Wissenschaftler Ourghi: Nur ein reformierter Islam gehört zu Deutschland

Ein Martin Luther des Islam?

Der Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi schlug am Samstag 40 Thesen zur Reform des Islam an die Tür einer als salafistisch geltenden Moschee.

Junge Muslime bei Veranstaltung mit Salafistenprediger Pierre Vogel (Archiv 2013) / © Thomas Lohnes (epd)
Junge Muslime bei Veranstaltung mit Salafistenprediger Pierre Vogel (Archiv 2013) / © Thomas Lohnes ( epd )

Im Jahr des 500. Reformationsjubiläums hat der Freiburger Islamwissenschaftler und Religionspädagoge Abdel-Hakim Ourghi in Berlin 40 Thesen zur Reform des Islam an eine Moscheetür geschlagen.

Es brauche ehrliche Debatte über den Koran

Ourghi heftete am Samstagmorgen seine Thesen zu einem humanistischen, friedfertigen Islam an die Tür der vom Verfassungsschutz beobachteten Dar-Assalam-Moschee ("Neuköllner Begegnungsstätte").

Ourghi, Mitbegründer der liberalen Berliner Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, hatte am Freitagabend sein Buch "Reform des Islam. 40 Thesen" vorgestellt.

Dabei betonte er: "Nur ein reformierter Islam gehört zu Deutschland." Es brauche eine ehrliche Debatte über aus dem Koran begründete Gewalt, die Unterdrückung von Frauen oder die Ausgrenzung und Verfolgung Andersdenkender im Namen der Religion: "Wir müssen auch über die dunklen Seiten des Islam reden."

Historisch-kritische Interpretation des Koran sei wichtig

Vom Buchstabenglauben müsse der Islam sich verabschieden, forderte Ourghi: Nötig sei eine historisch-kritische Interpretation des Koran und der bewusste Abschied von bestimmten Koransuren mit Gewaltbegründungen wie in den sogenannten Schwertversen.

Feststehe: "Es gibt keine Gottesliebe ohne Menschenliebe", sagte der Islamforscher.

Ourghi kritisierte bei der Buchpräsentation auch scharf die Politik der Bundesregierung, vor allem mit Islamverbänden wie Ditib oder dem Zentralrat der Muslime in Deutschland zusammenzuarbeiten.

Staat-Kirche-Verhältnis nicht auf den Islam übertragen

Man mache einen Fehler, wenn man versuche, das Staat-Kirche-Verhältnis auf den Islam zu übertragen. "Verbände wie Ditib sind keine Glaubensgemeinschaften, sondern Kulturvereine", sagte Ourghi. Sie folgten einer nationalen, ethnischen und politischen Agenda und seien meist aus dem Ausland gesteuert.

"Der Staat braucht muslimische Ansprechpartner. Dabei kommt es nicht auf die Zahl der Menschen an, sondern auf die Werte, die jemand vertritt", betonte der Islamwissenschaftler.

Kritik: "Reine Publicity-Aktion"

Der evangelische Pfarrer Martin Germer von der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche kritisierte den Thesenanschlag als "reine Publicity-Aktion" und warf dem Islamwissenschaftler vor, seinen Thesenanschlag nicht bei der Moscheegemeinde angekündigt, sondern nur die Medien informiert zu haben.

Gäbe es eine ähnliche Aktion an seiner Kirche, würde er das Hausrecht geltend machen, schrieb Germer in einem Offenen Brief an Ourghi.

Es sei zu fragen, wie der Buchautor mit Reformgedanken in die Welt der Muslime hineinwirken wolle, wenn er dabei nicht das Gespräch mit denen suche, die den Islam vertreten, kritisierte Germer. Der Pfarrer lobte Imam Taha Sabri, der Ourghi trotz der unangekündigten Aktion mit "Freundlichkeit und Ruhe" empfangen habe.

Islamwissenschaftler und Religionspädagoge

Der 1968 in Algerien geborene Ourghi leitet seit 2011 den Fachbereich Islamische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Begleitet wurde er bei der Buchpräsentation von Seyran Ates, der Leiterin der Berliner Ibn-Rushd-Goethe-Moschee.

Sie unterstrich das humanistische Anliegen der Islamreformer: "Keine Religion darf über den Menschenrechten stehen."

Thesenanschlag Luthers

1517 hatte Martin Luther (1483-1546) seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht, die er der Überlieferung nach am 31. Oktober an die Tür der Wittenberger Schlosskirche nagelte.

Der Thesenanschlag gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte.


Quelle:
epd
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