Journalist Püttmann besorgt um Pressefreiheit in Deutschland

"Es wird ungemütlicher"

Die Pressefreiheit wird laut "Reporter ohne Grenzen" weltweit immer weiter eingeschränkt. Auch in Deutschland nehmen gewaltsame Übergriffe gegen Journalisten zu. Das bereitet dem katholischen Journalisten Andreas Püttmann Sorge, sagte er im domradio.de-Interview.

Demonstration für Pressefreiheit / © Britta Pedersen (dpa)
Demonstration für Pressefreiheit / © Britta Pedersen ( dpa )

domradio.de: Pressefreiheit ist nicht nur ein Problem in der Türkei. In Europa bereiten das Vorgehen der Regierungen in Ungarn und Polen gegen unliebsame Medien und Journalisten Sorgen. Wie ordnen Sie den Stand der Pressefreiheit insgesamt ein?

Andreas Püttmann (Vorstand der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands): Insgesamt ist der Indikator Pressefreiheit am Sinken und das schon seit mehreren Jahren. Die Autoritäre Internationale hat sich die Journalisten in den letzten Jahren verstärkt vorgeknöpft. Das ist eine sehr ungute Entwicklung. In Polen ist ja geradezu ein dramatisches Abrutschen um 29 Ränge von Platz 18 auf 47 festzustellen. Die Bestrebungen der Repolonisierung von privaten Medien und zur Abschaffung der Unabhängigkeit der Öffentlich-Rechtlichen schlagen da ins Kontor. Aber auch bei uns gab es 39 Fälle von Gewaltanwendung gegen Journalisten. Anfeindungen und Todesdrohungen haben zugenommen. Ich arbeite seit 25 Jahren als Journalist und habe auch in den letzten zwei Jahren erstmals Drohbriefe und schikanöse Paketsendungen zu verzeichnen – man darf die psychologische Wirkung davon nicht unterschätzen. Das ist alles sehr besorgniserregend.

domradio.de: Glauben Sie, die Gewalt gegen Journalisten nimmt auch in Deutschland zu?

Püttmann: Wir haben ja eine allgemeine Radikalisierung in der Gesellschaft, die man auch an Wahlergebnissen feststellen kann. Das ist schon beunruhigend. Es gibt eben die  Schreibtischtäter und die Mikrofonhetzer und dann gibt es die gröberen Bataillone, die dann die Drecksarbeit machen. Und wenn dieser Kreislauf der Radikalisierung nicht unterbrochen wird, dann wird es sicherlich für Journalisten noch ungemütlicher in Deutschland.

domradio.de: Für Satiriker ist es gerade auch ungemütlich geworden in Deutschland. Satire steht irgendwo zwischen Kunstfreiheit und Pressefreiheit. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Strafverfolgung von Jan Böhmermanns durch die Justiz zugelassen, gleichzeitig aber die Abschaffung des entsprechenden Paragraphen noch in dieser Legislaturperiode angekündigt. Ist das nicht ein Widerspruch?

Püttmann: Das finde ich nicht. Ich finde, dass das Statement und die Entscheidung von Angela Merkel ausgesprochen klug waren. Dieser Paragraf 103 der Majestätsbeleidigung, der hört sich völlig antiquiert an. Aber er hat natürlich durchaus einen Sinn gehabt, nämlich den eigenen Staat zu schützen, der sinnvollerweise in Frieden und gegenseitiger Achtung mit anderen Staaten und Völkern lebte. Aber andererseits wird es eben heute nicht mehr verstanden und Erdogan hat ja selbst gezeigt, dass er auch trotzdem gegen Herabsetzung der eigenen Person klagen kann auf anderem Wege. Also der Paragraph ist in der Tat verzichtbar. Aber ich glaube, dass die Kanzlerin hier auch geistige Führung gezeigt hat, indem sie deutlich gemacht hat, dass auch Freiheit nicht völlig schrankenlos ist. Auch nach unserer Rechtsordnung muss sowohl die Pressefreiheit, als auch die Kunstfreiheit mit den Persönlichkeitsrechten nach Artikel 2 abgewogen werden. Und für diese Abwägung ist bei uns nicht die Regierung zuständig oder die politisch Mächtigen, sondern diese Abwägung von Grundrechten erfolgt durch eine unabhängige Justiz. Und die wird nun sprechen. Das ist eine ganz gut ausgewogene, rationale Entscheidung und sie hat gleichzeitig auch noch einmal auf die Unabhängigkeit der Justiz, auf die Gewaltenteilung und die Meinungsfreiheit - auch in der Türkei -  gepocht. Es ist also keineswegs ein unkritisches Duckmäusertum, wie das so behauptet wurde. Und da sollten die Ultraliberalen, die sich plötzlich mit rechten Hetzern in einem Boot wiederfinden, noch einmal in sich gehen und überlegen, ob ihre maßlose Kritik an Frau Merkel wirklich berechtigt war.

domradio.de: Wie weit Satire gehen darf, darüber ist man sich in Deutschland wohl uneins. In der Vergangenheit wurde auch immer wieder über Satire gestritten, die die katholische Kirche oder das Christentum auf's Korn genommen hat. Bedarf es hier einer schärferen Beobachtung oder gar Strafverfolgung, wie es einmal die CSU gefordert hat? 

Püttmann: Am besten wäre eine gewisse Selbstdisziplin und Selbstkontrolle. Satire ist eine Kunstform, mit der Personen, Ereignisse oder Zustände kritisiert und verspottet werden. Und dieser Spott ist auch völlig in Ordnung. Stilmittel sind Übertreibung, Ironie und Sarkasmus - aber es muss natürlich ein wahrer Kern bleiben. Und es darf nicht einfach eine obszöne Beleidigungsorgie, nur weil man sie jetzt in Reime fasst, durch dieses Siegel Satire herhalten als Vorwand für plumpe und grobe Beleidigungen. Und da muss man einfach sagen: Freiheit ohne Anstand, ohne Verantwortungsgefühl und Klugheit vernichtet sich selbst. Wir haben auch wirklich daran zu denken, welche Verantwortung wir haben, wenn wir die westliche Freiheit gegen diese Autoritäre Internationale verteidigen wollen. Wenn wir nichts anderes zu bieten haben als das, als Testfall von westlicher Freiheit und Kultur, dass man bei uns grenzenlose Beleidigungsfreiheit hat, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht.

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Dr. Andreas Püttmann / © privat
Dr. Andreas Püttmann / © privat
Quelle:
DR