Missbrauchsbeauftragter fordert Schutzkonzepte für Schulkinder

"Das ist eine Daueraufgabe"

Dem Missbrauchsbeauftragten der Regierung, Johannes-Wilhelm Rörig, reicht der Schutz von Schülern vor sexueller Gewalt nicht aus. Es fehlten bundesweite Lehrerfortbildungen und Geld für Beratungsstellen, so Rörig im domradio.

Kampf gegen Kindesmissbrauch (dpa)
Kampf gegen Kindesmissbrauch / ( dpa )

domradio.de: Viele Jahre war das Thema sexueller Missbrauch in Schulen tabu. Hat sich daran mittlerweile etwas geändert?

Johannes-Wilhelm Rörig (Unabhängiger Beauftragter der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs): Ja, es hat sich etwas geändert. Die Gesellschaft ist sensibler geworden und auch im schulischen Bereich ist die Aufgeschlossenheit die Kinder in den Schulklassen und auf den Schulhöfen besser vor sexualisierter Gewalt zu schützen, erheblich gestiegen.

domradio.de: Was hat sich in den letzten Jahren bei der Aufarbeitung getan? Insbesondere wenn wir uns da die Einrichtungen der katholischen Kirche anschauen.

Rörig: Inzwischen übernehmen die Schulen die Verantwortung für den Schutz der Kinder und Jugendlichen. Wir sind heute in der Diskussion einen großen Schritt weiter. Die Einrichtungen, die Schulen stehen nicht mehr so unter Generalverdacht, die einzelnen Lehrer stehen nicht mehr unter Generalverdacht, sondern es wird darüber gesprochen, wie Verantwortung für die Kinder und Jugendlichen besser übernommen werden kann. Da geht es um die Einführung von Schutzkonzepten in Schulen. Das ist auch Ergebnis der wichtigen Aufarbeitung beispielsweise am Canisius-Kolleg in Berlin, an der Schule Ettal in Ettal oder am Aloisius-Kolleg in Bonn.

domradio.de: Nun gibt es immer wieder neue Schülergenerationen, die für dieses für Kinder und Jugendliche schwierige Thema sensibilisiert werden müssen. Wie weit ist man da mit der Arbeit?

Rörig: Das ist eine ganz wichtige Frage. Prävention, Schutz der Kinder vor sexualisierter Gewalt - das darf kein Sonderprojekt sein für Interessierte am Nachmittag, sondern das ist eine Daueraufgabe. Das ist eine Aufgabe, die im Schulalltag integriert werden muss. Die Schulleitungen müssen sich ganz offen dazu erklären, dass ihnen der Schutz der ihnen anvertrauten Schüler wirklich wichtig ist und sie müssen, wie das auch in vielen katholischen Schulen schon stattfindet, Präventionsworkshops durchführen - altersgerecht, dass die Kinder sensibilisiert werden. Was ich wichtig finde, die Lehrer müssen fortgebildet werden. Sie müssen ein Basiswissen zum Thema des sexuellen Missbrauchs haben, um gut auf Kinder reagieren zu können, die Missbrauch außerhalb der Einrichtung erleiden, beispielsweise in der Familie oder im familiären Umfeld und wir wissen, dass das natürlich die meisten Kinder sind.

domradio.de: Gibt es Bereiche, in denen noch etwas getan werden muss? Zum Beispiel beim Internet? Innenminister de Mazière hat jüngst härtere Gesetze gegen Kindesmissbrauch im Internet gefordert.

Rörig: Da bin ich sehr froh berichten zu können, dass die Bundesregierung hier an einem wichtigen Vorhaben zur Reform des Sexualstrafrechts arbeitet, auch als Folge des Edathy-Skandals. In der kommenden Woche wird sich das Bundeskabinett aller Voraussicht nach mit diesem Reformprojekt schon befassen und es werden viele Schutzlücken im Strafrecht geschlossen werden.

domradio.de: Zum Kindesschutzforum, das sie in Köln besuchen, kommen viele Experten, aber auch viele Betroffene zusammen. Was bringt Ihnen das selber als Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung?

Rörig: Das ist für mich enorm wichtig, deswegen bin ich sehr gerne nach Köln gekommen. Ein Austausch, eine Zusammenarbeit und auch gegenseitige Unterstützung in diesem sehr sehr schwierigen hochsensiblen Themenfeld ist ganz wichtig. Allein kann in dem Themenfeld des sexuellen Kindesmissbrauchs niemand etwas bewegen. Für mich als Beauftragten der Bundesregierung ist es so wichtig, mit den Fachkräften, die tagtäglich vor Ort mit den Fällen, mit den Betroffenen arbeiten, zu hören, wo der Schuh drückt und dann auch die Empfehlungen mit nach Berlin zu nehmen.

domradio.de: Was glauben Sie denn, wo drückt der Schuh am meisten?

Rörig: Das ist der Bereich der Beratung und der Unterstützung von Akut-Betroffenen und auch Erwachsenen-Betroffenen. Die spezialisierten Fachberatungsstellen leiden heute immer noch unter einer Unterfinanzierung, sie haben zu wenig Geld und auch zu wenig Personal. Sie leisten eine unwahrscheinlich wichtige Arbeit für Betroffene und da muss unbedingt eine finanzielle Verstärkung sichergestellt werden.

Das Interview führte Christian Schlegel


Johannes-Wilhelm Rörig (dpa)
Johannes-Wilhelm Rörig / ( dpa )
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DR