Bischof Bode über den Evangelischen Kirchentag in Bremen

"Uns verbindet mehr als uns trennt"

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr eröffnete der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode den 97. Deutschen Katholikentag. Der morgen beginnende 32. Deutsche Evangelische Kirchentag in Bremen ist für Bode ebenfalls quasi ein Heimspiel, denn die Hansestadt gehört größtenteils zum Bistum Osnabrück. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur spricht der Bischof über den Trialog von Juden, Christen und Muslimen, ökumenische Irritationen und die Heilig-Land-Reise des Papstes.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
 (DR)

KNA: Herr Bischof Bode, wie ist das Verhältnis von Katholiken und Protestanten in Bremen?
Bode: Sehr positiv. Ich denke, die beiden Kirchen brauchen einander und wissen, was sie aneinander haben - auch, weil Bremen keinen konfessionellen Religionsunterricht hat. Wir haben starke katholische Schulen. Es gibt lebhafte ökumenische Aktivitäten. Wir sind sehr gut mit dem Schriftführer der Bremischen evangelischen Kirche, Pastor Renke Brahms, verbunden, und auch im Leitungsteam des Kirchentages ist die katholische Kirche vertreten.

KNA: Alles beherrschendes Thema des Jahres 2009 ist die Finanz- und Wirtschaftskrise. Welche Botschaft kann da von einem Kirchentag ausgehen?
Bode: Dass die christliche Soziallehre einen ausgesprochen wichtigen Stellenwert hat. Die Kirchen müssen sich gegen die Überherrschaft des Marktes und eine immer weiter sich öffnende Schere zwischen Arm und Reich wenden. Eine Sozialkultur im Kleinen ist gefragt, wo menschliche Werte eingeübt werden. Es geht nicht darum, alles vom Staat zu erwarten oder sich ins Private zurückzuziehen, sondern den Zwischenbereich zu gestalten. Da haben wir als Kirchen einen hohen Auftrag. Natürlich müssen wir in unseren eigenen Gemeinden, Institutionen und Einrichtungen die Dinge positiv vorleben. Wir sind ja selbst Unternehmer. Fragen nach Ethik und Sozialverhalten können wir nur glaubwürdig vertreten, wenn wir es selbst praktizieren.

KNA: Das Leitwort des Kirchentags "Mensch, wo bist Du?" klingt fast wie eine Fortführung des Katholikentagsmottos "Du führst uns hinaus ins Weite".
Bode (schmunzelnd): Ja, ich hoffe, dass der Mensch sich durch die Führung ins Weite nicht so weit von Gott entfernt hat, dass er ihn rufen muss: "Mensch, wo bist du geblieben?". Im Ernst: Hier geht es ja um die erste Frage Gottes an die Menschen im Alten Testament.
Adam und Eva haben sich versteckt, weil sie ihre gottgegebene Freiheit missbraucht haben. Es ist eine sehr positive Aussage, dass Gott den Menschen sucht, auch wenn er in Schuld gerät. Diese Fragestellung ist ausgezeichnet, weil sie den Menschen zu einer Klarstellung herausfordert, wo er im Zusammenspiel mit Gott und den Mitmenschen steht. Außerdem ist die Frageform der heutigen Situation angemessen, wo manches mehr Frage als Antwort ist.

KNA: Kirchentagspräsidentin Karin von Welck hofft auf einen Trialog zwischen Juden, Christen und Muslimen. Welche Erfahrungen haben Sie in diesem Bereich?
Bode: Wir haben im Bistum Osnabrück einen Arbeitskreis der Religionen mit einem ganz guten Miteinander von Juden, Muslimen und Christen. Von der theologischen Substanz her ist es aber sehr schwierig, denn unser Dialog mit den Juden darf nicht einfach eingeebnet werden in ein allgemeines Gespräch der Religionen. Doch wenn das Verhältnis bilateral geklärt ist, muss es unser Ziel sein, dass wir in einen Trialog der monotheistischen Religionen eintreten.
Denn wir haben gemeinsam eine Botschaft gegenüber der Welt, dass es einen Gott gibt, vor dem wir uns verantworten und auf den wir zugehen. Das ist in der heutigen Situation von Atheismus und diffuser Religiosität eine wichtige Botschaft von Juden, Christen und Muslimen.

KNA: Was halten Sie von der Einschätzung, im Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten herrsche derzeit eine "ökumenische Eiszeit"?
Bode: Diese Einschätzung teile ich nicht. Ich sehe vielmehr, dass vieles im Miteinander selbstverständlich geworden und daher nicht mehr spektakulär ist. Die Ökumene des Lebens funktioniert recht gut.
Aber wir sind inzwischen an Substanzfragen um die Identität der Kirchen gekommen. Es besteht die Tendenz, Identitäten und Profile zu wahren. Eine solche "Ökumene der Profile" macht bewusst, dass man nur aus einer Identität heraus auf den anderen zugehen kann.
Andererseits darf sie nicht zu einer Abgrenzung führen, sondern vielmehr zu einer "geistlichen Fundamentalökumene", wo die uns verbindenden Dinge deutlicher herausgestellt werden. Wir müssen in spirituellen und ethischen Fragen wieder gemeinsam an einem Strick ziehen.

KNA: Was hat die Diskussion um die "Ökumene der Profile" gebracht?
Bode: Wir sind uns unserer Fundamente bewusster geworden. Das wird sicher auch der Kirchentag in Bremen zeigen und auch der 2.
Ökumenische Kirchentag (ÖKT) 2010 in München. Ich finde es gut, dass im Rahmen der Dekade zum Gedenken an die Reformation auch 2015 das 50-jährige Jubiläum des Zweiten Vatikanischen Konzils begangen wird, wo die ökumenische Öffnung begründet worden ist. So kann sich dieser Weg in den nächsten Jahren gegenseitig befruchten und ergänzen.

KNA: Wie sehr belasten die Irritationen um die Pius-Bruderschaft die ökumenischen Beziehungen?
Bode: Auch innerhalb der katholischen Kirche gab es Irritationen um die Pius-Bruderschaft - etwa, ob es einen Rückschritt gibt gegenüber dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Ich halte diese Sorge trotz der Irritationen für unbegründet. Doch wir müssen nicht nur in der Ökumene, sondern auch der Gesellschaft gegenüber aufpassen, dass wir durch die inneren Auseinandersetzungen der letzten Monate nicht an Glaubwürdigkeit verlieren. Ich habe aber den Eindruck, dass die Klarstellungen der Bischöfe und des Papstes und jetzt seine Israelreise sehr überzeugen und eine Bewegung nach vorne ausgelöst haben.

KNA: Der Kirchentag ist die letzte Wegmarkierung vor dem 2. ÖKT.
Welches Signal wünschen Sie sich von Bremen 2009?
Bode: Der Bremer Kirchentag muss deutlich machen, dass uns mehr verbindet als trennt, dass wir gemeinsam gerufen sind: "Mensch, wo bist Du?". Und dass wir in einer geistlichen Ökumene und Ökumene des Lebens verbunden sind. Damit bereiten wir das Thema von München "Damit ihr Hoffnung habt" gut vor. Dann wird Bremen ein Schritt der Hoffnung auf den 2. ÖKT hin sein.