Baustart für Jüdische Akademie

Erstmals nach der Schoah

Rund 76 Jahre nach Kriegsende hat am Donnerstag in Frankfurt der Bau einer bundesweit einzigartigen Jüdischen Akademie begonnen. Das Projekt soll Ende 2023 fertig gestellt sein.

Autor/in:
Norbert Demuth
Spatenstich zum Baubeginn der Jüdischen Akademie mit Josef Schuster und Volker Bouffier / © Boris Roessler (dpa)
Spatenstich zum Baubeginn der Jüdischen Akademie mit Josef Schuster und Volker Bouffier / © Boris Roessler ( dpa )

Ein Jahr später soll die Akademie dann ihren Betrieb aufnehmen.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, setzte zusammen mit Vertretern von Bund, Land und Stadt den ersten Spatenstich für das Projekt. Die Kosten sind mit 34,5 Millionen Euro veranschlagt, die gemeinsam vom Bund, dem Land Hessen, der Stadt Frankfurt und dem Zentralrat als Bauherrn getragen werden.

Jüdische Akademie soll den interreligiösen Dialog befördern

"Wir wollen einen modernen Ort jüdischen Denkens schaffen", sagte Schuster. Die Jüdische Akademie solle "ein Fenster aufstoßen" und den religiösen sowie den interreligiösen Dialog befördern. "Den Blick der Mehrheitsgesellschaft wollen wir bereichern um die jüdische Perspektive", so der Präsident. Die Einrichtung ist nach Angaben des Zentralrats die erste überregionale jüdische Institution dieser Art, die nach der Schoah errichtet wird. Von der ersten Idee für das Projekt bis zum jetzigen Spatenstich seien gut acht Jahre vergangen, sagte Schuster.

In Vertretung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte Innenstaatssekretär Markus Kerber, an diesem Ort wolle man die Neugier wachhalten. Denn ohne Neugier gebe es keine Fortschritte, weder im persönlichen Leben noch im Leben der Gesellschaft. Die Jüdische Akademie solle ein offenes Haus für eine offene Gesellschaft werden, so Kerber. Insofern solle das Gebäude auch zu einem Zeitzeugen werden, dessen Ziel es sei, den Dialog aktiv zu fördern.

In Deutschland sei rechte Gewalt zusammen mit immer offenerer Aggression gegen jüdische Mitbürger auf dem Vormarsch, mahnte der Staatssekretär. "Das ist beschämend und inakzeptabel, weil dies in unserem Land keinen Platz hat und haben wird." Mit Blick auf das große Polizeiaufgebot an der Senckenberganlage - dem Ort der künftigen Akademie - sagte Kerber: "Erst wenn nicht eine halbe Hundertschaft der Polizei uns alle schützen muss, wird wieder Normalität eingekehrt sein."

Festakt mit Gästen aus Politik, Wissenschaft und Kultur

Zu dem Festakt in einem Zelt hatten sich auf der künftigen Baustelle fast 100 Gäste aus Politik, Wissenschaft und Kultur eingefunden. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sprach wie zuvor Schuster von einem "Tag der Freude". Bouffier: "Wir setzen heute einen Kontrapunkt gegen vieles von dem, was in unserem Land schiefläuft". Die Jüdische Akademie sei ein Kontrapunkt gegen Gleichgültigkeit, gegen Antisemitismus, Aggression, Rassismus, Hass und Hetze. Ziel - so Bouffier - müsse sein, dass Juden wieder "ohne Angst in unserem Land leben können".

Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) sagte, die Jüdische Akademie stehe in der Tradition des in den 1920er Jahren gegründeten Freien Jüdischen Lehrhauses, das in Frankfurt von dem Historiker und jüdischen Philosophen Franz Rosenzweig (1886-1929) geleitet wurde.

Die jetzt geplante Akademie wurde vom Frankfurter Architekten Zvonko Turkali entworfen. Sie soll aus einem Neubau und einer denkmalgeschützten Bestandsvilla entstehen, wobei das Ensemble im Erdgeschoss miteinander verbunden sein soll. Schuster sprach von einer städtebaulichen "1-A-Lage" der künftigen Akademie. Frankfurt am Main kam laut Schuster nicht wegen seiner zentralen Lage in Deutschland als Ort ins Spiel, "sondern weil es die jüdischste Stadt Deutschlands ist".

 

Quelle:
KNA
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