Kardinal Meisner geißelt Sterbehilfe-Entwurf

"Tiefpunkt der Politik"

Der vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf für ein Sterbehilfegesetz ist aus Sicht von Kardinal Joachim Meisner ein schwerer Angriff gegen die Menschenwürde. Im Interview mit der "Bild"-Zeitung kritisiert der Kölner Erzbischof außerdem erneut den Ökumene-Appell prominenter Persönlichkeiten.

Joachim Kardinal Meisner (DR)
Joachim Kardinal Meisner / ( DR )

Es sei ein "großer Irrtum", zu glauben, zur Überwindung der Kirchentrennung brauche es nur noch einen beherzten Ruck der Kirchen aufeinander zu, sagte der Kölner Erzbischof in einem Gespräch mit der "Bild"-Zeitung (Montag). Zur Ökumene gehöre zudem nicht nur die evangelische Kirche, sondern auch die Orthodoxen und die Freikirchen. Der Aufruf "Ökumene jetzt" erwecke den falschen Eindruck, Entscheidungen der katholischen Weltkirche zur Ökumene könnten in Deutschland fallen. Meisner räumte zugleich ein, theologisch seien die Kirchen in der Ökumene "nie weiter als heute" gewesen.



Katholiken und Protestanten aus Politik und Gesellschaft hatten den Aufruf "Ökumene jetzt - ein Gott, ein Glaube, eine Kirche" am vergangenen Mittwoch in Berlin veröffentlicht. 500 Jahre nach der Reformation und 50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) sei es an der Zeit, die Kirchenspaltung zu überwinden, heißt es darin. Unter den Unterzeichnern sind Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse und Altbundespräsident Richard von Weizsäcker. Vertreter der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatten mit Skepsis reagiert und die fortbestehenden theologischen Unterschiede zwischen den Konfessionen betont.



Kritik am Sterbehilfe-Entwurf

Der aktuelle Entwurf für ein Sterbehilfegesetz sei der "Tiefpunkt einer Entwicklung, die in den letzten Jahren wie eine Wanderdüne einen Angriff nach dem anderen auf die Würde und Unantastbarkeit des menschlichen Lebens geführt hat", erklärte der Kölner Erzbischof in dem Interview weiter. Er erinnerte an die Tötung ungeborenen Lebens durch Abtreibung und das Aussortieren von Embryos nach der Präimplantationsdiagnostik.



Der Staat müsse nicht nur die gewerbliche sonder jede Form der Sterbehilfe verbieten, forderte der Kardinal. "Denn sie bedeutet die bewusste und willentliche Tötung eines lebenden, wenn auch kranken Menschen." Aufgabe von Christen ist es nach seinen Worten, Angst und Leid zu beseitigen, "aber doch nicht den Leidenden". Die medizinischen Möglichkeiten seien heute sehr groß und müssten ausgeschöpft werden, selbst wenn durch starke Medikamente die Lebenszeit verkürzt werden sollte. In Richtung Union sagte Meisner:  "Wer sich christlich nennt, geht damit eine Verpflichtung ein." Maßstab dafür sei das Handeln Jesu, der sich an die Seite der Leidenden gestellt habe.



Am 29. August hatte das Kabinett einen Gesetzentwurf beschlossen, wonach gewerbliche Sterbehilfe verboten ist. Die Begleitung von Sterbenden zum Sterbehelfer soll dagegen nicht belangt werden. Weiterhin erlaubt sein soll die Suizidbeihilfe aus altruistischen Motiven etwa durch nahe Angehörige von Schwerstkranken oder andere ihnen nahestehende Personen. Kritik kam unter anderen von der katholischen Kirche. Kardinal Meisner betonte in der "Bild" erneut, das Gesetz leiste Missbrauch unter dem Deckmantel des Mitleids Vorschub. Er kündigte weiteren Widerstand der Bischöfe an, falls das Gesetz vom Bundestag verabschiedet wird.