Appell zu Kippa-Tragen ist auch Protest gegen Al Quds-Marsch

Alle sollen Kippa tragen

Eine Zeitung hatte die Kopfbedeckung sogar zum Basteln aus Papier angeboten: Für Samstag wird dazu aufgerufen, eine Kippa zu tragen – aus Solidarität mit Juden. Anlass ist auch eine höchst umstrittene Demo in Berlin.

Männer mit Kippa / © Markus Nowak (KNA)
Männer mit Kippa / © Markus Nowak ( KNA )

In Berlin richtet sich an diesem Samstag das Augenmerk auf zwei Veranstaltungen, die schon im Vorfeld viele Reaktionen hervorgerufen haben – von scharfer Kritik bis hin zu dringlichen Aufrufen. Die Rede ist von dem Al Quds-Marsch auf der einen und dem Appell zum Tragen einer Kippa als Solidaritätszeichen an Juden auf der anderen Seite. Letzteres ist auch als Protest gegen den umstrittenen Marsch gedacht, den der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) gerne verbieten würde.

Denn Kritiker dieser jährlich in Berlin stattfindenden Demonstration prangern Antisemitismus an: Im Iran ist der Al Quds-Tag ein Feiertag und wird für anti-israelische Demonstrationen genutzt. Al Quds ist der arabische Name für Jerusalem. Heftiger Protest gegen den Marsch kommt etwa von Vertretern des Judentums – und zieht sich durch verschiedene politische Lager.

Eine Demo gegen Israel als jüdischen Staat

"Das Ziel des Qudstag-Marsches ist weiterhin die Abschaffung und Vernichtung Israels in seiner jetzigen Verfassung als jüdischer Staat", betont die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (Rias). Die Veranstaltung biete Teilnehmern Anlass, sich antisemitisch zu positionieren.

Rias listet etwa Fahnen und T-Shirts mit Symbolen der Hisbollah auf, die bis vor einigen Jahren auf dem Kurfürstendamm zu sehen gewesen seien. Das sei zwar mittlerweile untersagt – es gebe jedoch Verstöße. Zudem seien Fälle der Bedrohung von Gegendemonstranten bekannt. 2018 beteiligten sich den Angaben zufolge rund 1.200 Menschen am Marsch.

Zentralrat gegen Demo

Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland kritisiert den für Samstag geplanten Al-Quds-Marsch. Bei dieser "islamistischen Propagandaveranstaltung gegen Israel" werde für eine Eroberung Jerusalems und die Vernichtung Israels demonstriert. Das iranische Mullah-Regime werde gepriesen. 

Al Quds ist der arabische Name für Jerusalem. Im Iran ist der Al-Quds-Tag ein Feiertag und wird traditionell für anti-israelische Demonstrationen genutzt.

Versammlungsrecht gilt für alle

In Deutschland gelten derweil strenge Auflagen für die Demonstration. "Wir geben den Ku'damm ja nicht freiwillig frei", sagte der Berliner Innensenator der "Jüdischen Allgemeinen" (Mittwoch). "Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind Grundrechte in unserem Land." Deshalb schütze das Versammlungsrecht auch die, "die für uns nur schwer erträgliche Ansichten vertreten und auf die Straßen tragen".

Ein mögliches Verbot des Marsches sei geprüft worden – "denn auch wir vermuten, dass deren Teilnehmer damit das Existenzrecht Israels infrage stellen wollen". Dies werde seit Jahren nicht ausgesprochen, und deswegen gebe es für ein Verbot nicht genügend Anhaltspunkte, so Geisel.

Protest mit religiöser Kopfbedeckung

Als Form des Protestes ist der Aufruf des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, gedacht. "Ich rufe alle Bürgerinnen und Bürger in Berlin und überall in Deutschland auf, am kommenden Samstag, wenn in Berlin beim Al Quds-Tag wieder in unerträglicher Weise gegen Israel und gegen Juden gehetzt wird, Kippa zu tragen", hatte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe gesagt. Damit engagiere man sich auch für "uneingeschränkte Religionsfreiheit".

Ein paar Tage zuvor hatte er Schlagzeilen gemacht, weil er vor dem Tragen der traditionellen jüdischen Kopfbedeckung in Teilen der deutschen Öffentlichkeit gewarnt hatte. Die gemischten Reaktionen kamen selbst aus Israel. "Meine Aussage, ich könnte Juden nicht mehr jederzeit und an jedem Ort das Tragen der Kippa in Deutschland empfehlen, ist als Weckruf zu verstehen", präzisierte Klein.

