Erfurter Pfarrer zur Entscheidung der Thüringer SPD

"Ein Ministerpräsident Ramelow würde mir nicht gefallen"

Die SPD-Führung in Thüringen hat sich für ein rot-rot-grünes Bündnis unter der Führung von Bodo Ramelow ausgesprochen. Der Erfurter Pfarrer Michael Neudert erklärt im domradio.de-Interview, warum ihn das erschreckt.

Bodo Ramelow in Thüringen (dpa)
Bodo Ramelow in Thüringen / ( dpa )

domradio.de: Sie haben sich in der Wende-Zeit vor 25 Jahren engagiert. Sie haben zum Beispiel beim Bürgerkomitee zur Auflösung der Staatssicherheit mitgearbeitet. Nun wird der Spitzenkandidat der Nachfolgepartei der SED eventuell Ministerpräsident. Wie gehen Sie damit um?

Neudert: Das ist, seitdem ich das so in dieser Klarheit vor Augen geführt bekommen habe, für mich doch ein relativ großes Erschrecken. Es ist unerwartet und, ich muss ehrlich zugeben, so richtig gefällt mir das nicht.

domradio.de: Warum nicht?

Neudert: Aus der Wortwahl von Herrn Ramelow habe ich rausgehört, auch bei manchem Gestammel, was die politischen Zusammenhänge mit der ehemaligen DDR betrifft, dass das nicht so ganz klar ist, wie wir uns zur DDR verhalten sollten als Linke oder als PDS oder als ehemalige DDR.

domradio.de: Bodo Ramelow stammt ja nicht aus der DDR. Er hat also mit den SED-Machenschaften gar nichts zu tun. Kann das denn vielleicht helfen, das so ein bisschen zu akzeptieren?

Neudert: Das verwundert mich am meisten, dass jemand, der in einem freiheitlichen demokratischen Land aufgewachsen ist, sich ohne Distanz in diese Welt der Linken hineinbegibt.

domradio.de: Es gab viele Schlagzeilen zu dem Thema seit die SPD-Führung sich gestern für ein solches Bündnis ausgesprochen hat. Gibt es ähnlich intensive Diskussionen unter den Bürgern in Erfurt? Haben Sie da was mitbekommen?

Neudert: Ich glaube, dass es hier keinen einzigen gibt - soweit ich das sehe und soweit ich heute schon Gespräche führen konnte - der das nicht zu einem der ersten Themen gemacht hat. Es ist was, was die Leute bewegt. Wenn ich das richtig verstehe und richtig widergeben kann, ist gerade auch bei christlichen Menschen, die mich hier so umgeben, doch ein bestimmtes Unverständnis, ja auch manchmal Erschrecken und Entsetzen über diese Möglichkeit.

domradio.de: Vor der Entscheidung der SPD für ein solches Bündnis gab es einen heftigen Streit um die Frage, ob die DDR nun ein Unrechtsstaat war oder nicht. Die Linken in Thüringen sehen das mittlerweile so. Warum ist denn dieses Bekenntnis vor allem für ehemalige DDR-Bürgerrechtler so wichtig?

Neudert: Das hängt damit zusammen, dass wir die DDR nicht nur mit historischen Augen sehen, sondern wir müssen sie auch sehen in der Emotionalität menschlicher Lebensentwürfe. Da kann ich dann nicht einfach sagen, dass die DDR ein Rechtsstaat gewesen ist. Das Unrecht, das in der DDR begangen worden ist, ist ein systematisches, staatsgelenktes Unrecht. Von daher ist es vielleicht günstiger zu sagen, es ist eher ein Unrechtsstaat.

domradio.de: Befürchten Sie denn nun, dass ein Ministerpräsident der Linken die Gesellschaft in Thüringen spalten könnte, weil Opfer der DDR-Diktatur ihn nicht akzeptieren können?

Neudert: Das glaube ich nicht. Das hat damit zu tun, dass es eine bestimmte Stärke hier in Ostdeutschland gibt, die die Menschen haben. Sie können sicher auch akzeptieren, wenn Bodo Ramelow Ministerpräsident würde und dieses Amt vielleicht mit einer mehr oder weniger geschickten Hand ausführen kann. Da gibt es genügend Stärke, das zu tolerieren. Möglicherweise wird es aber weiterhin Diskussionen geben und Menschen, die mit dieser Entscheidung nicht zufrieden sind. Vielleicht werden auch Manche diese Entscheidung in Richtung SPD verschieben und sagen, was haben die denn da gemacht.

Das Gespräch führte Veronika Seidel Cardoso.


Quelle:
DR