Kölner Dombaumeister über Bauarbeiten am Dom

"Kein heute lebender Mensch wird den Dom jemals ohne Gerüste sehen"

Der Kölner Dom ohne Gerüste und Bauarbeiten - (fast) undenkbar. Nun wurde wieder ein kleines Gerüst vor dem Petersportal aufgestellt. Der Kölner Dombaumeister Peter Füssenich erklärt bei domradio.de, warum dies notwendig ist.

Dombaumeister Peter Füssenich auf einem Gerüst am Kölner Dom  / © Harald Oppitz (KNA)
Dombaumeister Peter Füssenich auf einem Gerüst am Kölner Dom / © Harald Oppitz ( KNA )

domradio.de: Gerüste bleiben ja auch durchaus mal Jahrzehnte am Dom. Dieses neu aufgestellte aber nicht. Wozu steht es vor dem Petersportal?

Peter Füssenich (Kölner Dombaumeister): Heutzutage wäre der Dom ohne Gerüste gar nicht mehr vorstellbar. Meine Vorgängerin hat es einmal so formuliert: "Der Dom ohne Gerüste, das ist eine Horrorvorstellung. Denn das bedeutet, dass er nicht erhalten würde. Und so kann sich jeder über die Gerüste freuen, die am Kölner Dom hängen. An jedem Gerüst ist Potential. Das ist eine Baustelle, an der wir als Dombauhütte arbeiten. Viele Touristen beschweren sich allerdings und fragen, wann sie endlich den Dom ohne Gerüste sehen könne.

Leider muss ich sagen, dass keiner der heute lebenden Menschen den Dom jemals ohne Gerüste sehen wird. Wir bauen manche Gerüste schneller, und manche langsamer wieder ab. Das Gerüst, um das sich die Frage dreht, wird gerade am Petersportal aufgebaut. Das ist das einzige mittelalterliche Portal von den neun, die wir haben. Hier laufen derzeit die Aufbaumaßnahmen. Das wird bis zu einer Höhe von 22 Metern errichtet, also über den Wimperg (in der Architektur der Gotik eine giebelartige Bekrönung über Portalen und Fenstern, Anm. d. Red.), das sind die Spitzen, wo auch die Engelfiguren draufstehen. Die Figuren, die sich jetzt im Petersportal befinden, sind nicht mehr die Originale, sondern sie wurden unter Dombaumeister Arnold Wolff aus Gründen des Erhalts abgenommen. Sie wurden demnach durch Kopien ersetzt. Allerdings gibt es derzeit eine Möglichkeit, diese originalen Figuren aus dem Mittelalter wieder zu sehen. Das Museum Kolumba hat sich in seiner Jahresausstellung dem Individuum gewidmet. All diese Figuren sind sehr individuell und sie werden im Museum so präsentiert, dass sie wieder zum Sprechen kommen.

domradio.de: Hinter dem Projekt stehen Studierende der Uni Bamberg, die das Petersportal vermessen. Was machen sie mit den Erkenntnissen? 

Füssenich: Damit schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits planen wir die Restaurierungsmaßnahmen, andererseits wird Anfang April eine Gruppe von Professoren und Studierenden der Universität Bamberg zum Kölner Dom kommen und diese mittelalterlichen Formensprachen des Portals erforschen. Früher hatten die Menschen im Mittelalter eine ganz andere Sehgewohnheit, wenn sie sich einer Kathedrale näherten. Figuren erzählten biblische Geschichten. Man nennt die Portale auch deshalb "biblia pauperum", also "die Bibel für die Armen", für Menschen, die des Lesens nicht fähig waren.

So konnten diese Portale in ihrer großen Formensprache auch die biblischen Geschichten und Weltdeutungen erzählen. Deshalb war die Betrachtungsweise auf die Portale eine völlig andere, als wir sie heute wahrnehmen. Diese ursprünglichen Fassungen werden genauer in den Blick genommen und mit anderen europäischen Kathedralen verglichen. Dieses Forschungsprojekt bezieht sich nicht nur auf den Kölner Dom, sondern auch auf Paris und andere große europäische Kathedralen aus dem Mittelalter. 

domradio.de: Kann man das nicht mit einem Fotoapparat genauso gut ergründen, als wenn man mit einem Gerüst hoch klettert?

Füssenich: Nein, das kann man nicht. Uns geht es auch um die Details. Wenn wir Gerüste aufbauen, sehen wir Dinge, die die Menschen, die am und für den Dom gearbeitet haben, in der Vergangenheit hinterlassen haben. Seit 160 Jahren und länger ist niemand mehr dort gewesen. Wenn wir diesen Detailreichtum entdecken, freuen wir uns immer über die Leistung der Vorgänger und schätzen, was diese gemacht haben. Man muss dabei sagen, dass der Dom für das Auge Gottes gebaut worden ist; manches sieht man von unten tatsächlich nicht.

domradio.de: Kann man an den Gewändern oder an den Händen der Figuren erkennen, wer der Bildhauer und der Urheber dieser Figur ist? 

Füssenich: Vom Mittelalter wissen wir nicht mehr viel. Das Archiv ist verlorengegangen, ich glaube nicht, dass etwas dokumentiert worden wäre. Damals gingen Bildhauer und Steinmetze ineinander über. Heute kann man klar sagen, dass die meisten Figuren am Kölner Dom in den Portalen im 19. Jahrhundert entstanden. Damals gab es zwei große Bildhauer-Werkstätten von Christian Moor und Peter Fuchs. Aufgrund ihrer Formensprache kann man das sehr genau zuordnen.

Das Gespräch führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR