Mailänder Erzbischof über Teilnahme an Kölner Domwallfahrt

Heilige Drei Könige als Modell für die großen Migrationsbewegungen

1164 kamen die Reliquien der Heiligen Drei Könige als Kriegsbeute von Mailand nach Köln. Nun wird der Erzbischof von Mailand, Kardinal Angelo Scola, als Botschafter von Papst Franziskus an der Domwallfahrt teilnehmen.

Kardinal Angelo Scola (KNA)
Kardinal Angelo Scola / ( KNA )

Brenna: Eminenz, Sie werden Päpstlicher Legat bei dieser Initiative sein, die Mailand und Köln miteinander in Verbindung bringt. Wie blicken Sie dieser wichtigen Aufgabe entgegen?

Scola: Vor allem mit großen Dankbarkeit gegenüber dem Heiligen Vater, der mich als Sondergesandten zu dieser wichtigen 850-Jahr-Feier der Überführung der Reliquien der Heiligen Drei Könige von Mailand nach Köln schickt. Es ist ein sehr wichtiges Ereignis, wie es der neue Erzbischof, Kardinal Woelki, unterstrichen hat – genau so wie schon sein Vorgänger, Kardinal Meisner, es getan hatte. So schreibt es der Heilige Vater in seinem Brief vom 6. August an mich. Beide wollten, dass die Beziehungen zu Mailand weiter gestärkt werden, weil wir es ja waren, die in Mailand in der Kirche St. Eustorgius die Gebeine der Heiligen Drei Könige aufbewahrt hatten, bevor sie dann nach Köln gebracht wurden. Der Heilige Vater hat mich ernannt, weil ich nun einmal der Erzbischof von Mailand bin. Diese Geste, die wir am 27. und 28. dieses Monats vollziehen werden, hat eine tiefe Bedeutung, sowohl aus kirchlicher als auch aus weltlicher Sicht.

Brenna: Auf diese Weise entsteht also eine Brücke zwischen Mailand und Köln. Hat nicht auch das eine tiefe Bedeutung aus der Perspektive eines Europas, das keine Grenzen mehr hat?

Scola: Natürlich! Zunächst einmal hat es eine kirchliche Bedeutung. Es geht ja um die Gemeinschaft der Ortskirchen untereinander. Denn wir müssen vielmehr aufeinander hören und über unsere Erfahrungen der Evangelisation nachdenken, um zu einer Einfachheit des Zeugnisses und der christlichen Verkündigung zurückzufinden, wie es der Papst uns vorlebt. Also gibt es einen kirchlichen Aspekt von großer Wichtigkeit. Aber es gibt auch einen weltlichen Aspekt, weil das, was man Europa-Müdigkeit nennt, sieht man auch in der großen Schwierigkeit, eine Europäische Union zu bilden, die wirklich imstande ist, die Vielfalt in der Einheit abzubilden. Das wiederum ist eine unabdingbare Voraussetzung für ein gutes Leben. Nur wenn Europa dahin zurückfindet, kann es eine geopolitische Rolle wiederfinden in diesem Moment großer Umbrüche und Zerrissenheit. Wir erleben ein müdes Europa sowohl auf der institutionellen Ebene als auch in seinen Reaktionen auf die Gewalt und Kriege unserer Tage. Außerdem fordert die Überwindung der Krise die Bürger Europas im Norden und im Süden auf ganz unterschiedliche Weise heraus. Weiter ist da die Rolle Europas im Mittelmeerraum zu nennen, wo es aufrichtig bemüht ist, Hunger und Armut zu bekämpfen. Es gibt so viele Herausforderungen, die anstehen. Angesichts all dessen kann dieses ganz besondere Ereignis, das wir da in Köln feiern werden, stimulierend wirken auf das Europa, das erst noch entstehen muss.

Brenna: Um zum Abschluss zu kommen: Im Zentrum der Feierlichkeiten stehen natürlich die Reliquien der Heiligen Drei Könige. Aber haben denn die Könige den Europäern heute und in Zukunft überhaupt noch etwas zu sagen?

Scola: Ich würde sagen, sogar auf ganz besondere Weise! Diese drei Weisen, die aus dem Morgenland kommen, um das Kind anzubeten, können nicht anders verstanden werden als ein Modell für die großen Migrationsbewegungen, die Europa im Moment erlebt; Migrationsbewegungen, die eine Interreligiosität und eine Interkulturalität, mit der wir uns als Christen befassen müssen und die wir in Einklang bringen müssen mit unseren pluralen Gesellschaften in Europa. Aus dieser Perspektive sind die Heiligen Drei Könige für mich ein eindringlicher Appell an die Gläubigen. Die Gläubigen in Europa müssen wieder beginnen, Christus voller Überzeugung zu suchen und nicht dem Trend zu folgen, das christliche Leben auf ein Minimum zu reduzieren. Die Heiligen Drei Könige sind auch ein Sinnbild für Christen, die in dem Kind denjenigen erkennen, der von Gott in die Welt gesandt worden ist, um allen Menschen Wohlergehen und Heil zu bringen. Darin liegt für mich eine große Aktualität. Und es ist bedeutungsvoll, dass der Kölner Dom noch immer das Ziel vieler Pilger nicht nur aus Deutschland ist. Die Menschen mit ihren leidgeprüften und oft schwierigen Lebenswegen können sich identifizieren mit den Heiligen Drei Königen, die von so weit her gekommen sind. Die Heiligen Drei Könige sind ein Sinnbild dafür, dass Leben ein Pilgerweg ist. Die Menschen erkennen in den Weisen und ihren Gaben einen energischen Aufruf, sich zu bekehren, was wiederum eine Rückwirkung auf die ganze Kirche, aber auch auf die Gesellschaft hat.

Das Interview führte Fabio Brenna (Radio Marconi) im Auftrag von domradio.de. Übersetzung: Hilde Regeniter und Jan Hendrik Stens


Quelle:
DR