Europawahl

Rechte im Aufwind

Konservative knapp vor Sozialdemokraten und die extreme Rechte vielfach gestärkt: Nach der Europawahl in 28 Ländern bleibt das Rennen um den Brüsseler EU-Chefposten vorerst offen.

Marine Le Pen, Front National (dpa)
Marine Le Pen, Front National / ( dpa )

Bei den EU-Wahlen haben rechte Parteien in Frankreich, Großbritannien und Dänemark die größten Triumphe erzielt. In Frankreich holte der rechtsextreme Front National am Sonntag 25,4 Prozent der heimischen Stimmen, 19 Prozentpunkte mehr als 2009. Bei jungen Menschen unter 35 Jahren sammelte die Partei sogar rund 30 Prozent der Stimmen ein. "Das Volk hat sich für eine Politik der Unabhängigkeit entschieden, es will nicht von Technokraten regiert werden", unterstrich die Parteichefin Marine Le Pen nach Bekanntwerden vorläufiger Ergebnisse in einer Fernsehansprache.

Triumph für Rechte in Großbritannien

Einen Triumph konnte auch Nigel Farage verbuchen, der Vorsitzende der rechtspopulistischen britischen Protestpartei Ukip. Seine Partei, die für einen EU-Austritt Großbritanniens wirbt, ist mit voraussichtlich 29 Prozent der Stimmen ebenfalls heimischer Wahlgewinner. Vor laufenden Kameras wiederholte Farage nach dem Urnengang jene Positionen, die bei vielen Wählern offenbar Anklang gefunden hatten: Er wandte sich unter anderem gegen Armutszuwanderer aus östlichen EU-Ländern, Rettungsaktionen für EU-Schuldenstaaten und die nicht funktionierende EU-Außenpolitik.

Extreme im Norden und Süden Europas

Ein drittes EU-Land mit deutlichem Rechtsruck ist Dänemark, wo die rechtspopulistische Dänische Volkspartei 26,6 Prozent der Stimmen und damit den Wahlsieg holte. Auch die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) legte kräftig zu. Schlechter als erwartet schnitt hingegen der Niederländer Geert Wilders mit seiner Freiheitspartei ab. Er erreichte nach vorläufigen Ergebnissen 12,9 Prozent der niederländischen Wählerstimmen und wurde drittstärkste Kraft. Auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums legten die Extreme zu: So siegte in Griechenland die linksradikale Syriza mit 26,1 Prozent der Stimmen.

"Ernstnehmen, aber nicht dramatisieren"

Die Zugewinne für extreme und europakritische Parteien waren von vielen Beobachtern erwartet worden. Der amtierend EU-Parlamentspräsident Martin Schulz rief dazu auf, die Ergebnisse ernst zu nehmen, aber nicht zu sehr zu dramatisieren: "Diese Menschen sind keine harten Extremisten", sagte er etwa mit Blick auf die Wähler des Front National. "Sie sind enttäuscht, sie haben das Vertrauen und die Hoffnung verloren." Der christdemokratische Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker unterstrich in Brüssel: "Es trifft nicht zu, dass die Euroskeptiker die Wahlen gewonnen haben." Auch der liberale Spitzenkandidat Guy Verhofstadt verwies darauf, dass proeuropäische Parteien nach wie vor eine große Mehrheit bildeten.

An der europäischen Einigung festhalten

Der ehemalige EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering hat sich besorgt über den Wahlerfolg rechtspopulistischer Parteien bei der Europawahl geäußert. Die pro-europäischen Parteien müssten die Sorgen der Bürger ernst nehmen, die in solchen Stimmanteilen zum Ausdruck kämen, sagte der CDU-Politiker am Montag im WDR-Radio. An der Einigung Europa müsse festgehalten werden.

Pöttering riet aber auch zu Gelassenheit. Die pro-europäisch eingestellten bürgerlichen Parteien hätten überall eine große Mehrheit erhalten. Wo rechtspopulistische Parteien besonders gut abgeschnitten hätten, sei dies auch ein Ausdruck von Protest gegen die jeweilige nationale Regierung, beispielsweise in Frankreich.

Der Front National will nun versuchen, gemeinsam mit anderen ähnlich gesinnten Parteien eine Fraktion im Europaparlament zu bilden. In Frage kommen etwa die Wilders-Partei, die FPÖ, die italienische Lega Nord, die Schwedendemokraten und der belgische Vlaams Belang. Gemäßigtere Parteien des eurokritischen Spektrums, etwa die "Alternative für Deutschland" (AfD), lehnen eine Zusammenarbeit hingegen strikt ab.


Quelle:
epd