EU-Abgeordnete Lochbihler fordert mehr Kontrolle im Finanzwesen

"Menschenhandel wirft extrem viel Profit ab"

An diesem Montag befasst sich das EU-Parlament mit einem Bericht zum Thema Menschenhandel, den die Grünen-Abgeordnete Barbara Lochbihler verfasst hat. Im Interview fordert sie mehr Opferschutz und Maßnahmen zur Aufdeckung von Geldwäsche.

Menschenhandel führt oft zur Prostitution (dpa)
Menschenhandel führt oft zur Prostitution / ( dpa )

KNA: Was motiviert Sie, sich auch nach zehn Jahren Tätigkeit für Amnesty International weiter gegen Menschenhandel einzusetzen?

Barbara Lochbihler (Außen- und menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament und Vizepräsidentin des EP-Menschenrechtsausschusses): Ich finde es schrecklich, wenn ein Mensch zur Ware wird. Das ist für mich die schlimmste Menschenrechtsverletzung. Es ist wichtig, dass man hinschaut. Es gibt bereits viele Gesetze gegen Menschenhandel, aber oft werden sie nicht oder nur unzureichend umgesetzt.

KNA: Hat sich der Handel mit Menschen in den vergangenen Jahren verändert? Wo liegen die Ursachen?

Lochbihler: In den Jahren 2013 und 2014 gab es einen enormen Anstieg bei der Ausbeutung von Kindern. 2.375 der 15.846 registrierten Opfer waren Kinder. Die Zahlen sind natürlich viel zu niedrig und nur ein Indiz dafür, wie viele Menschen tatsächlich gehandelt werden. Manche Industriezweige bevorzugen Kinder als Arbeiter, wegen ihren kleinen Körper oder Hände. Generell ist sexuelle Ausbeutung noch immer einer der Hauptgründe für Menschenhandel. Extreme Ausgrenzung, Diskriminierung und Armut sind häufig Ursachen dafür, warum Menschen anfällig werden.

KNA: Wie kann Menschenhandel in der EU besser bekämpft werden?

Lochbihler: Ich konzentriere mich als Menschenrechtspolitikern darauf, das Leid und die Unterwerfung zu beenden. Das können wir allerdings nur erreichen, wenn wir auch auf die Täter schauen. Menschenhandel wirft extrem viel Profit ab. Aus diesem Grund müssen wir die Wege des Geldes genau analysieren. Das Geld wird in Banken deponiert oder gewaschen. Durch intensivere Untersuchungen im Finanz- und Investitionswesen könnten wir Geldwäsche besser aufdecken. Nationale, regionale und internationale Akteure müssen in dem Bereich ihre Zusammenarbeit verbessern.

KNA: Sie unterscheiden in Ihrem Bericht zwischen Menschenhandel und Menschenschmuggel. Wo liegt der Unterschied?

Lochbihler: Jemand, der einen Schmuggler beauftragt, weiß in der Regel, was ihn erwartet und bezahlt ihn dafür. Bei Menschenhandel gibt es dagegen immer ein Element von Zwang und Ausbeutung. Opfer von Menschenhandel wissen oft nicht, was ihnen bevorsteht. Sie denken beispielsweise, sie gehen nach Europa und arbeiten als Bedienung in einer Bar. Wenn sie ankommen, stellt sich dann heraus, dass sie nicht die Kellnerin, sondern die Prostituierte sind.

Derzeit kommen durch die Flüchtlingskrise besonders viele Menschen nach Europa. An den EU-Außengrenzen werden Opfer von Menschenhandel allerdings oft nicht erkannt. Grenzbeamte und alle, die mit Migration zu tun haben, müssen geschult werden, damit sie die Opfer erkennen.

KNA: Was muss sich für die Opfer ändern?

Lochbihler: Jedes Opfer hat Anspruch auf Schutz. Man kann nicht sagen: Na ja, die sind illegal hier. Es ist wichtig, die Opfer zu identifizieren, damit sie angemessene Unterstützung und Schutz bekommen und vor Gericht gegen die Hintermänner aussagen können.

Gleichzeitig muss Zeugenschutz für sie gewährleistet werden. In Deutschland gibt es zu wenige Prozesse, weil die Aussagen vor Gericht bisher nicht an ein Zeugenschutzprogramm gekoppelt waren. Außerdem ist es wichtig, dass die Opfer medizinische und psychologische Unterstützung, Zugang zu Bildung sowie Integrationsförderung erhalten. Das muss unabhängig von ihrer Bereitschaft, an einem Strafprozess teilzunehmen, garantiert sein.

KNA: Betrifft Menschenhandel auch den normalen Bürger in Europa?

Lochbihler: Als Konsument hat jeder eine gewisse Macht. Wir fordern von Unternehmen, dass sie verhindern, dass es in ihrer Lieferkette zu moderner Sklaverei kommt. Das ist ein enormes Drohpotenzial, weil die Unternehmen nicht wollen, dass ihre Produkte mit so etwas in Verbindung gebracht werden. Wir fordern, dass die Unternehmen in der EU verbindlich verpflichtet werden, sich nicht an extremen Ausbeutungsverhältnissen zu bereichern oder zu beteiligen.

Das Interview führte Franziska Broich.


Quelle:
KNA