Mehr als 320.000 Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen sind Muslime. Die Landesregierung zählt ihre schulische religiöse Bildung zum Auftrag der öffentlichen Schulen. Das Land bietet ihnen deshalb einen religionskundlichen Islamunterricht (Islamkunde) an. Die Islamkunde, früher islamische Unterweisung, wird in zwei Formen erteilt: als Teil des in Nordrhein-Westfalen staatlichen herkunftssprachlichen Unterrichts und als eigenständiges Unterrichtsfach in deutscher Sprache im Rahmen eines zeitlich nicht befristeten Schulversuchs.
Der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland und der Zentralrat der Muslime in Deutschland hatten seit 1998 auf Einführung eines allgemeinen islamischen Religionsunterrichts an Schulen in NRW geklagt. Dazu müssen sie vom Staat als Religionsgemeinschaft anerkannt sein. Wegen der fehlenden Anerkennung hat das Land 2012 einen provisorischen Islamunterricht eingeführt, an dem derzeit etwa 20.000 Schüler teilnehmen.
Mit dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster vom 9.11.2017, dass der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland und Zentralrat der Muslime in Deutschland nicht als Religionsgemeinschaften anzusehen sind, haben die Verbände auch keinen Anspruch auf die Einführung eines allgemeinen islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen nach ihren Grundsätzen. Eine Revision ließ das Gericht nicht zu. Dagegen können die Kläger nach den Angaben eine Nichtzulassungsbeschwerde erheben, über die das Bundesverwaltungsgericht (BverwG) in Leipzig entscheiden müsste.
Ausschlaggebend für die Entscheidung war nach Angaben des Vorsitzenden Richters insbesondere, dass in beiden Dachverbänden laut deren Satzung eine reale Durchsetzung von religiösen Lehrautoritäten bis in die untersten Ebenen der Mitgliedsverbände und Moscheegemeinden hinein nicht gegeben sei. Hinzu komme, dass der Zentralrat nicht als zuständig angesehen werde, identitätsstiftende Aufgaben wahrzunehmen. Beide Kriterien waren zuvor vom Bundesverwaltungsgericht als notwendig für eine Anerkennung als Religionsgemeinschaften formuliert worden.
Form und Inhalt bestimmt ein Beirat, in denen verschiedene Islamverbände und das Schulministerium Vertreter entsenden. Das Gremium erteilt auch die Lehrerlaubnis für die Pädagogen. Die Übergangslösung gilt bis 2019. Im Prozess machten Vertreter des NRW-Schulministeriums deutlich, dass das Land darüber hinaus an einem Religionsunterricht für die rund 400.000 muslimischen Schüler in NRW Interesse habe und diesen sicherstellen werde.
(KNA, 9.11.2017)
10.11.2017
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland und der Islamrat kritisieren das Urteil des Oberlandesgerichts Münster, sie nicht als offizielle Religionsgemeinschaften anzuerkennen. NRW setzt weiter auf ein Beiratsmodell für den Islamunterricht.
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster zum islamischen Religionsunterricht kritisiert. Dadurch werde "dem unbestrittenen Bedarf der muslimischen Kinder in den Schulen in Nordrhein-Westfalen keine sichere Zukunftsperspektive" geboten, hieß es am Freitag in einer Stellungnahme. Es sei abermals eine wichtige Chance vertan worden, ein sicheres und verfassungsrechtlich stabiles Modell zu schaffen.
Provisorischer Islamunterricht
Das Gericht hatte am Donnerstag in einem Revisionsverfahren entschieden, dass sowohl der Zentralrat der Muslime als auch der ebenfalls betroffene Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland weiterhin nicht als Religionsgemeinschaft anzusehen sind. Danach hätten sie keinen Anspruch auf die Einführung eines allgemeinen islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen nach ihren Grundsätzen, hieß es.
Die beiden Verbände hatten auf Einführung eines allgemeinen islamischen Religionsunterrichts an Schulen in NRW geklagt. Dazu müssen sie vom Staat als Religionsgemeinschaft anerkannt sein. Wegen der fehlenden Anerkennung hat das Land 2012 einen provisorischen Islamunterricht eingeführt, an dem derzeit etwa 20.000 Schüler teilnehmen. Der laufende Modellversuch ist bis 2019 befristet.
Beiratsmodell soll Vielfalt des Islam abbilden
Von einem Religionsunterricht im Sinne des Grundgesetzes unterscheidet sich der Unterricht dadurch, dass nicht eine Religionsgemeinschaft seine Lehrinhalte bestimmt, sondern ein achtköpfiger Beirat. Das Gremium besteht zur Hälfte aus Vertretern, die das Schulministerium des Landes im Einvernehmen mit den islamischen Organisationen bestimmt.
NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) begrüßte das Urteil, es schaffe in einer wichtigen Frage Klarheit. NRW werde islamischen Religionsunterricht auch nach 2019 weiter anbieten. Die Landesregierung wolle die bisherige konstruktive Zusammenarbeit mit den Islamverbänden im Beirat fortführen, zu denen auch Islamrat und Zentralrat der Muslime gehören, betonte Gebauer. Um den Islam "noch mehr in seiner Vielfalt abzubilden", solle das Beiratsmodell weiterentwickelt werden.
