Brief an Mitarbeiter im Erzbistum Köln

Kardinal Meisner ruft zu Tapferkeit auf

Kardinal Meisner ruft die Priester und Laienmitarbeiter im Erzbistum Köln zu "Tapferkeit im Umgang mit öffentlicher Häme" auf. In einem Brief spricht der Kölner Erzbischof von einer "Katholikenphobie" in der Gesellschaft.

 (DR)

Wie der "Kölner Stadt-Anzeiger" am Freitag (08.02.2013) berichtet, reagiert Meisner auf die Diskussionen über die Zurückweisung eines Vergewaltigungsopfers an zwei katholischen Kölner Kliniken sowie den Bruch zwischen katholischer Bischofskonferenz und dem Kriminologen Christian Pfeiffer, der Zweifel am Willen zur Aufklärung des Missbrauchsskandals genährt hatte.

Meisner schreibt mit Blick auf Kliniken- und Missbrauchsskandal, die Kirche von Köln habe "in der öffentlichen Wahrnehmung einen Sturm erlebt, wie ich ihn in meinen Jahren als Bischof selten erlebt habe". Den tiefer liegenden Grund dafür sieht der Kardinal darin, dass "die Entschiedenheit der katholischen Positionen zum Lebensschutz, zu Ehe und Familie" sowie der "deutlichen Repräsentanz" durch Papst und Bischöfe immer stärker polarisierten.

Erst vor wenigen Tagen hatte der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, ein eine künstlich erzeugte Wut gegen die katholische Kirche beklagt, "die gelegentlich schon heute an eine Pogromstimmung erinnert".

Glück: aggressiv-antikirchliche Stimmungen

Während sich der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, kritisch zu Müller vor allem wegen dessen Wortwahl äußerte, zeigt er für Meisner Verständnis. Der Kölner Erzbischof argumentiere differenzierter als Müller. "Immerhin hatte der Kardinal den Mut, in einer Druck-Situation Bewegung etwa in die Debatte über die 'Pille danach' zu bringen", sagte Glück dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Das war überraschend und verdient Anerkennung."

Meisner hatte als Reaktion auf die Abweisung des Vergewaltigungsopfers in Kölner Krankenhäusern vor wenigen Tagen erklärt, dass eine "Pille danach" auch aus katholischer Sicht zu akzeptieren sei, wenn sie keine abtreibende Wirkung für eine bereits befruchtete Eizelle habe. Glück sagte der Zeitung, in der Tat gebe es "aggressiv-antikirchliche Stimmungen". Sie seien zum Teil Folge schlechter Erfahrungen mit der Kirche. Zum Teil seien sie aber auch Ausdruck einer Entfremdung gegenüber der Dimension des Religiösen überhaupt.

Hingegen hält der Freiburger Sozialwissenschaftler und Theologe Michael N. Ebertz die Klage über Gehässigkeit gegenüber der Kirche für einen Ausdruck mangelnder Selbstkritik. "Moralische Arroganz und Überheblichkeit in der Kirche fallen jetzt nur auf sie selbst zurück", sagte Ebertz dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Wenn die Kirche gerade in moralischen Fragen versage, sei es "kein Wunder, dass die Menschen hämisch reagieren".

Bolz: Medien fahren massive Kampagne gegen Kirche

Der Berliner Medienwissenschaftler Norbert Bolz wirft den Medien eine massive Kampagne gegen die katholische Kirche vor.  Die Einschätzungen der Erzbischöfe Gerhard Ludwig Müller und Joachim Meisner halte er zwar für übertrieben, sagte er am Freitag in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur. Die Medien nutzten aber jede Gelegenheit, Fehler der Kirche zu skandalisieren. "Dabei ist viel Heuchelei und Häme im Spiel."

Nach Einschätzung von Bolz stehen sich Medien und katholische Kirche schon lange sehr grundsätzlich gegenüber. "Journalisten definieren sich als Aufklärer. Und die katholische Kirche gilt schon seit dem 18. Jahrhundert als die gegenaufklärerische Macht schlechthin." Immer, wenn sich die Kirche gegen den Mainstream stelle und auf unzeitgemäßen Forderungen beharre, werde dieser Affekt wieder mobilisiert. "Es gibt in den vergangenen Monaten zwei Gruppen, die zum Abschuss freigegeben sind: die katholische Kirche und die FDP. Da fallen mittlerweile alle Tabus."

Bolz empfahl den katholischen Bischöfen, Mut zu unzeitgemäßen Positionen zu haben und auch bereit zu sein, dafür Prügel einzustecken. Allerdings müsse die Kirche ihre Darstellung in der Öffentlichkeit überdenken. "Die Kirche muss sich durch Persönlichkeiten darstellen, die Profil, Mut und Kampfkraft zeigen.  Und die jenseits dogmatischer Starrheit erklären können, worum es eigentlich geht", sagte er. Der evangelischen Kirche hielt der Medienwissenschaftler vor, schon seit Jahren eine bedingungslose Anpassungsstrategie an den Zeitgeist zu verfolgen und im Windschatten der öffentlichen Meinung zu segeln. "Dabei verliert sie aber jedes Profil."


Quelle:
epd , KNA , DR