Impressionen aus der zerstörten Stadt Homs

Nichts und niemand blieb verschont

Nach dem Abzug der syrischen Rebellen aus Homs sind die Bewohner in ihre völlig zerstörte Stadt zurückgekehrt. Der Wiederaufbau ist in vollem Gange, auch im Christenviertel in der Altstadt von Homs. 

 Blick in die Hamidiye Straße in Homs (KNA)
Blick in die Hamidiye Straße in Homs / ( KNA )

Es ist still über der Altstadt von Homs. Nur die Vögel singen. Anfang Mai sind die letzten 1.300 Kämpfer abgezogen, nachdem ihnen eine Amnestie gewährt worden war. Geistliche und Zivilisten eines lokalen Komitees begleiteten die Männer in Bussen in Orte nördlich der 800.000-Einwohner-Stadt Homs, wo Verbündete sie erwarteten. Geblieben sind Trümmer. Am Märtyrerplatz erinnert eine alte Standuhr an die französische Kolonialzeit. Von hier führt die Hamidiye-Straße in die Christenviertel der Altstadt. Die Straßen sind eng, uralte Kirchen stehen hier, umgeben von kleinen Moscheen und alten Bädern.

Christentum und Islam haben sich in der Altstadt von Homs über Jahrhunderte miteinander entwickelt, sagt Vater Zuhair Khazal von der syrisch-orthodoxen Marienkirche des Heiligen Gürtels. An "keinem Tag" habe es in Syrien einen konfessionellen Krieg gegeben, betont er. Wer immer das behaupte, täusche sich. Vater Zuhair sitzt im Innenhof der Kirche aus der frühesten Zeit der Christenheit. Weil die ersten Christengemeinden verfolgt wurden, baute man das Gotteshaus damals unter der Erde. 1953 wurde ein Gürtel gefunden, der der Legende nach der Gottesmutter Maria gehört haben soll: eine der heiligsten Reliquien der Gemeinde. Als im Frühsommer 2012 die militärische Lage eskalierte, wurden der kostbare Gürtel und die Ikonen in Sicherheit gebracht. Vater Zuhair berichtet, er selbst habe im Komitee für soziale Beziehungen gemeinsam mit anderen versucht, die Lage zu entspannen.

Kurz vor Abzug der Rebellen: Marienkirche wurde in Brand gesteckt

Zuletzt gehörten dem Gremium 16 christliche Priester, 18 Scheichs, 12 Imame der Moscheen und etwa 20 Zivilisten an. Am 8. Mai begleitete er die letzten Kämpfer bei ihrem Abzug. Damals geschah das Furchtbare, erinnert sich Vater Zuhair und fährt sich mit der Hand durch den langen Bart: "Am 7. Mai, als wir begannen, die Kämpfer zu evakuieren, wurde die Kirche in Brand gesteckt".  Der Täter sei ein Syrer gewesen, von anderen bezahlt. "Sicher kam er nicht aus Homs. Denn wäre er aus Homs gewesen - selbst wenn er zu den Kämpfern gehört hätte, er hätte die Kirche niemals anzünden können". Zu eng sei das Band der Menschen hier untereinander. Krieg und Zerstörung seien von außen in ihre Stadt hineingetragen worden. Immer wieder wird das Gespräch unterbrochen, wenn Arbeiter herüberrufen und Anweisungen für die Reparaturarbeiten haben wollen. Der Wiederaufbau der zerstörten Kirche ist in vollem Gang; eifrig wird gehämmert und gebohrt.

Einen kurzen Fußweg entfernt liegt der Jesuitenkonvent, der während der zwei Jahre Krieg und Belagerung für die Zivilbevölkerung zu einem wichtigen Anlaufort geworden war. Herz und Kopf des Konvents war der niederländische Jesuit Frans van der Lugt, der unermüdlich für einen Waffenstillstand warb. Kurz bevor dieses Ziel erreicht war, wurde er ermordet, Anfang April. Sein Grab im Innenhof des Konvents ist mit Blumen bedeckt. Unmittelbar dahinter liegt die griechisch-orthodoxe Kirche der 40 Märtyrer. Der Eingang ist von einer Mörsergranate zertrümmert, Bäume sind herausgerissen, der Skulptur eines Bischofs im Innenhof ist der Kopf abgeschlagen.

Nur langsam kehren die Bewohner nach Homs zurück

Die Steine im Hof hatten die Bewohner der umliegenden Häuser während der Belagerung abgetragen, berichtet Samer Kabak, der in der Altstadt zuhause ist. Dann wurden Gemüse und Kräuter gepflanzt. Ungezählte Menschen starben in der Altstadt von Homs; die Überlebenden haben tiefe Narben davongetragen. Allmählich kehren sie zurück. Zu Fuß, mit Fahrrädern, auf Mopeds oder in kleinen Lieferwagen streifen sie durch die Gassen, um zu sehen, was von ihrem Zuhause geblieben ist.

Verbrannte Hauswände, eingestürzte Gebäude, aufgesprengte Straßen, versengte Bäume, zertrümmerte Türen. Fenster und Dächer legen Zeugnis des unerbittlichen Kampfes ab, der zwei Jahre hier tobte. Nichts und niemand blieb verschont. Selbst die stolze Khalid-ibn-al-Walid-Moschee, die erst 2003 aufwendig restauriert worden war, ist von Granateinschlägen und Schüssen durchlöchert. Wie verkohlte Gerippe ragen die umliegenden Häuser in den blauen Himmel.

 

 

 


Quelle:
KNA