Westfälische Kölner Erzbischöfe und Karneval

Zwei Mentalitäten

Kardinal Meisner war 2011 mit dem Kölner Dreigestirn beim Papst. Kirchenhistoriker Hermann-Josef Scheidgen nahm das zum Anlass, die Haltung der westfälischen Kölner Erzbischöfe zum Karneval zu untersuchen. Und stieß auf ein Mentalitätsproblem.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Landläufig wird der Rheinländer als frohsinnig, redselig und unzuverlässig beschrieben, der Westfale hingegen als eher bodenständig, treu und verschlossen bis stur. Dieser Übertreibung wird man einen wahren Kern nicht absprechen können. Von den elf Erzbischöfen, die das Erzbistum seit seiner Neugründung 1821 regierten, waren fünf Westfalen. Sie entsprachen - bei aller individuellen Verschiedenheit - durchaus dem skizzierten Klischee.

Der erste, Ferdinand August Graf von Spiegel (1825-1835), gehörte dem aufgeklärten Katholizismus an. Er war ein exzellenter Organisator, jedoch von verschlossenem Wesen. Zu seinen wenigen überlieferten öffentlichen Äußerungen gehört, dass er 1830 das Verbot der Zeitschrift der Kölner Karnevalsgesellschaft durch die preußischen Behörden begrüßte: "Der hiesige Karneval oder doch die Lustigmacher und genussgierigen Menschen scheinen die Karnevalszeitung ungern zu entbehren, und es werden Versuche gemacht, das ehrenschänderische Blatt wieder ins Leben zu rufen."

Spiegels Nachfolger, Clemens August Droste zu Vischering (1836-1842/45), sorgte mit seiner unbeugsamen Sturheit nicht nur für eine handfeste Krise zwischen preußischem Staat und katholischer Kirche, die 1837/38 als "Kölner Ereignis" in die Geschichte einging: Der Erzbischof wurde wegen Insubordination festgenommen und in der Festung Minden inhaftiert. Die "Kölner Wirren" gefährdeten vor 175 Jahren auch den Rosenmontagszug 1838. Durfte man Brauchtum feiern, wenn der eigene Hirte von der Obrigkeit festgesetzt war? Eine feierfreudige Minderheit im Kölner Rat setzte sich durch. Man zog also - allerdings ohne politische Anspielungen.

"Nachtkultur war aber immer das Zeichen sterbender Völker"

Auch unter dem Erzbischof im Kulturkampf, Paulus Melchers (1866-1885), sind warnende Töne aus dem Generalvikariat zu hören; es könne sich beim Treiben an Aschermittwoch um eine Travestie kirchlicher Zeremonien handeln. In den 80er Jahren häuften sich Klagen über Sittenwidrigkeiten. Die Kirche sei zwar keine Feindin der Fröhlichkeit, sondern eher eine des Trübsinns und des finsteren Ernstes, hieß es; die Freude müsse aber "im Herren" sein. In diesen Jahren, so Scheidgen, verlegte sich der Karneval der Katholiken zunehmend in die Pfarreien und katholischen Vereine.

Unter Felix von Hartmann (1912-1919) und Karl Josef Schulte (1919-1941) empfahl die Kirchenleitung statt buntem Treiben die Teilnahme an Einkehrtagen. Schulte plädierte gar für eine Abschaffung des Karnevals. Feiern sei nur sinnvoll, wenn ihm ein strenges Fasten folge; die Ehe werde gefährdet, und der Karneval sei so kostspielig, dass ihn sich viele gar nicht leisten könnten. Die Kölner Kirchenzeitung schimpfte 1925: "Nachtkultur war aber immer das Zeichen sterbender Völker, ... keine jugendfrische Freude mehr. Sie brauchen das Berauschende und Aufreizende, ... wie der Morphinist sein Gift braucht, um arbeitsfähig zu bleiben"

Schulte soll allerdings als Bonner Verbindungsstudent selbst kein Kind von Traurigkeit gewesen sein. Wegen eines Wirtshausbesuches wurde er des Priesterkonviktes Albertinum verwiesen. Als Schulte nun 1919 als neuer Erzbischof zurückkehrte, soll ein Domkapitular geulkt haben: "Der Stein, den die Bauleute verwarfen, ist zum Eckstein geworden."

Hinweis: H.-J. Scheidgen: Die nachnapoleonischen westfälischen Erzbischöfe von Köln und der rheinische Karneval, in: Kirche und Gesellschaft im Wandel der Zeiten. Festschrift G. Adrianyi, Verlag Traugott Bautz, Nordhausen 2012, S. 347-370.


Quelle:
KNA