Bundestag verabschiedet Armenien-Resolution

Eine Gegenstimme, eine Enthaltung

Der Bundestag hat am Donnerstag die Resolution zu den Massakern des Osmanischen Reiches an den Armeniern vor 100 Jahren fast einstimmig verabschiedet - und sie damit als Völkermord bezeichnet. Es wurde auch auf die deutsche Mitschuld verwiesen.

Mitglieder der Initiative "Anerkennung Jetzt" im Bundestag / © Michael Kappeler (dpa)
Mitglieder der Initiative "Anerkennung Jetzt" im Bundestag / © Michael Kappeler ( dpa )

Zugleich wiesen die Parlamentarier in dem Antrag von Union, SPD und Grünen auf die Mitschuld des damaligen Deutschen Kaiserreichs hin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Vizekanzler Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (beide SPD) fehlten wegen anderer Termine bei der Abstimmung.

Vor der Aussprache verurteilte Bundestagspräsident Norbert Lammert im Beisein von Vertretern der armenischen und türkischen Botschaft, die an der Debatte teilnahmen, Drohungen gegen Parlamentarier mit türkischem Migrationshintergrund. "Wir werden sie nicht hinnehmen und uns gewiss nicht davon einschüchtern lassen."

Mützenich: Appell zur Aufarbeitung

Die Parlamentarier betonten, es gehe nicht darum, die heutige türkische Regierung auf die Anklagebank zu setzen. Diese trage an den Verbrechen keine Schuld, sie trage aber eine Verantwortung, so der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Rolf Mützenich. Die Resolution sei ein Appell zur Aufarbeitung dieser Vergangenheit des Osmanischen Reiches. Er verwies auf die deutsche Mitschuld.

Zwischen 1915 und 1918 wurden im damaligen Osmanischen Reich bis zu 1,5 Millionen Armenier, Aramäer, Assyrer und Pontos-Griechen getötet. Historiker sprechen vom ersten Völkermord der Geschichte. Die Türkei widerspricht dem und räumt lediglich Massaker, Vertreibungen und beiderseitige Gewalttaten ein. Bislang haben rund 20 Staaten den Massenmord als Genozid bezeichnet. Auch der Papst sprach vom "ersten Völkermord im 20. Jahrhundert".

Özdemir: Sorge um das Ostchristentum

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Franz Josef Jung (CDU), betonte, nur wer sich zur Vergangenheit bekenne, könne die Zukunft gestalten. Zur Aufarbeitung wolle auch Deutschland seinen Beitrag leisten. Der Vorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, betonte, es gehe nicht um eine Stigmatisierung. Die Resolution solle Ermutigung für Wissenschaftler sein, "Fragen zu stellen". Zugleich erklärte er, er mache sich mit Blick auf die aktuelle Situation in der Türkei große Sorgen "um das Ostchristentum". Ausgerechnet an der "Geburtsstätte des Christentums" sei die Religion vom Aussterben bedroht.

Der Linken-Abgeordnete Gregor Gysi erinnerte an viele Länder, die die Massaker bereits zuvor als Völkermord verurteilt hätten. Dazu gehören unter anderem Frankreich, die Niederlande, Russland, der Vatikan, Chile und Venezuela.

Türkische Nationalversammlung erneuert Kritik

Unterdessen erneuerte die große türkische Nationalversammlung zusammen mit der Kommission für Auswärtige Angelegenheiten die Kritik an der Resolution. «Wir verurteilen diesen rechtswidrigen Antrag im Bundestag, wobei die historischen Realitäten in Bezug auf die Ereignisse in 1915 verzerrt wurden, scharf und weisen ihn zurück», heißt es dort.

Die Vorsitzende des Zentralrats der Armenier in Deutschland, Jaklin Chatschadorian, sieht dagegen in der Resolution eine große Hilfe. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte sie, die Charakterisierung der türkischen Gewalttaten von 1915 als Völkermord nütze den Armeniern sehr.


Quelle:
KNA