Grünen-Europapolitiker Giegold kritisiert SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück

Geruch der Käuflichkeit

Wenn der Grünenpolitiker Sven Giegold für Vorträge Honorare angeboten bekommt, spendet er das Geld an gemeinnützige Organisationen. "Dann gerät man auch nicht in den Geruch, sich dort kaufen zu lassen." Im domradio.de-Interview wirft er SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück eine zu große Nähe zu Finanzmarktlobbyisten vor.

 (DR)

domradio.de: Peer Steinbrück verteidigt sich, indem er sagt, auch wenn er Vorträge vor Banken und Wirtschaftsunternehmen hält, sei er trotzdem kein Knecht des Kapitals. Wie sehen Sie das?

Sven Giegold: Seine aktuellen Vorschläge zeigen ja, dass er nicht einfach nachplappert, was die Banken sagen. Was mich allerdings wirklich stört, ist, dass er nicht versteht, dass diese vielen Vorträge von den meisten Menschen zu Recht als Demokratiegefahr gesehen werden. Denn es gibt keine entsprechenden Veranstaltungsreihen, wie man die Finanzmärkte reguliert. Es gibt aber zuhauf diese Veranstaltungen der Finanzindustrie, bei denen er aufgetreten ist und die sind Teil des Problems des Finanzmarktlobbyismus.



domradio.de: Ist grundsätzlich etwas gegen seine Vorträge einzuwenden?

Giegold: Grundsätzlich ist gegen diese Vorträge gar nichts einzuwenden. Einzelner solcher Vorträge gehören natürlich auch zur Tätigkeit des Abgeordneten, zu Wirtschaftsverbänden zu gehen. Fragwürdiger ist, dass man in so einem großen Maße dort Nebeneinkünfte erzielt. Wenn ich da eingeladen werde, bitte ich die Veranstalter das Geld an eine gemeinnützige Organisation zu spenden. Dann gerät man auch nicht in den Geruch, sich dort kaufen zu lassen.



domradio.de: Steinbrück will  jetzt sämtliche Nebeneinkünfte offen legen. Das ist aber nur eine freiwillige Maßnahme. Gibt es eine Chance, dass so eine Transparenzklausel  für die Nebeneinkünfte aller Abgeordneten gesetzlich eingeführt würde?

Giegold: Das gibt es natürlich. Das haben wir Grünen auch mehrfach im Bundestag beantragt, auch die SPD hat dem schließlich zugestimmt. Allerdings ist das immer gescheitert an CDU und FDP. Deshalb ist deren Kritik auch völlig scheinheilig. Gleichzeitig reicht das natürlich nicht. Der  Finanzmarktlobbyismus ist aus meiner Sicht eine Bedrohung für die Demokratie und wir brauchen dort viel weitergehende Maßnahmen. In den USA gibt es zum Beispiel ein verbindliches Register aller Lobbyisten, wo man erfährt, für welche Ziele mit wieviel Geld sich welche Organisationen, welches Unternehmen einsetzt und gleichzeitig wird in jedem Gesetzentwurf abgedruckt, wer angehört wurde. Solche weitgehenden Maßnahmen wurden leider auch von der SPD genauso wie von Schwarz-Gelb in der Vergangenheit abgelehnt.



domradio.de: Haben Sie den Eindruck, dass die Nähe zu Banken und Konzernen Steinbrücks Politik beeinflusst?

Giegold: Wir haben unsere Erfahrung mit Herrn Steinbrück als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen und ich kann nur sagen, die Nähe zu den Energiekonzernen und genauso auch zu einigen Finanzunternehmen war damals ein großes Problem. Ich hoffe, dass er daraus gelernt hat. Mich macht allerdings stutzig,  dass er nicht versteht, dass diese Kritik an den Vorträgen eine demokratische Kritik ist und nicht eine, wo es darum geht, ob er persönlich mit seiner Frau seine Steuererklärung offenlegt oder nicht, sondern dass Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, dass diejenigen, die ihn dort bezahlt haben, zu viel Einfluss auf die Politik haben und dass deshalb Vorschläge notwendig sind, um deren Macht zu begrenzen. Das fehlt auch zum Beispiel in seinem Bankenpapier völlig, dort gibt es nicht die Frage der Demokratie und das ist eigentlich mein Hauptproblem mit dem Umgang mit diesen Vorträgen.



domradio.de: Steinbrück hat sich die Regulierung der Banken auf die Fahnen geschrieben. Kann man das, wenn man sich von ihnen für Vorträge bezahlen lässt?

Giegold: Nein, solche Unterstellung würde ich gar nicht machen. Ich glaube, dass sein Papier zeigt, dass er sich eine gewisse Unabhängigkeit inzwischen erarbeitet hat. Während der Finanzkrise hat er den Banken sehr viel Geld zukommen lassen. Die Rettung der Dresdner Bank in Deutschland und deren Einverleibung in die Commerzbank hat der Allianz viele Milliarden Euro an Verlusten gespart, das muss man ihm auch vorwerfen. Aber ich würde ihm gar nicht Abrede stellen, dass er daraus nicht gelernt hat, aber was er nicht verstanden hat, ist, dass die Macht der Banken und der Finanzunternehmen zu den Gründen gehört, warum wir immer noch keine Finanzmarktregulierung haben, die effektiv ist. Ich vermisse von ihm umfassende Vorschläge, nicht nur jetzt seine persönlichen Vorträge und ähnliche Veranstaltungen offenzulegen, sondern wie man die Macht der Wirtschaft auf die Politik begrenzt. Das beginnt mit Parteispenden und geht weiter über weitergehende Veröffentlichungspflichten und finanzielle Förderungen von solchen Akteuren wie Finance Watch oder Verbraucherschützern, um ein Gegengewicht zu schaffen.



Das Interview führte Aurelia Plieschke (domradio.de)