forderung nach Transparenz zu Wort: Das Vertrauen sei fundamentale Basis des Zusammenlebens und einer demokratischen Ordnung. Das ecuadorianische Volk wolle sich nicht betrogen sehen.

Regierungskandidat Lenin Moreno, der es nach vorliegenden Hochrechnungen trotz der Unterstützung des scheidenden Präsidenten Rafael Correa und der regierungsnahen Medien nicht vermochte, den ersten Wahlgang mit notwendiger Mehrheit zu gewinnen, versuchte sich in staatsmännischer Haltung: "Wir erwarten in demokratischer und friedlicher Haltung die Resultate ab, wie es sich gehört." Es gebe immer noch die Chance, über die Marke von 40 Prozent zu springen, sagte er.

Wachsende Ungeduld

Doch auf den Straßen in Quito und Guayaquil wächst die Ungeduld. In Quito versammelten sich tausende Anhänger der Opposition vor dem Gebäude des Wahlrates. Guayaquils Bürgermeister Jaime Nebot rief dazu auf, "den zweiten Wahlgang" zu verteidigen. Quitos Bürgermeister Mauricio Rodas rief die Wahlbehörde dazu auf, die Ergebnisse unverzüglich zu veröffentlichen.

Die Zahlen, die die Wahlbehörde CNE am Montagabend veröffentlichte, widersprechen allerdings der These eines Wahlbetrugs zu Gunsten der Regierungspartei. Der Stimmenanteil Morenos verringerte sich im Laufe des Montags von 39,13 Prozent auf 39,07 Prozent auf Basis von 91,3 Prozent der ausgezählten Stimmen. Lasso kommt auf 28,43 Prozent und kann bereits auf die Unterstützung der Drittplatzierten Cynthia Viteri (16,22) zählen. Um die Wahlen doch noch im ersten Wahlgang zu gewinnen, bräuchte Moreno mindestens 40 Prozent und einen Vorsprung von zehn Prozent auf den Zweitplatzierten.


Quelle:
KNA