Islamverbände: Kritik des Gerichts "nicht nachvollziehbar"
"Das Ziel ist und bleibt ein flächendeckender, einheitlicher islamischer Religionsunterricht in NRW, der unter staatlicher Aufsicht von in Deutschland ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern in deutscher Sprache durchgeführt wird", sagte die Ministerin. Nach Ministeriumsangaben nehmen landesweit 19.400 muslimische Jungen und Mädchen an rund 230 Schulen am islamischen Religionsunterricht teil.
Der Islamrat erklärte, das Beiratsmodell stehe verfassungsrechtlich "auf sehr dünnem Eis". Das Gericht habe zudem die Chance verpasst, "die Institutionalisierung der islamischen Religionsgemeinschaften zu beschleunigen". Der Zentralrat der Muslime erklärte, die Kritik des Gerichts an fehlenden Verwaltungsstrukturen in den Islamverbänden sei nicht nachvollziehbar. Offenbar werde eine "Verkirchlichung" der Verbände erwartet.
Eine Sprecherin ließ offen, ob sich der Zentralrat weiterhin am Beiratsmodell für den Islamunterricht beteiligt.
Zweifel an Lehrautorität der islamischen Gemeinschaft
Die Münsteraner Richter bezweifeln, dass die beiden klagenden Dachverbände über genügend Lehrautorität gegenüber ihren Mitgliedsverbänden verfügen. Diese religiöse Autorität müsse in der gesamten Gemeinschaft bis hinunter zu den Moscheegemeinden reale Geltung haben. Diese Voraussetzung seien bei beiden Islamverbänden nicht gegeben.
Eine Revision gegen das Urteil ließ das Gericht nicht zu. Die Kläger können vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.
Der Grünen-Politiker Volker Beck begrüßte die Entscheidung der Münsteraner Richter, "dass die islamischen Verbände religiöse Vereine, aber keine Religionsgemeinschaften sind". Auch die stellvertretende Vorsitzende der Linken-Fraktion, Sevim Dagdelen, wertete das Urteil positiv. Es verhindere, "dass staatliche Stellen im Ausland noch mehr Einfluss in deutschen Klassenzimmern bekommen".
Mehr als 320.000 Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen sind Muslime. Die Landesregierung zählt ihre schulische religiöse Bildung zum Auftrag der öffentlichen Schulen. Das Land bietet ihnen deshalb einen religionskundlichen Islamunterricht (Islamkunde) an. Die Islamkunde, früher islamische Unterweisung, wird in zwei Formen erteilt: als Teil des in Nordrhein-Westfalen staatlichen herkunftssprachlichen Unterrichts und als eigenständiges Unterrichtsfach in deutscher Sprache im Rahmen eines zeitlich nicht befristeten Schulversuchs.
Der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland und der Zentralrat der Muslime in Deutschland hatten seit 1998 auf Einführung eines allgemeinen islamischen Religionsunterrichts an Schulen in NRW geklagt. Dazu müssen sie vom Staat als Religionsgemeinschaft anerkannt sein. Wegen der fehlenden Anerkennung hat das Land 2012 einen provisorischen Islamunterricht eingeführt, an dem derzeit etwa 20.000 Schüler teilnehmen.
Mit dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster vom 9.11.2017, dass der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland und Zentralrat der Muslime in Deutschland nicht als Religionsgemeinschaften anzusehen sind, haben die Verbände auch keinen Anspruch auf die Einführung eines allgemeinen islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen nach ihren Grundsätzen. Eine Revision ließ das Gericht nicht zu. Dagegen können die Kläger nach den Angaben eine Nichtzulassungsbeschwerde erheben, über die das Bundesverwaltungsgericht (BverwG) in Leipzig entscheiden müsste.
Ausschlaggebend für die Entscheidung war nach Angaben des Vorsitzenden Richters insbesondere, dass in beiden Dachverbänden laut deren Satzung eine reale Durchsetzung von religiösen Lehrautoritäten bis in die untersten Ebenen der Mitgliedsverbände und Moscheegemeinden hinein nicht gegeben sei. Hinzu komme, dass der Zentralrat nicht als zuständig angesehen werde, identitätsstiftende Aufgaben wahrzunehmen. Beide Kriterien waren zuvor vom Bundesverwaltungsgericht als notwendig für eine Anerkennung als Religionsgemeinschaften formuliert worden.
Form und Inhalt bestimmt ein Beirat, in denen verschiedene Islamverbände und das Schulministerium Vertreter entsenden. Das Gremium erteilt auch die Lehrerlaubnis für die Pädagogen. Die Übergangslösung gilt bis 2019. Im Prozess machten Vertreter des NRW-Schulministeriums deutlich, dass das Land darüber hinaus an einem Religionsunterricht für die rund 400.000 muslimischen Schüler in NRW Interesse habe und diesen sicherstellen werde.
(KNA, 9.11.2017)