Denn vor Antisemitismus dürfe man nicht zurückweichen – zuvor hatte Israels Präsident Reuven Rivlin die Warnung als "Kapitulation vor dem Antisemitismus" kritisiert. Den Appell zum solidarischen Kippa-Tragen begrüßte nun auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster – um Antisemitismus zu bekämpfen, reichten solche Solidaritätsaktionen jedoch nicht aus.

Warnung ist nicht neu

Schuster hatte bereits vor Jahren davor gewarnt, die Kippa in bestimmten Großstadtvierteln zu tragen. Dies löste Erstaunen und Entsetzen aus. Schuster kommentierte dies seinerzeit in der "Jüdischen Allgemeinen" so: "Offenbar hatte bis zu meiner Bemerkung, die ich selbst eher banal fand, kaum jemand in der Mehrheitsgesellschaft den alltäglichen Antisemitismus wahrgenommen, dem viele Juden ausgesetzt sind."

Kleins Appell ist nicht der erste seiner Art: So trugen bereits im April 2018 nach Polizeiangaben rund 2.000 Berliner Kippa. Ein Anlass war der Angriff eines Arabisch sprechenden Mannes auf zwei Kippa tragende Israelis in der Hauptstadt. Für die Aktion an diesem Samstag hatte kürzlich die "Bild"-Zeitung eine Bastelanleitung für eine Papier-Kippa angeboten.

Bundespräsident Steinmeier telefonierte mit Klein

In der Debatte um das öffentliche Tragen der jüdischen Kippa in Deutschland hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dazu aufgerufen, Antisemitismus in all seinen Formen zu bekämpfen. Dies sei Bürgerpflicht, sagte Steinmeier laut Bundespräsidialamt am Freitag in einem Telefonat mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster. "Wir können es nicht hinnehmen, wenn sich Juden nicht trauen, auf unseren Straßen Kippa zu tragen."

Es sei eine herausragende Aufgabe des Staates, Juden zu schützen und einzuschreiten, wo es notwendig sei, sagte Steinmeier weiter. Dies gelte "auch und gerade bei Demonstrationen und öffentlichen Veranstaltungen". Antisemitismus sei immer ein Angriff auf die Demokratie und offene Gesellschaft, warnte der Bundespräsident. Dem müsse sich eine aktive Zivilgesellschaft Tag für Tag entgegenstellen.

"Nur wenn Juden in Deutschland vollkommen zu Hause sind, ist diese Republik vollkommen bei sich."

Von Storch für Verbot von Al-Quds-Demonstration 

Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch fordert ein Verbot des für Samstag in Berlin geplanten Al-Quds-Marsches und der Hisbollah-Organisation. Was man von den Al-Quds-Demonstrationen kenne, sei nichts anderes als die Verbreitung von Hass und eine Plattform für Antisemitismus, sagte sie am Freitag im Deutschlandfunk. Außerdem erklärte die Antisemitismus-Beauftragte der AfD, es gebe zu viel Unterstützung aus Deutschland für Nichtregierungsorganisationen, die zum Boykott gegen Israel aufriefen oder Kinder und Jugendliche in der Region zum Judenhass anstachelten.

Auf die Frage nach Antisemitismus in ihrer Partei entgegnete von Storch, Judenfeindlichkeit gehe in Europa in erster Linie von Muslimen und Linksextremisten aus. Wenn es antisemitische Äußerungen in der AfD gebe, folgten immer "Parteiausschlussverfahren und Ordnungsmaßnahmen", so die Politikerin. Dass der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff mit der AfD nichts zu tun haben wolle und Politiker wie von Storch als "Heuchler" bezeichne, sei eine "Politisierung", die am Kern des Problems vorbeigehe.

 

 Zahlreiche Menschen nehmen an einer anti-israelischen Demonstration anlässlich des sogenannten Al-Kuds-Tage teil, einige tragen eine übergroße Flagge Palästinas (Archiv) / © Jörg Carstensen (dpa)
Zahlreiche Menschen nehmen an einer anti-israelischen Demonstration anlässlich des sogenannten Al-Kuds-Tage teil, einige tragen eine übergroße Flagge Palästinas (Archiv) / © Jörg Carstensen ( dpa )

 

Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung: Felix Klein / © Rene Bertrand (dpa)
Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung: Felix Klein / © Rene Bertrand ( dpa )

 

Frank-Walter Steinmeier / © Soeren Stache (dpa)
Frank-Walter Steinmeier / © Soeren Stache ( dpa )
Quelle:
epd , KNA
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