Gegen Rechtsextremismus mit Karneval und Musik

"Der Karneval muss noch politischer werden"

Ein Lied gegen Rechtsextremismus wird zu einem der Hits im Karneval. "Su läuf dat he" heißt es. Wird der Karneval jetzt politisch? Im Interview sprechen die kölschen Urgesteine Arno Steffen und Tommy Engel über das Lied und politischen Einsatz.

So farbenfroh sind die Düsseldorfer Jecken  / © Federico Gambarini (dpa)
So farbenfroh sind die Düsseldorfer Jecken / © Federico Gambarini ( dpa )

DOMRADIO.DE: Ganz viele Stars des Kölschen Karnevals singen und spielen auf dem Lied "Su läuf dat he". Aber der Hintergrund ist ein ganz ernster. Die Idee entstand im Mai 2019. Was ist damals passiert?

Arno Steffen (Musiker und Gründungsmitglied der AG Arsch Huh): Ich bin da quasi mit der Nase draufgestoßen worden. Mich rief ein Freund an und sagte, hier passieren gerade Sachen, die kannst du dir nicht vorstellen: Da stehen Leute auf der Domplatte, brüllen sich an und dazu laufen kölsche Lieder.

Da bin ich sofort hingefahren und es war wirklich so. Die Polizei hatte eine kleine Hassgasse - so nenne ich es mal - freigelassen, wo die Touristen mit Rollkoffern durchkonnten und ganz verschreckt guckten. Das kann doch nicht sein, dachte ich mir. Und dann wurden auch noch kölsche Lieder aufgelegt, zum Beispiel "Echte Fründe" oder "Drink doch eine met". Da kommt es dir dann kalt hoch.

DOMRADIO.DE: Mit anderen Worten: Unsere Lieder, kölsches Brauchtum wurde für rechte politische Zwecke missbraucht. Und das wolltest du nicht auf dir sitzen lassen...

Steffen: Das wollten wir alle nicht auf uns sitzen lassen. Wir haben dann diskutiert und dann hat Hannes Schöner von den Höhnern gesagt, wenn einer ein Lied machen will, bin ich dabei. Und so haben wir angefangen.

DOMRADIO.DE: Entstanden ist ein Lied aus markanten kölschen Sehnsuchtsätzen, könnte man sagen. Ein Lied, das zusammengesetzt ist aus klassischen Stellen und kölschen Liedern.

Tommy Engel (Musiker und Gründungsmitglied der Bläck Fööss): Jeder Satz, der in dem Song vorkommt, steht für irgendetwas. Oder besser gesagt, nicht für irgendetwas, sondern für die Stadt, für unser Leben hier in der Stadt und für den Zusammenhalt. Auf keinen Fall für rechte Nationalisten, die das, was ich glaube, spüre und fühle kaputt machen wollen. Das lassen wir einfach nicht zu. Dafür stehen wir seit es "Arsch huh!" gibt. Und dafür sind wir auch immer auf die Bühne gegangen und haben dafür gekämpft.

Hier ist wieder ein Punkt erreicht, wo wir kämpfen müssen. Ganz klarer Fall, das lassen wir auch nicht auf uns sitzen. Die Initialzündung von Arno finde ich sehr gut. Es ist eine tolle Sache, dass sich Hannes und Arno hingesetzt und diesen Text geschrieben haben. Der Text musste geschrieben werden, denn es war Zeit. Wir müssen etwas tun. Und das ist hier sehr deutlich zu spüren.

Ich freue mich, dass es jetzt auch bei "Loss mer singe" so gut ankommt. Denn es ist ein politisches Lied, das gegen Songs antreten muss, die nicht so politisch und mehr auf den Karneval ausgerichtet sind. Und wenn wir da einen guten Platz erreichen, finde ich, das ist ein sehr gutes Signal. Das spricht für die Leute, die da votieren und sich die Songs anhören.

DOMRADIO.DE: Es steht gerade unter den ersten drei Liedern bei "Loss mer singe". Ich habe mit Georg Hinz, dem Gründer und Erfinder von "Loss mer singe" telefoniert, und er sagt: "Genau richtig, dass gerade in diesen Zeiten so ein Lied kommt. Es geht gar nicht, dass unsere Lieder in einem anderen Geist gesungen werden." Habt ihr mit dem Erfolg gerechnet?

Steffen: Damit habe ich nicht gerechnet. Tommy hat ja mal einen Hit mit "Du bes Kölle" gehabt. Aber wenn ich mal eine Nummer dabei hatte, dann ist die entweder vorletzte oder letzte geworden. Ich habe mir da also nicht viel versprochen. Aber dann habe ich doch gemerkt, dass die Nummer eine Eigendynamik bekommt. Dass darüber gesprochen wird und dass mich viele Leute darauf ansprechen. Und da ist es jetzt genau richtig. Ich finde gut, dass der Karneval politischer wird. Der Karneval muss noch politischer werden.

Das Interview führte Tommy Millhome.


DOMRADIO.DE-Moderator Tommy Millhome, Arno Steffen und Tommy Engel / © Matthias Milleker (DR)
DOMRADIO.DE-Moderator Tommy Millhome, Arno Steffen und Tommy Engel / © Matthias Milleker ( DR )
Quelle:
DR
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