Muslime und Juden kritisieren Sarrazins Verbleib in der SPD

"Die SPD drückt sich"

Mit dem Verbleib von Sarrazin in der SPD sind Muslime und Juden nicht einverstanden. "Die SPD drückt sich um eine klare, schonungslose Auseinandersetzung mit Thilo Sarrazin und seinen destruktiven Thesen", kritisierte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek.

 (DR)

Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwochsausgabe), der Verzicht auf einen Ausschluss Thilo Sarrazins sei "kein glorreicher Tag in der Geschichte der SPD" gewesen.



Mazyek: Das geht nicht mit den Werten einer demokratischen Gesellschaft zusammen

Mazyek, gegenwärtig auch Sprecher des Koordinationsrats der vier großen Dachverbände der Muslime, sagte, für die Muslime in Deutschland sei die Entscheidung kein ermutigendes Signal. Wenn einer- und eine wachsende Schar mit ihm - auf Teufel komm raus auf Minderheiten draufhaue und sie pauschal als minderwertig und Sündenböcke beschreibe, "dann muss es doch möglich sein zu sagen, dass so was nicht mit den Werten einer demokratischen und weltoffenen Gesellschaft zusammengeht". Im Sinne "ureigener Werte der Sozialdemokratie" sei es notwendig, solchen Leuten "die Rote Karte zu zeigen", forderte Mazyek.



Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Kramer, sagte, aufzugeben, bevor man begonnen habe für eine Sache zu kämpfen, gehöre nicht zur Tradition der Partei. "Es wäre richtig und besser gewesen, für einen Ausschluss Sarrazins zu kämpfen, auch auf das Risiko einer Niederlage hin", kritisierte Kramer, der SPD-Mitglied ist. Er wolle in der Partei bleiben, allein um sie nicht den Sarrazins und dessen Sympathisanten zu überlassen, betonte er.



Kramer: SPD historisch auch die Partei von Juden in Deutschland

"Die SPD war historisch auch immer die Partei von Juden in Deutschland und sie sollen auch zukünftig hier eine politische Heimat haben", so Kramer. Der frühere Bundesbankvorstand Sarrazin habe mit seinen rassistischen Thesen keinen Platz in der SPD. Das gelte es nun durch die politische Auseinandersetzung in der Partei klar zu machen.



Der Verzicht auf den Parteiausschluss war innerhalb der SPD und vor allem bei den Grünen auf heftige Kritik gestoßen. Mehrere SPD-Organisationen hatten in der vergangenen Woche nach Verhandlungen einer Schiedskommission ihre Ausschlussanträge gegen Sarrazin zurückgezogen. Vorausgegangen war eine Erklärung des früheren Politikers und Bundesbankers, wonach er keine sozialdemokratischen Grundsätze verletzen oder Migranten diskriminieren wollte. Hintergrund sind Thesen Sarrazins zur Integration in seinem Buch "Deutschland schafft sich ab". Niedersachsens SPD-Landeschef Olaf Lies sagte am Mittwoch, das Ende des Verfahrens sei schwer zu vermitteln. Dagegen verteidigten der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi und der konservative Seeheimer Kreis in der SPD die Einigung mit Sarrazin. --
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SPD-Landespolitiker fordert freiwilligen Rücktritt Sarrazins

Lies sagte, Sarrazin solle Größe zeigen, die SPD vor Schaden bewahren und freiwillig austreten. "Wäre ich in seiner Situation, würde ich jetzt Verantwortung übernehmen und die Partei schützen und sie deshalb verlassen", sagte der niedersächsische Landespolitiker. Dennoch sei das Ende des Ausschlussverfahrens richtig gewesen. Eine monatelange Diskussion über einen Ausschluss hätte Sarrazin viel zu viel Öffentlichkeit gegeben und der Partei sowie dem Thema Integration geschadet. Lies räumte ein: "Es wird nicht einfach sein, den Menschen zu erklären, dass wir eine solche Entscheidung treffen mussten, obwohl wir uns mit dem Bauch nicht wohl dabei fühlen." Er habe Verständnis für jeden, der diese Entscheidung nicht auf Anhieb nachvollziehen kann. --
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Dohnanyi sagte, die Einigung mit Sarrazin sei nicht vorher abgesprochen gewesen. Sarrazin hatte Dohnanyi als Verteidiger vor der SPD-Schiedskommission engagiert. Dohnanyi räumte ein, Sarrazins Buch sei kompliziert und nicht immer transparent. Sarrazin sei vielfach missverstanden worden. Er hoffe, dass der frühere Berliner Finanzsenator künftig selbst Missverständnisse verhindern helfe. Der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs sagte: "Ich kann die Entscheidung nachvollziehen. Es bringt nichts, weiter darüber zu streiten." --
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Sarrazin als Spalterthema --
SPD-Präsidiumsmitglied Joachim Poß sagte, die SPD stehe im Fall Sarrazin vor einem schwierigen Balanceakt. Es handele sich um ein "absolutes Spalterthema". Die Frage sei, ob sich der umstrittene Ex-Senator des "Vernunftversuchs" als würdig erweise, den die SPD-Schiedskommission angeboten habe. "Nach meiner Erfahrung wird es Sarrazin der Partei nicht leichter machen", sagte Poß. --
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