Die Abtei Münsterschwarzach hat die Energiewende vollbracht

Die Bundesregierung in den Schatten gestellt

Landläufig wird die katholische Kirche schnell als rückständig bezeichnet: eine Institution, die eher in Jahrhunderten als in Jahren denkt. Ganz anders als die Politik. Doch die Benediktiner im unterfränkischen Münsterschwarzach stellen die Bundesregierung derzeit in den Schatten.

Autor/in:
Christian Wölfel
 (DR)

Gut zehn Jahre hat die Energiewende gedauert; die Bundesregierung peilt das Jahr 2050 an. Die Benediktiner haben unterdessen schon neue Ziele: den sorgsameren Umgang mit Wasser und Lebensmitteln.



"Die spinnen"

"Die spinnen." Dieses Wort haben Anfang des Jahrtausends der damalige Abt in Münsterschwarzach, Fidelis Ruppert, und andere Vorkämpfer für die benediktinische Energiewende, etwa Pater Anselm Grün, gehört. Auch der jetzige Abt Michael Reepen hört es nun wieder - auch von Mitbrüdern, wie er sagt: "Geht nicht, alles nur Schmu!" Komplette Umstellungen sind auch für dem Gehorsam verpflichtete Mönche eine Herausforderung, die vieler Überzeugungsarbeit bedarf.



Eine beheizte Fläche von etwa 50.000 Quadratmetern und täglich 1.300 Menschen auf dem Gelände verursachten Ende der 90er Jahre einen Heizbedarf von etwa 650.000 Liter Öl und einen Stromverbrauch von rund einer Million Kilowattstunden jährlich. Unter der Leitung von Prior Christoph Gerhard, einem studierten Elektrotechniker, sollte sich das komplett ändern. Eine eigene Wasserkraftanlage, Photovoltaik-Zellen und Sonnenkollektoren, eine Holzhackschnitzelheizung, ein Biogas-Blockheizkraftwerk und die Beteiligung an einem Windpark halfen mit.



90 Prozent der Energie aus regenerativen Quellen

Energieeffizienz und Dämmung von Gebäuden senkten zudem den Heizenergiebedarf um etwa 20 Prozent. Im neuen Abteibrief am Montagabend nun die Bilanz: Mehr als 90 Prozent der Energie kommt aus regenerativen Quellen; der Ausstoß von Kohlendioxid wurde "auf unter Null" reduziert. Zwar brauchen die Mönche noch für Spitzenlasten sowie fürs Autofahren Öl. Doch weit mehr als die Hälfte des eigenen Öko-Stroms brauchen sie nicht selbst und verkaufen ihn.



"Wir sind keine Öko-Spinner", sagt Abt Reepen. Denn der Wandel bei Energie, Wasser und Lebensmittel kommt nicht aus einem Zeitgeist heraus, sondern aus der eigenen Tradition. Den sorgfältigen Umgang mit allen Dingen des Alltags, sie "wie heilige Altargefäße" zu behandeln, fordert der Ordensgründer Benedikt von Nursia (um 480-547) in seinen Regeln für die Mönche. Dies sei etwa beim Wasser nicht immer der Fall, gesteht Reepen ein. "Wir gehen damit sehr großzügig um." Ein eigener Tiefbrunnen versorgt die Abtei. Ohne jeglichen Zusatz wird es getrunken. Ein Experte habe gesagt, es sei "besser als jeder Sprudel aus der Flasche".



Das rechte Maß finden

Bis zum Herbst sollen alle Betriebe und die Schule ihren bisherigen Umgang mit Lebensmitteln und dem Wasser erfassen. Denn der Abt hat bisher nur eine grobe Einschätzung: Die Klostergärtnerei sei schon sehr weit; bei der Tierhaltung sei es dagegen noch ein "kräftiger Weg". Es gehe jedoch nicht darum, eine "Zertifizierung nach allem möglichen" zu erreichen, sondern das rechte Maß zu finden, so Reepen. Auch so eine Regel des heiligen Benedikt.



Dazu gehöre auch der sensible Umgang bei der Wende. Wenn sich etwa durch eine regionalere und saisonale Küche der vertraute Geschmack bei der Mittagstafel der Mitbrüder ändere, sei auch innerhalb des Konvents "ein großer Prozess der Bewusstseinsbildung nötig". Doch der reicht schnell über die Klostermauern hinaus, wie die Energiewende zeigt. Denn längst ist aus der Abtei Münsterschwarzach eine Pilgerstätte geworden: Kaum ein Tag vergeht, an dem sich nicht Bürgermeister oder Gruppen den Wandel anschauen und erklären lassen wollen, wie Reepen stolz berichtet. Angela Merkel war freilich noch nicht da.