Spitzel-Vorwürfe setzen dem Moschee-Dachverband zu

Ditib unter Druck

Haben sie oder haben sie nicht? Die Debatte um Vorwürfe, wonach Ditib-Imame türkische Landsleute in Deutschland ausgehorcht haben sollen, ist noch lange nicht beendet. Dahinter tun sich grundsätzliche Fragen auf.

Autor/in:
Joachim Heinz
Infomaterial des DITIB-Dachverbandes / © Julia Ratchke (KNA)
Infomaterial des DITIB-Dachverbandes / © Julia Ratchke ( KNA )

In Deutschland meldet sich der Winter zurück. Zur aktuellen Großwetterlage scheint das frostige Klima um den deutsch-türkischen Moschee-Dachverband Ditib zu passen. Dem größten islamischen Verband in Deutschland mit seinen rund 900 Ortsgemeinden bläst derzeit der Wind kalt ins Gesicht.

Spitzelvorwürfe

Generalsekretär Bekir Alboga räumte am Donnerstag unter anderem in der "Rheinischen Post" ein, dass einzelne Imame des Verbands Informationen über Anhänger des im US-amerikanischen Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen an die türkische Regierung weitergeleitet hätten. Es handle sich um eine bedauerliche Panne.

Noch am gleichen Tag ruderte er zurück: "Meine Aussagen als Generalsekretär beabsichtigten lediglich, dass die Vorwürfe ernst genommen und von Ditib weiterhin untersucht werden." Die Gülen-Bewegung gilt in der Türkei als Staatsfeind Nummer eins. Präsident Recep Tayyip Erdogan macht sie für den gescheiterten Putsch im Juli 2016 verantwortlich.

So oder so sehen sich Kritiker in der Auffassung bestätigt, wonach der Ditib-Bundesverband letzten Endes ein verlängerter Arm Ankaras sei. Deutsche Behörden dürften nicht länger mit der Ditib kooperieren, forderte etwa die Migrationsbeauftragte der Linken-Bundestagsfraktion, Sevim Dagdelen. Dagdelens Kollege bei den Grünen, Volker Beck, bezeichnete Albogas Äußerungen zu den Spitzel-Vorwürfen als "Bubenstück". Beide Politiker stellten jeweils eine Anfrage zu dem Thema an die Bundesregierung - die diese voraussichtlich am kommenden Mittwoch in der Fragestunde des Bundestags beantworten wird.

Die Debatte ist für den Verband auch deswegen von Bedeutung, weil er seit längerem die Anerkennung als Religionsgemeinschaft anstrebt. Bereits am Mittwoch hatte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums gesagt, es stelle sich "wieder stärker die Frage, ob die Anbindung von Ditib an die Türkei noch ein Ausdruck religiöser Selbstbestimmung ist".

Brief der türkischen Religionsbehörde

Im Zentrum der Auseinandersetzungen steht ein Brief der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Sie ist direkt dem Ministerpräsidenten unterstellt und auch für Ditib zuständig. Das auf den 20. September 2016 datierte Schreiben ging an alle türkischen Botschaften, Konsulate, Religionsämter, Religionsattaches, Verwaltungen und Koordinatoren des religiösen Personals. Sie wurden darin aufgefordert, Informationen über die Mitglieder der Gülen-Bewegung und ihre Aktivitäten bis zum 27. September nach Ankara zu liefern.

Diese Angaben sollten dann laut Informationen der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) auf der 9. Eurasien-Islamratsversammlung Mitte Oktober besprochen werden. Alboga nahm an diesem Treffen nachweislich selbst teil. Später wurde bekannt, dass die Dossiers auch an eine parlamentarische Untersuchungskommission weitergegeben wurden, die sich mit den Folgen des Militärputsches befasst.

Egal welche Rolle Alboga und der Ditib-Bundesverband bei dem ganzen Vorgang gespielt haben: Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die innertürkischen Verwerfungen auf die in Deutschland lebende türkische Community immer stärker abfärben.

Vergiftetes Klima

Von einem vergifteten Klima sprach der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, am Donnerstag im Südwestrundfunk. Gülen-Anhänger verlassen unterdessen nach den Worten eines Sprechers in Scharen die Ditib-Gemeinden. "Man schmeißt uns zwar nicht raus, aber die dauernden Angriffe durch Erdogan-Anhänger, die uns als 'Volksverräter' beschimpfen, zwingen uns aus den Gemeinden", sagte er der KNA.

Deutsche Politiker und Kirchenvertreter stehen im Dialog mit dem türkischen Islam hierzulande vor einem Dilemma. "Die jetzt zutage tretenden Entwicklungen und der Umgang von Ditib damit machen weder dem Staat noch den Kirchen die Zusammenarbeit leichter", formuliert ein Beobachter. "Dennoch ist es wichtig, dass man miteinander im Gespräch bleibt." Es fehle schlicht an Alternativen. Der Koordinationsrat der Muslime als Zusammenschluss der deutschen Islamverbände setze kaum noch Akzente. Eine Eiszeit mit der Ditib als dem größten Einzelverband käme da sehr ungelegen.


Quelle:
KNA